Kaltakquise im Anwaltsberuf: Darf man das? Und wenn ja, wie geht das?

von Ass. jur. Carmen Schön

20.08.2019

Wer sich einen Mandantenstamm aufbauen will, aber keine Kontakte hat, steht vor Schwierigkeiten. Juristencoachin Carmen Schön erklärt, wie man in solchen Fällen vorgeht und wieso Sympathie und Vertrauen entscheidende Faktoren sind.

Bei der Akquise unterscheidet man zwischen der sogenannten Warmakquise und der Kaltakquise. Bei der Warmakquise besteht bereits ein Kontakt zum potenziellen Mandanten, den man entweder selbst vor einiger Zeit geknüpft hat oder der über das Netzwerk hergestellt wird, beispielsweise über einen Kollegen. Bei der Kaltakquise gab es dagegen noch keine Geschäftsbeziehung und man kennt den möglichen Neukunden auch noch nicht persönlich.

Als Faustregel gilt: Kaltakquise ist fünf- bis siebenmal zeit- und kostenintensiver als Warmakquise. Deshalb sollten Sie besser schon bestehende Kontakte für die Akquise nutzen, sofern die Möglichkeit dazu besteht.

Wann Kaltakquise wichtig sein kann – und in welchen Grenzen sie erlaubt ist

Es gibt allerdings Fälle, in denen es dennoch sinnvoll sein kann, "kalt" zu akquirieren, also ohne dass es vorher einen Kontakt zum Mandanten gab. In Großkanzleien sind die meisten Mandanten schon verteilt, aber von jungen Anwälten wird erwartet, dass sie einen eigenen Mandantenstamm aufbauen. Wenn Sie keine bestehenden Kontakte Ihres Partners übertragen bekommen, bleibt Ihnen letztlich nur die Kaltakquise. Ähnliches gilt für kleine oder neu gegründete Kanzleien, die weitere Mandanten suchen.

Anwaltswerbung unterliegt allerdings Beschränkungen. § 43b Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verbietet die Werbung eines Anwalts um ein einzelnes Mandat. Gegen die Vorschrift verstößt noch nicht zwingend, wer einen potenziellen Mandanten anspricht im Wissen, dass dieser einen konkreten Beratungsbedarf hat. Gerade dieser potenzielle Beratungsbedarf kann es vielmehr erlauben, mit dem Mandanten in Kontakt zu treten, so die zunehmend liberalere Rechtsprechung des BGH.*
 

Größte Hürde: Eine negative Einstellung

Die größte Hürde bei der Kaltakquise sind unsere Glaubenssätze. Das sind Aussagen wie "So etwas tut man nicht", "Der Mandant könnte denken, ich hätte nicht genug Arbeit" oder "Ich fühle mich wie ein Staubsaugervertreter". Unser Denken bestimmt unser Handeln – und mit einer negativen Grundhaltung werden wir erfolglos bleiben. Wer Akquise betreiben will, muss eine positive, selbstbewusste Haltung dazu einnehmen.

Das lässt sich trainieren: Nehmen Sie dazu ein Blatt Papier und teilen Sie es in zwei Spalten auf. Links stehen die positiven und rechts die negativen Glaubenssätze. Notieren Sie alles, was Ihnen zu dem Thema einfällt. Schreiben Sie erst einmal alle Gedanken einfach auf, ohne zu werten.

Entscheidend ist nun: Die Seite mit den positiven Glaubenssätzen muss größer sein. Wenn das bei Ihnen nicht der Fall ist, dann formulieren Sie positive Sätze. Mein persönlicher Glaubenssatz ist übrigens: "Akquise macht mich frei." Denn je mehr Aufträge ich habe, desto selbstbestimmter kann ich sein, was die Themen, die ich anbiete, und die Auswahl meiner Kunden sowie mein Honorar angeht. "Ich bin neugierig" ist ein weiterer Glaubenssatz von mir: Durch meine Arbeit lerne ich neue Menschen kennen und spreche mit ihnen über vielfältige Themen. Der Fokus liegt also nicht darauf, möglichst viel Umsatz zu erzielen.

Wie geht Kaltakquise nun?

Banal gesagt, geht es bei der Kaltakquise darum, den ersten Kontakt zum potenziellen Mandanten herzustellen. Dazu suchen Sie am besten das Gespräch mit ihm, bei welcher Gelegenheit auch immer: Das kann am Ende eines Vortrags sein, bei einer Konferenz oder – für ganz Mutige – ein Telefonat. Ein Telefonanruf ist besonders schwierig, weil wir unser Gegenüber und seine Körpersprache nicht sehen und deshalb seine Reaktion schwer einschätzen können.

Bei Veranstaltungen sollten Sie sich im Vorfeld überlegen, wen Sie dort kennenlernen wollen. Finden Sie über Personen, die interessant für Sie sein könnten, möglichst die Vita und einige weitere Informationen heraus. Und dann probieren Sie, mit diesen Menschen in Kontakt zu treten.

Dazu suchen Sie zunächst einen Anknüpfungspunkt. Das kann das Vortragsthema sein, Sie können das Essen loben oder über den Ort der Veranstaltung sprechen. Viele Small-Talk-Themen sind möglich, als klassische Tabus gelten allerdings Politik, Religion, Krankheit, Tod, Geld oder Sexualität. Wenn das Gespräch aber in eine solche Richtung geht – etwa weil der ganze Tisch über Donald Trump redet – dann sollten Sie sich dem nicht verweigern, sondern eine möglichst diplomatische Antwort geben.

Sympathie und Vertrauen herstellen

Anders als bei der Warmakquise, wo bereits ein Kontakt besteht, geht es bei der Kaltakquise im ersten Schritt darum, eine Beziehung zum potenziellen Mandanten aufzubauen. Dabei stehen Sympathie und Vertrauen im Vordergrund, weniger Ihre Qualitäten als Anwalt. Der Andere muss Sie erkennen und als sympathisch wahrnehmen. Um sympathisch zu wirken, können Sie auf einige Aspekte achten. Die Wichtigsten: Halten Sie Blickkontakt, lächeln Sie freundlich und hören Sie Ihrem Gegenüber aufmerksam zu.

Diese Phase des Beziehungsaufbaus dauert lange. Häufig ist es nicht an einem Abend getan, sie kann sich über Wochen oder Monate ziehen. Das ist auch der Grund, warum man sagt, die Kaltakquise sei so viel zeit- und kostenintensiver als die Warmakquise. Der eigentliche Verkaufsprozess wird vermutlich nicht am ersten Abend beginnen.

Es kann auch passieren, dass Sie mit dem potenziellen Mandanten nicht so recht warm werden. Wenden Sie sich dann aber nicht sofort ab. Fragen Sie sich, ob es etwas gibt, das Sie an der Person mögen. Passen Sie Ihre Einstellung entsprechend wertschätzend an – aber nur, solange es für Sie authentisch bleibt. Das ist allerdings eine Gratwanderung. Wenn es menschlich gar nicht passt, sollten Sie Abstand nehmen. Denn dann wird auch eine Mandatsbeziehung auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten sein.

Carmen Schön berät und coacht Juristen, Führungskräfte und Anwaltskanzleien zu Themen wie Geschäftsaufbau, Führung, Auftritt und Wirkung.

* Anm. d. Red.: Gesamter Absatz geändert am 21.08.2019, 15:09 Uhr (pl)

Zitiervorschlag

Kaltakquise im Anwaltsberuf: Darf man das? Und wenn ja, wie geht das? . In: Legal Tribune Online, 20.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37151/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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