Gesetzentwurf zu Unternehmenssanktionen: CDU macht Druck im Bun­desrat

von Annelie Kaufmann

10.09.2020

Der Bundesrat befasst  sich nächste Woche mit dem Verbandssanktionengesetz. Nun machen die Länder, in denen die CDU an der Regierung beteiligt ist, kräftig Druck dagegen. Das könnte Folgen haben: Es handelt sich um ein Zustimmungsgesetz.

Umstritten war das Verbandssanktionengesetz von Anfang an: Die Wirtschaft ist dagegen, die CDU zumindest nur äußerst unwillig mit dabei. Doch sie hat sich im Koalitionsvertrag mit der SPD darauf eingelassen - und dort ist das Vorhaben ziemlich klar umrissen.

Die Idee: In Fälle von Wirtschaftskriminalität sollen nicht nur verantwortliche Manager und Mitarbeiter, sondern auch die Unternehmen selbst zur Verantwortung gezogen werden. Bisher kommen lediglich Geldbußen nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) in Betracht, die Höchstgrenze liegt bei zehn Millionen Euro. Künftig sollen sich die Sanktionen an den Umsätzen des Unternehmens orientieren und es soll das Legalitätsprinzip gelten. Das heißt, die Staatsanwaltschaft muss bei einem entsprechenden Tatverdacht gegen das Unternehmen ermitteln. 

Im August 2019 legte das Bundesjustizministerium (BMJV) einen ersten Entwurf vor. Es folgte ein langes Hin und Her, bis sich BMJV, das CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und die Fachpolitiker von Union und SPD im April dieses Jahres schließlich einigen konnten. Die umstrittene Verbandsauflösung im Sanktionskatalog wurde gestrichen, dann bekam der Gesetzentwurf noch einen neuen Titel: "Gesetz zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft". 

Von "Unternehmenssanktionen" oder "Verbandssanktionen" ist deshalb die Rede, weil sich die Regelungen auf "Verbände" beziehen. Gemeint sind  juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, nicht rechtsfähige Vereine und rechtsfähige Personengesellschaften, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. 

Im Bundesrat sammeln sich viele Gegenstimmen

Wie erwartet gab es scharfe Kritik von Wirtschaftsverbänden und vom Deutschen Anwaltverein, der dem BMJV vorwarf, "das Schuldprinzip über Bord" zu werfen und ein "klandestines Unternehmensstrafrecht" zu schaffen. Trotzdem winkte das Kabinett den Gesetzentwurf durch – ohne weitere Änderungen. 

Jetzt allerdings droht ordentlich Gegenwind aus denjenigen Bundesländern zu kommen, in denen die CDU an der Regierung beteiligt ist. Da es sich um einen Regierungsentwurf handelt, wird zuerst der Bundesrat um Stellungnahme gebeten - und dort sind die Mehrheitsverhältnisse unübersichtlich. Die CDU stellt zurzeit sechs Ministerpräsidenten, in zehn Ländern ist sie an der Regierung beteiligt, hinzu kommt Bayern, das von der CSU geführt wird. Doch zwischen den Koalitionspartnern und den jeweiligen Ressorts ist das Verbandssanktionengesetz umstritten.

So einigte sich zwar der Finanzausschuss des Bundesrats auf eine Beschlussempfehlung, die vorsieht, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Im Wirtschaftsausschuss gibt es dagegen deutliche Kritik an der Stoßrichtung des Gesetzentwurfs, vor allem würden kleine und mittlere Unternehmen unverhältnismäßig belastet.

Der federführende Rechtsausschuss beschloss sogar eine Empfehlung, die vorschlägt, den Gesetzentwurf insgesamt abzulehnen – hier haben die CDU-Vertreter eine Mehrheit. Der Rechtsausschuss kritisiert insbesondere, dass die Einführung des neuen Sanktionsrechts Gerichte und Staatsanwaltschaften überlasten würde. Weitere Vorlagen schlagen vor, die Verfolgung der Verbände in das Ermessen der Staatsanwaltschaften zu stellen, denen dabei bestimmte Vorgaben gemacht werden bzw. in bestimmten Fällen das Absehen von der Verfolgung ermöglicht wird. 

Was machen die Grünen?

Damit ist allerdings noch nicht gesagt, wie der Bundesrat im Plenum am 18. September abstimmen wird. Die Länder können ihre Stimmen nur einheitlich abgeben, die jeweiligen Ressorts müssen sich also untereinander einigen. Der Vorschlag, den Gesetzentwurf insgesamt abzulehnen, kam aus dem schwarz-grünen Hessen. Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) sagte dazu gegenüber LTO: "Der Referentenentwurf zum Unternehmensstrafrecht kommt zur falschen Zeit und trifft die Falschen. Gerade jetzt benötigt die schwer von der Pandemie getroffene deutsche Wirtschaft die Rückendeckung der Politik." Der Entwurf sende aber "gegenteilige Signale" aus. "Letztlich werden mit dem Gesetz ja nicht die verantwortlichen Täter belastet, sondern die redlichen Mitarbeiter, Gesellschafter und Aktionäre, die dem Unternehmen über die Taten hinaus erhalten bleiben - und dies vor allem im Mittelstand."

Klar dürfte sein, dass auch Bayern und Nordrhein-Westfalen – beide schwarz-blau/orange bzw. schwarz-gelb – dem Gesetzentwurf sehr kritisch gegenüberstehen. Zudem lehnt die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU) die Pläne ab. Man sehe zwar "Bedarf für ein Verbandssanktionengesetz", unterstütze allerdings nicht den Gesetzentwurf in der gegenwärtigen Fassung, teilte ein Ministeriumssprecher gegenüber LTO mit. In Niedersachsen stellt die SPD den Ministerpräsidenten. 

Aus Baden-Württemberg hatte sich vor allem die Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen. Justizminister Guido Wolf (ebenfalls CDU) will sich dagegen vorab nicht öffentlich äußern. Die Positionierung des Landes sei innerhalb der Regierung noch nicht final abgestimmt. Hier wird es wohl auf den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ankommen. 

Dagegen hatte sich zwar auch Hamburg im Wirtschaftsausschuss für Änderungen an dem Entwurf stark gemacht. Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) betonte allerdings gegenüber LTO, sie sei "für ein echtes Sanktionsrecht für Unternehmen – wie es auch im Hamburger Koalitionsvertrag als Ziel festgeschrieben ist." Das nehme Betrug und Korruption den finanziellen Anreiz und nütze "auch der Wirtschaft, weil es den fairen Wettbewerb stärkt."

Achtung, zustimmungsbedürftiges Gesetz!

Erst wenn der Bundesrat seine Stellungnahme abgegeben hat, wird auch der Bundestag mit dem Gesetzentwurf befasst. Im parlamentarischen Verfahren könnte es durchaus noch weitere Änderungen geben. 

Es wird dann auch nochmal um die Kritik von Wirtschaftsverbänden und Anwälten gehen, die sich nicht nur auf das Sanktionsrecht insgesamt bezieht, sondern insbesondere auch auf unzureichende Regelungen zu Compliance-Vorgaben und auf die Vorgaben bei internen Ermittlungen.

Klar ist jedenfalls, dass die Bundesregierung das Votum der Länder nicht einfach übergehen kann: Der Gesetzentwurf ist zustimmungsbedürftig. Nach Angaben des BMJV liegt das an Änderungen des Einkommenssteuergesetzes und des Körperschaftssteuergesetz, die mit dem neuen Sanktionsrecht einhergehen (Art. 14 des Gesetzentwurfs) und in die Haushalte der Länder eingreifen.

Der Bundesrat wird sich also am nächsten Freitag nicht zum letzten Mal mit den Verbandssanktionen befassen – und könnte den Gesetzentwurf am Ende noch in den Vermittlungsausschuss treiben. Dann wird es spannend, ob sich das Koalitionsvorhaben in der gar nicht mehr so langen Legislaturperiode noch umsetzen lässt.

Zitiervorschlag

Gesetzentwurf zu Unternehmenssanktionen: CDU macht Druck im Bundesrat . In: Legal Tribune Online, 10.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42757/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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