Urheberstreit um "Happy Birthday": Zwei Millionen jährlich für ein Geburtstagsständchen

von Sebastian Dosch

21.06.2013

Zum Geburtstag zu gratulieren, war auch mal einfacher. Oder wussten Sie, dass Sie möglicherweise gegen Urheberrechte verstoßen, wenn Sie den Klassiker "Happy Birthday" anstimmen? Eine Gruppe amerikanische Filmemacher will das nicht länger hinnehmen und verklagt den Musikverlag Warner/Chappell. Wann man das Ständchen in Deutschland gefahrlos singen darf, erklärt Sebastian Dosch.

Man muss schon bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen, um die Ursprünge des Geburtstagslieds zu entdecken. Zwei Schwestern, Mildred J. Hill und Patty Smith Hill, komponierten und veröffentlichten damals zunächst ein Begrüßungslied für einen Kindergarten: "Good-morning to all". Die Melodie dazu war bereits die nun weltbekannte. Einige Jahre später wurde das Lied umgetextet und startete seinen Siegeszug um die Welt.

Erst um 1998 herum erwarb der Musikverlag Warner/Chappell die Rechte an dem Lied – und macht seither gutes Geld damit. Wikipedia spricht von jährlich rund zwei Millionen Dollar. Denn wer das Lied in den USA öffentlich aufführen möchte, muss zunächst den Verlag um Erlaubnis fragen und ordentlich Lizenzgebühren zahlen.

In den USA 50 Jahre, in Deutschland 70 Jahre

So erging es auch einer kleinen Gruppe Filmemacher, der "Good Morning to You Productions Corp.", die eine Dokumentation über das Lied dreht und sich über die dafür zu zahlende Lizenzgebühr von 1.500 Dollar ärgerte. So sehr, dass sie den Musikkonzern letzte Woche in New York verklagte. Das Gericht soll feststellen, dass das Lied Allgemeingut ist und es kein Urheberrecht an dem Titel mehr gibt. Warner/Chappell sei verpflichtet, die vereinnahmten Lizenzgebühren der letzten vier Jahre zurückzuzahlen.

Moment mal, hört man den aufmerksamen Leser sagen, was geht mich das Ganze denn hier in Deutschland an? Kann ich hier nicht gratulieren, wie ich will?

Wühlt man sich durch die Revidierte Berner Übereinkunft, das TRIPs-Abkommen und das Übereinkommen zwischen dem Deutschen Reich und den USA über den gegenseitigen Schutz der Urheberrechte vom 15. Januar 1892, wird klar: Wer in Deutschland das Lied "Happy Birthday" anstimmt, muss sich an deutsches Urheberrecht halten.

Die Melodie der beiden Hill-Schwestern ist also gemäß § 8 Urheberrechtsgesetz (UrhG) ein geschütztes Werk. Da der geänderte Text von einer dritten Person stammt, ist das gesamte Lied ein verbundenes Werk im Sinne von § 9 UrhG.

Da das Lied schon recht viele Jahre auf dem Buckel hat, könnten die Schutzfristen mittlerweile abgelaufen sein. In den USA galt früher eine nur 50-jährige Frist ab dem Tod des letzten Urhebers. Patty hatte ihre Schwester Mildred überlebt und starb im Jahre 1946. Danach wäre das Lied seit 1996 gemeinfrei. In Deutschland müssen jedoch das Unionsrecht und seine nationale Umsetzung beachtet werden. Danach gilt eine 70-jährige Schutzfrist auch für amerikanische Musiktitel. Bis 2016 sind die Urheberrechte also noch zu beachten.

Privat singen erlaubt, öffentlich nur gegen Bares

"Happy Birthday" öffentlich aufzuführen, ist demnach gemäß § 19 Abs. 2 UrhG das alleinige Recht der Urheber. Allerdings sind die meisten privaten Geburtstagsfeiern gerade nicht "öffentlich", weshalb die Partygäste in aller Regel keine Repressalien zu befürchten haben. Bei einer großen Feier mit vielen, einander unbekannten Gästen könnte die Sache allerdings anders liegen.

Da hilft dann § 52 Abs. 1 S. 1 UrhG, wonach die Aufführung zulässig ist, wenn sie "keinem Erwerbszweck des Veranstalters dient, die Teilnehmer ohne Entgelt zugelassen werden und im Falle des Vortrages oder der Aufführung des Werkes keiner der ausübenden Künstler eine besondere Vergütung erhält". Allerdings müsste selbst dann eine angemessene Vergütung gezahlt werden – zumindest bis der Rechtsstreit in den USA geklärt ist.

Wer die ganzen Tiefen und Untiefen dieser Rechtsfrage ausloten möchte, für den empfiehlt sich die Lektüre des unterhaltsamen Artikels "Happy birthday to you – Urheberrechtliche Fragen rund um ein Geburtstagsständchen" des Juraprofessors Thomas Hoeren.

Der Autor Sebastian Dosch ist Fachanwalt für IT-Recht in Heidelberg. Er bloggt auf http://klawtext.blogspot.de/.

Zitiervorschlag

Sebastian Dosch, Urheberstreit um "Happy Birthday": Zwei Millionen jährlich für ein Geburtstagsständchen . In: Legal Tribune Online, 21.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8979/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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