30 Jahre Bastille-Beschlüsse: Happy Birthday, Anwalts­wer­bung!

von Marcus Creutz

04.05.2017

2017 jähren sich die Bastille-Beschlüsse des BVerfG zum 30. Mal. Damals kippte Karlsruhe das alte Standesrecht, das Anwälten Werbung strengstens verbot. Diese Konditionierung wirkt bis heute in allen Marktsegmenten fort.

Dabei hatten das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Anwälte in den revolutionären Entscheidungen (vom 14. Juli 1987, Az. 1 BvR 537/81) dazu ermutigt, aktiv zu kommunizieren. Die Befugnis zur Information der Öffentlichkeit könne nicht nur auf eine Ausnahme reduziert und auf essentielle, die Öffentlichkeit bewegende Vorfälle beschränkt werden, so der 1. Senat. In dem die Anwaltswerbung betreffenden Beschluss hatte die zuständige Rechtsanwaltskammer einen Anwalt abgemahnt, weil er ein Foto von sich an die Presse lanciert hatte, die dann über ihn berichtete. Und so heißt es heute ganz unspektakulär in § 6 Absatz 1 Berufsordnung der für Rechtsanwälte (BORA): Der Rechtsanwalt darf über seine Dienstleistung und seine Person informieren, soweit die Angaben sachlich unterrichten und berufsbezogen sind.

Dabei kommt der Werbung im Anwaltsmarkt, in dem immer mehr Berufsträger identische Beratungsprodukte anbieten, längst existenzielle Bedeutung zu. Denn nur diejenige Kanzlei, die sich von der Konkurrenz abgrenzt und als Markenpersönlichkeit und Vertrauensmarke wahrgenommen wird, hat nach einhelliger Meinung der einschlägigen Kanzleiberater heutzutage eine Überlebenschance.

Umso erstaunlicher ist es, dass von den Großkanzleien über Boutiquen im High-End-Geschäft bis hin zu kleinen Generalisten gut gemachte Anwaltswerbung in Deutschland Seltenheitswert hat. "Anwälte haben erst vor 10, 15 Jahren die Werbung für sich entdeckt. Im Unterschied zu amerikanischen Kanzleien tun sie sich insbesondere noch mit der Markenführung schwer", weiß Stephan Marx, Geschäftsführer der gleichnamigen Essener Werbeagentur, die sich auf Anwälte spezialisiert hat.

Was will der Mandant statt höher, schneller, weiter

Wen wundert's. Schließlich haben Anwälte im Studium nicht gelernt, wie man wirbt. Deshalb nehmen viele Robenträger in der Werbung Anleihen aus fremden Branchen. Und ergießen sich dabei in Superlativen, Abstraktionen und Allgemeinplätzen. Ein aktuelles Beispiel aus einer Kanzleianzeige: "Transaktion trifft Innovation". Dass Anwälte bei Transaktionen innovativ sein müssen, ist aus Sicht des Mandanten eine Selbstverständlichkeit. Ein weiteres Beispiel: "Exzellente Rechtsberatung von der größten Kanzlei der Welt". Ob es den Mandanten mehrheitlich wirklich darauf ankommt, von der größten Kanzlei der Welt beraten zu werden, darf bezweifelt werden. Sie könnten auch denken: Wer derart prahlt, bei dem fällt auch die Rechnung entsprechend hoch aus.

Doch das sind längst nicht die einzigen Fettnäpfchen, in die Anwälte hineintreten, wenn sie sich in Sachen Werbung falsch oder gar nicht beraten lassen. "Die Bronzemedaille geht an alle Aktionen, die halbherzig geplant und konzept- und ideenlos umgesetzt werden. Wer sich denkt 'Ich muss ja was im Marketing tun, aber eigentlich möchte ich gar nicht', sollte es gleich lassen", rät Peter Marquardt. Auf Platz zwei der No Gos sieht der Inhaber der Düsseldorfer Agentur zB3 Kanzleimarketing "die unterschätzte Wirksamkeit der gestalterischen Aspekte. Häufig entspricht die Güteklasse des Designs und der Bildsprache nicht dem Beratungsanspruch der Kanzlei. Hier steckt ein unglaubliches, empirisch nachgewiesenes Potenzial, das häufig ungenutzt bleibt."

Doch der Spitzenreiter unter den Fehlern, die Anwälten in Sachen Werbung unterlaufen, ist laut Marquardt die Unfähigkeit einiger Anwälte, häufiger die Position der potenziellen Mandanten einzunehmen und sich die Frage zu stellen, welche Informationsbedürfnisse sie wohl haben. "Ist hier die Selbstdarstellung der Kanzlei oder sind eher Problemlösungen für den Mandanten gefragt? Eine intensive Customer Journey, wie es neudeutsch heißt, hilft dabei enorm", weiß Marquardt.

Aus der Sicht des Mandanten

Keine Frage: Die Rundreise des Kunden mit allen Berührungspunkten der Kanzlei im Entscheidungsprozess nachzustellen, schärft das Bewusstsein für den ganzheitlichen Blick auf den eigenen Kanzleiauftritt. Das ist etwa der auf Bau-, Immobilien- und Vergaberecht spezialisierten Kanzlei Leinemann & Partner mit ihrem Internetauftritt gelungen. Gleich auf der Homepage zeigt sie Baukonzernen ihre Leistungsfähigkeit, indem ganz unterschiedliche Projekte visuell dargestellt werden – von der Elbphilharmonie über Autobahnen bis hin zum Kraftwerks- und Anlagenbau.

Auch die auf das Steuerrecht fokussierte Kanzlei Streck Mack Schwedhelm holt die Mandanten auf ihrer in schwarz-weiß gehaltenen Website gleich mit einem starken Zitat ihres mittlerweile ausgestiegenen Gründungspartners Michael Streck ab: "Wir kommen ins Spiel, wenn eigentlich nichts mehr geht".

Gleich darunter werden die vier Kernkompetenzen Steuerstreit, Steuerfahndung, Steuergestaltung und Beraterhaftung aufgezählt. Die Kanzlei leistet sich zudem ein eigenes – dieses Mal farbiges - Kanzleimagazin, in dem nicht nur einzelne Kanzleistandorte mit ihren regionalen Besonderheiten wie der Currywurst in Berlin oder der Allianz-Arena in München vorgestellt werden, sondern auch einzelne Partner mit ihren privaten Sehnsüchten und Leidenschaften. Auf diese Art und Weise baut die Kanzlei eine menschliche Nähe zu ihren Mandanten auf.  Schließlich wollen die Mandanten jenseits aller Fachkompetenz wissen, wie ihr Anwalt tickt.

Zitiervorschlag

Marcus Creutz, 30 Jahre Bastille-Beschlüsse: Happy Birthday, Anwaltswerbung! . In: Legal Tribune Online, 04.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22815/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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