Freihandelsabkommen mit Indien: Kein Ende der Ver­hand­lungen in Sicht

von Daniel H. Sharma und Benjamin Parameswaran

25.09.2015

2/2: Was Deutschland sich wünscht

Die Verhandlungen zum FTA führt im Rahmen ihrer außenhandelsrechtlichen Kompetenz für alle EU-Mitgliedstaaten die Europäische Kommission. Deren Position teilt die Bundesregierung  in allen wesentlichen Punkten.

Besonders die von der EU-Kommission geforderten Zollsenkungen in der Automobileindustrie sind für die deutsche Wirtschaft sehr wichtig. Exportiert z.B. ein europäischer Autobauer nach Indien, betragen die Zollgebühren knapp 60 Prozent des Produktwerts. Bei einem Export in die EU fallen für einen indischen Autobauer jedoch lediglich 6,5 Prozent Zollgebühren an.

Im Bereich der Dienstleistungen hat die Bundesregierung ebenfalls an einer Reihe von Sektoren besonderes Interesse. Relevant sind etwa die Bereiche der Finanzdienstleistungen oder der Logistik- und Kurierdienste. Deutsche und europäische Versicherungsunternehmen wollen endlich ungehinderten Zugang zum riesigen indischen Markt erhalten. Logistikunternehmen, die etwa das Geschäft der Brief- und Paketbeförderung betreiben, unterliegen ebenfalls immer noch Restriktionen, deren Abbau Europa fordert. Dem stehen indische Interessen zur Dienstleistungserbringung durch den vorübergehenden Aufenthalt natürlicher Personen in der EU gegenüber, welche vor allem für die indische IT-Industrie wichtig sind. Indische IT-Unternehmen fordern seit langem, dass sie indische Arbeitnehmer für kürzere, aber auch längere Zeiträume nach Europa schicken dürfen. Die Hürden für die Erlangung von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen sind immer noch hoch.

Deutsche Unternehmen erhoffen sich darüber hinaus auch eine deutliche Erleichterung bei den Beschränkungen für ausländische Direktinvestitionen in Indien (Foreign Direct Investment; FDI). Derzeit machen bürokratische Hindernisse, Infrastrukturprobleme und Verzögerungen bei Genehmigungsverfahren Indien zu einem berüchtigten internationalen Investitionsstandort.

Im Zuge des FTA, das auch für europäische Investitionen neue Regelungen festlegen will, könnte sich die Bedeutung Indiens allerdings ändern. Die dortige  Regierung arbeitet - unabhängig vom FTA - bereits an der weiteren Öffnung von bestimmten Sektoren für FDI, etwa in der Versicherungs- oder Verteidigungsindustrie. Deutsche Unternehmen würden also deutlich überdurchschnittlich von einem FTA profitieren.

Geduld bleibt eine wichtige Tugend

Derzeit ist die Lage aber kritisch. Die 12. und bislang letzte Verhandlungsrunde fand im Mai 2013 statt. Nach dieser Sitzung wurden die Verhandlungen vorerst unterbrochen. Von Seiten der EU heißt es, dass die Parteien mit zu unterschiedlichen Erwartungen und Ambitionen in die Verhandlungen gegangen seien, insbesondere was die Zölle in der Automobilindustrie sowie die Freizügigkeit von Arbeitskräften angeht. 

Aber auch im Hinblick auf die indische Zurückhaltung bei der Öffnung des öffentlichen Vergaberechts und die Zurückhaltung der EU im Hinblick auf die Akzeptanz des indischen Rechts zum Schutz geistigen Eigentums (Data Secure Nation-Status für Indien) war nach der 12. Runde nur wenig Übereinstimmung erkennbar.

Zwar hatte das seit 2014 regierende neue Kabinett signalisiert, dass es bereit wäre, an den alten Verhandlungsstand anzuknüpfen. Allerdings hat die indische Seite ein für den 20. August 2015 geplantes Treffen der FTA-Verhandlungsführer formal gestoppt. Auslöser ist das Handelsverbot von ca. 700 Arzneimitteln, welches die Europäische Kommission im August 2015 verhängt hat, da ein indischer Dienstleister bei der Durchführung von Medikamententests die erforderlichen Standards nicht eingehalten habe.

Ein neuer Termin ist bisher noch nicht angesetzt. Am grundsätzlichen Interesse beider Seiten an einem umfassenden FTA hat sich nichts geändert. Geduld bleibt aber eine wichtige Tugend in diesem Verhandlungsprozess.

Dr. Daniel H. Sharma, LL.M. (Durham) ist Partner und Co-Chair der Global India Group bei DLA Piper. Dr. Benjamin Parameswaran ist Partner und Managing Partner Germany bei DLA Piper.

Zitiervorschlag

Daniel H. Sharma und Benjamin Parameswaran, Freihandelsabkommen mit Indien: Kein Ende der Verhandlungen in Sicht . In: Legal Tribune Online, 25.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16976/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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