Die Reform des Fremdpersonaleinsatzes kommt: Zeit­ar­beit wird teurer – und kom­p­li­zierter

von Dr. Alexander Bissels

04.01.2017

Die Große Koalition wird die Arbeitnehmerüberlassung und den Einsatz von Werkverträgen stärker gesetzlich regulieren; die Reform tritt am 1. April 2017 in Kraft. Ihre wesentlichen Neuerungen stellt Alexander Bissels vor.

Die Reform des Fremdpersonaleinsatzes ist am 21. Oktober 2016 vom Bundestag beschlossen und am 25. November 2016 vom Bundesrat bestätigt worden. Durch die Reform sollen die maßgeblichen Stellschrauben im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) neu justiert werden, um – so das gesetzgeberische Ziel – "die Leiharbeit auf ihre Kernfunktion hin zu orientieren und den Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen zu verhindern" (BT-Drs. 18/9232, S. 1). 

Im Einzelnen werden folgende gesetzliche Anpassungen vorgenommen:

Höchstüberlassungsdauer

Es wird eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten gelten, die jeweils für den eingesetzten Arbeitnehmer bestimmt wird und von der für tarifgebundene Unternehmen durch einen Tarifvertrag der Einsatzbranche nach oben oder nach unten abgewichen werden kann. Nicht tarifgebundene Unternehmen können abweichende tarifliche Regelungen durch eine Betriebsvereinbarung inhaltsgleich übernehmen. Dies ist aber nur möglich, wenn der entsprechende Tarifvertrag räumlich, fachlich und zeitlich einschlägig ist. Tarifgebundene Unternehmen können zudem selbst durch eine Betriebsvereinbarung eine abweichende Höchstüberlassungsdauer festlegen, wenn in dem betreffenden Tarifvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel vorgesehen ist. Nicht tarifgebundene Unternehmen können sich ebenfalls auf diese berufen und von der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer abweichende Betriebsvereinbarungen abschließen. Ist in dem Tarifvertrag keine Begrenzung für eine durch eine Betriebsvereinbarung festzulegende Höchstüberlassungsdauer vorgesehen, ist diese bei nicht tarifgebundenen Unternehmen bei maximal 24 Monaten gedeckelt.

Voreinsatzzeiten bei dem Kunden werden grundsätzlich angerechnet, selbst wenn diese über einen anderen Personaldienstleister erbracht worden sind. Bei einer Unterbrechung des Einsatzes von mehr als drei Monaten wird die Überlassungsdauer auf null zurückgesetzt. Sie beginnt dann von neuem zu laufen und kann erneut voll ausgeschöpft werden. Eine Zusammenrechnung mit Voreinsatzzeiten erfolgt in diesem Fall nicht.

Equal pay-Grundsatz

Der equal pay-Grundsatz soll durch einen Tarifvertrag der Zeitarbeitsbranche oder eine Bezugnahme auf diesen grundsätzlich nur für die ersten neun Monate einer Überlassung an einen Kunden abbedungen werden können; im Anschluss gilt zwingend, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden muss ("equal pay"). Eine längere Abweichung ist nur statthaft, wenn spätestens nach 15 Monaten mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das ein vergleichbarer Stammmitarbeiter im Unternehmen erhält, und nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen eine stufenweise Heranführung an dieses erfolgt. Erhält der Zeitarbeitnehmer das für einen vergleichbaren Mitarbeiter des Kunden im Einsatzbetrieb geschuldete tarifvertragliche Arbeitsentgelt (oder in Ermangelung eines solchen ein für vergleichbare Arbeitnehmer in der Einsatzbranche geltendes tarifvertragliches Arbeitsentgelt), wird widerlegbar vermutet, dass der Zeitarbeitnehmer hinsichtlich des Arbeitsentgelts gleichgestellt ist.

Bei einer Unterbrechung des Einsatzes bei einem Kunden von mehr als drei Monaten und einer sich daran anschließenden erneuten Überlassung an diesen werden die Vordienstzeiten nicht auf die für equal-Pay-Frist von neun Monaten angerechnet, und zwar auch dann nicht, wenn diese bei einem anderen Personaldienstleister erbracht worden sind. Der Zeitarbeitnehmer startet dann wieder bei Null.

Offenlegungs-, Konkretisierungs- und Unterrichtungspflichten

Die Überlassung von Arbeitnehmern muss in dem zwischen dem Personaldienstleister und dem Kunden vereinbarten Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet werden. Ergänzt wird diese Offenlegungspflicht durch eine weitere Verpflichtung des Personaldienstleisters, den Zeitarbeitnehmer vor der Überlassung jeweils darüber zu informieren, dass er bei dem Dritten als solcher tätig wird. 

Vor der Überlassung muss die Person des Zeitarbeitnehmers unter Bezugnahme auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag konkretisiert werden. Das soll der sog. Fallschirmlösung einen Riegel vorschieben. Diese erfreute sich gerade in Grenzbereichen zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werk-/Dienstvertrag einer großen Beliebtheit, konnte nämlich durch eine Vorratserlaubnis die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem eingesetzten Arbeitnehmer und dem Kunden vermieden werden, wenn sich der Werk-/Dienstvertrag irrtümlich als (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung darstellte.

Fiktion eines Arbeitsverhältnisses und Festhaltenserklärung

Wird ein Arbeitnehmer überlassen, ohne dass das Zeitarbeitsunternehmen über eine Erlaubnis nach § 1 AÜG verfügt, wird die maßgebliche Höchstüberlassungsdauer überschritten oder wird gegen die Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht verstoßen, ist der zwischen dem Personaldienstleister und dem Zeitarbeitnehmer geschlossene Arbeitsvertrag unwirksam; stattdessen wird dann ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Zeitarbeitnehmer und dem Kunden fingiert. Wichtig ist, dass der alleinige Verstoß gegen die Offenlegungs- oder die Konkretisierungspflicht die Fiktionswirkung nicht auszulösen vermag.

Die Unwirksamkeit tritt nicht ein, wenn der Zeitarbeitnehmer gegenüber dem Personaldienstleister oder dem Kunden schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt bzw. nach dem Überschreiten der zulässigen Höchstüberlassungsdauer erklärt, dass er am Arbeitsvertrag mit dem Personaldienstleister festhält. Die Festhaltenserklärung kann dabei erst abgegeben werden, wenn die dafür maßgebliche Frist von einem Monat bereits angelaufen ist. Hierdurch sollen zum Schutz des Arbeitnehmers bereits im Vorfeld vor dem Einsatz abgegebene "Vorratserklärungen" verhindert werden. 

Zudem muss der Zeitarbeitnehmer vor Abgabe der Festhaltenserklärung die Agentur für Arbeit einbinden. Dies ist nur wirksam, wenn der Zeitarbeitnehmer die Erklärung vor ihrer Abgabe persönlich in einer Agentur für Arbeit vorlegt hat, die Agentur die abzugebende Erklärung mit dem Datum des Tages der Vorlage und dem Hinweis versehen hat, dass sie die Identität des Zeitarbeitnehmers festgestellt hat, und die Erklärung spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für Arbeit dem Personaldienstleister oder dem Kunden zugeht. 

Zudem ist ein Arbeitsvertrag zwischen dem Personaldienstleister und dem Zeitarbeitnehmer unwirksam, wenn die (rechtswidrige) Überlassung nach der Festhaltenserklärung fortgeführt wird; eine erneute Festhaltenserklärung ist unwirksam. Mit dem Widerspruch kann eine rechtswidrige Überlassung weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft legalisiert werden. 

Zitiervorschlag

Dr. Alexander Bissels, Die Reform des Fremdpersonaleinsatzes kommt: Zeitarbeit wird teurer – und komplizierter . In: Legal Tribune Online, 04.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21659/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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