BGH hält Vertragsgenerator für zulässig: Smartlaw berät nicht

Gastbeitrag von Martin W. Huff

01.10.2021

Der Vertragsgenerator Smartlaw verstößt nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Jetzt liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor. Martin W. Huff analysiert die Entscheidung. 

Vor drei Wochen hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Presseerklärung mitgeteilt, dass der Vertragsgenerator Smartlaw des Informationsdienstleisters Wolters Kluwer, zu dem auch die LTO gehört, nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstößt. Im Ergebnis hat er damit eine Unterlassungsklage der Rechtsanwaltskammer (RAK) Hamburg gegen das Unternehmen abgewiesen (Urt. v. 09.09.2021, Az. I ZR 113/20).

Jetzt wurde den Parteien die schriftliche Fassung der Entscheidung zugestellt. Die Begründung zeigt, dass sich der I. Zivilsenat des BGH sorgfältig mit den aktuellen Fragen der Auslegung des RDG befasst. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch zulässig. Es wird weiterhin sorgfältig zu prüfen sein, was unter einer erlaubnispflichtigen bzw. erlaubnisfreien Rechtsdienstleistung zu verstehen ist.

Ausgangspunkt ist ein auf §§ 3, 3a, 8 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gestützter Unterlassungsanspruch. Eine gemäß § 3 RDG unerlaubte Rechtsdienstleistung stellt eine unerlaubte Geschäftspraktik und damit eine Marktverhaltensregelung dar. Als Berufsorganisation ist auch eine RAK klagebefugt.

Liegt eine unerlaubte Rechtsdienstleistung vor?

Im Kern geht es um die Frage, ob der Vertragsgenerator, bei dem der Kunde mit der Beantwortung bestimmter Fragen seinen eigenen Vertrag erstellt, eine unerlaubte Rechtsdienstleistung darstellt. Als Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten zu verstehen, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.  

Ausgangspunkt ist, ob Smartlaw eine "Tätigkeit" des Informationsdienstleisters darstellt. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln als Vorinstanz verneinte diese Frage (OLG Köln, Urt. v. 19.06.2020, Az. 6 U 263/19)

Der BGH hingegen nahm eine Tätigkeit von Wolters Kluwer im Sinne des RDG an. Eine einschränkende Auslegung des Begriffs "Rechtsdienstleistung" habe der Gesetzgeber gerade nicht gewollt. Der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor unqualifizierten Angeboten als Zweck des RDG spreche für ein weites Begriffsverständnis. Was erlaubt und verboten ist, entscheide sich im Verlauf der weiteren Prüfung.  

Der Senat stellt klar, dass die Entscheidung "wenigermiete.de" des VIII. Zivilsenats (Urt. v. 27.11.2019, Az. VIII ZR 285/18) eine großzügige Auslegung der erlaubten Inkassodienstleistung darstelle, nicht aber die Rechtsdienstleistung anders interpretieren wollte. 

Softwarebasierte Vertragserstellung ist Tätigkeit eines Rechtsdienstleisters 

Im nächsten Prüfungsschritt meint der BGH, dass es sich bei der softwarebasierten Erstellung eines Vertragsdokuments um eine "Tätigkeit" des Informationsdienstleisters handele. Die Programmierung und Bereitstellung der Software sowie die Nutzungsmöglichkeit der Kundinnen und Kunden sei eine einheitliche Tätigkeit. Es dürfe nicht allein auf die Nutzung, die die Tätigkeit auslöse, abgestellt werden. Damit liege eine Tätigkeit in Rechtssachen vor.  

Aber: Wolters Kluwer wird – so der nächste Schritt – nicht in einer konkreten fremden Angelegenheit tätig, so dass es an einer unerlaubten Rechtsdienstleistung fehlt. Zwar liege eine fremde Angelegenheit vor, weil das Unternehmen mit dem Angebot ein wirtschaftliches Eigeninteresse verfolge. Allerdings ist das Angebot, den Generator zu nutzen, keine "konkrete" Angelegenheit.  

Angebot bezieht sich nicht auf "konkrete" Angelegenheit

Der BGH zieht den Vergleich zum Formularhandbuch und zu den von den Nutzerinnen und Nutzern auszufüllenden Vertragsformularen. Diese seien nicht auf einen konkreten Sachverhalt ausgerichtet.  

Übertragen auf den Generator formuliert der BGH: "Die Generierung des Dokuments erfolgt nicht auf der Grundlage eines der Beklagten (Wolters Kluwer) von einer bestimmten Person unterbreiteten konkreten Sachverhalts".  

Das Angebot sei abstrakt und nicht auf einen konkreten Einzelfall ausgerichtet. Und weiter: "Eine solche abstrakte Angelegenheit wird nicht dadurch zu einer konkreten Angelegenheit, dass der Nutzer des Rechtsdokumentengenerators durch die Beantwortung vorgegebener Fragen Angaben zu einem realen Sachverhalt macht. Die Eingaben bewirken lediglich, dass die Textbausteine … abgerufen und zu einem Vertragsdokument zusammengestellt werden".  

Eine andere Sichtweise sei auch nicht aus Gründen des Verbraucherschutzes erforderlich, wie schon das OLG Köln festgestellt hatte.  

Vertragsgenerator bietet keine "konkrete" Rechtsberatung

Insgesamt ist die Entscheidung des BGH überzeugend gelungen. Bei Smartlaw handelt es sich um eine rechtliche Angelegenheit.  

Aber das Angebot stellt gerade keine "konkrete" Rechtsberatung eines Fremden dar. Der Vergleich mit Handbüchern und Formularen ist zutreffend. Allein durch die Schaffung einer digitalen Plattform findet keine konkrete Rechtsberatung statt. Dies gilt unabhängig davon, wie detailliert die Fragen des Generators sind. 

Diese Umstände sind auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern bewusst. Sie sind in diesem Punkt nicht schutzwürdig, wenn sie nicht zu einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin gehen. Die Grenzen kennen sie gut, die Risiken sollten sie auch kennen.

Zitiervorschlag

BGH hält Vertragsgenerator für zulässig: Smartlaw berät nicht . In: Legal Tribune Online, 01.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46183/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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