Strafrechtler zum Verbot von Sex mit Tieren: "Moralische Fragen gehen den Staat nichts an"

Interview mit Prof. Dr. Joachim Renzikowski

17.12.2012

2/2: "Die falsche Tätergruppe ist kein Argument"

LTO: Gegen die Ausweitung der Kriminalisierung der Zoophilie wird auch angeführt, dass diese vor allem in ihrem Reifeprozess verzögerte Jugendliche und psychisch kranke Täter treffe. Sehen Sie dies auch als problematisch an?

Renzikowski: Das ist überhaupt kein Argument. Das kann man sich leicht klar machen, indem man es auf zentrale Vorschriften des Sexualstrafrechts überträgt. Die Strafbarkeit des sexuellen Missbrauchs an Kindern wird nicht dadurch illegitim, dass es pädophile Täter gibt, die psychisch krank sind.  

Für Personen, die nicht oder nur eingeschränkt zurechnungsfähig sind, sieht das Gesetz Therapiemöglichkeiten vor. Für Jugendliche steht ohnehin im Jugendstrafrecht der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Die allein maßgebliche Frage bleibt also: Gibt es eine Rechtsposition, mit der sich die Strafbarkeit der Zoophilie begründen lässt?

LTO: Als Grund für das neu eingeführte Verbot wird unter anderem angeführt, dass Fälle von Zoophilie bislang nur über den Tierquäler-Paragraf 17 Nr. 2b TierSchG geahndet werden konnten. Dessen Tathandlung setzt aber erhebliche und länger andauernde oder sich wiederholende Schmerzen und Leiden für das Tier voraus. Der Täter muss somit aus Rohheit handeln – und eben nicht "nur" zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs. Kam es auf dieser Grundlage bisher überhaupt zu Verurteilungen?

Renzikowski: Das kann ich schwer beantworten, weil mir dazu die praktische Erfahrung fehlt. In der Kommentarliteratur werden sexuelle Handlungen gelegentlich als Beispiele für ein rohes Misshandeln aufgeführt.  

Meines Erachtens hätte es aber genügt, das subjektive Merkmal der Rohheit zu streichen. Derartige so genannte Gesinnungsmerkmale sind nicht nur praktisch kaum nachzuweisen. Wenn jemand einem Tier erhebliche Schmerzen zufügt, dann leuchtet mir auch nicht ein, weshalb er dann zusätzlich mit einer gefühllosen Gesinnung handeln muss. Aus welchen zusätzlichen Umständen soll sich diese gefühllose Gesinnung denn ergeben?

"Wertungswiderspruch zwischen Zoophilie und Verbreitung von Tierpornographie"

LTO: Künftig ist Zoophilie eine Ordnungswidrigkeit nach dem TierSchG. Die Verbreitung zoophiler Materialien nach § 184a StGB ist dagegen eine Straftat. Ist dies nicht ein Wertungswiderspruch?

Renzikowski: Durchaus! Das Problem liegt aber bei § 184a StGB. Über das Verbot von Gewaltpornographie muss man hier nicht streiten. Die Überlegung, der Konsum von Tierpornographie könnte zu Nachahmungshandlungen führen, ist nicht nur recht weit hergeholt, sondern kann die unterschiedliche Einordnung – hier Ordnungswidrigkeit, dort Straftat – auch nicht rechtfertigen. Der weitere Hinweis darauf, dass solche Darstellungen doch besonders widerwärtig seien, betrifft nur die Moral und trägt deshalb eine Bestrafung nicht.

LTO: Wie gehen unsere europäischen Nachbarn mit zoophilen Handlungen um? Sind derartige Übergriffe dort unter Strafe gestellt?

Renzikowski: In Österreich verbietet § 220a StGB-Österreich die "Werbung" zur Unzucht mit Tieren. Wer also "in einem Druckwerk, in einem Laufbild oder sonst öffentlich zur Unzucht mit Tieren auffordert oder sie in einer Art gutheißt, die geeignet ist, solche Unzuchtshandlungen nahezulegen", macht sich strafbar. Ein eigener Tatbestand für Zoophilie ist mir nicht bekannt. Einschlägig ist bislang die Tierquälerei nach § 222 StGB-Österreich.

In der Schweiz ist die Tierpornographie strafbar. Sexuelle Handlungen mit Tieren werden ausdrücklich durch Art. 16 Abs. 2 Buchst. j der Tierschutzverordnung von 2008 verboten. Derartige Handlungen sind nach Art. 28 des Tierschutzgesetzes strafbar.

LTO: Eine abschließende Einschätzung: Wird sich durch das deutsche Verbot etwas verändern?

Renzikowski: Darüber kann man nur spekulieren. Als im Jahr 1968 die Bestrafung der Sodomie aufgehoben wurde, meinte der Gesetzgeber auch, dass die Vorschrift in der Praxis keine Rolle spiele. Das wird jetzt wohl nicht anders sein.

LTO: Vielen Dank für das Gespräch.

Joachim Renzikowski ist Professor für Strafrecht, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie an der Universität Halle-Wittenberg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört u.a. das Sexualstrafrecht.

Die Fragen stellte Tobias Kohl.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Joachim Renzikowski, Strafrechtler zum Verbot von Sex mit Tieren: "Moralische Fragen gehen den Staat nichts an" . In: Legal Tribune Online, 17.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7805/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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