2/2: Streikbrecher, Mitbestimmung des Betriebsrats und Schwellenwerte
Das Kundenunternehmen darf Zeitarbeitnehmer nicht einsetzen, wenn dessen Betrieb unmittelbar von einem Arbeitskampf betroffen ist, also bestreikt wird. Dieses Verbot wird allerdings relativiert: Zeitarbeitnehmer dürfen weiter überlassen werden, wenn sichergestellt ist, dass diese nicht (ggf. in der Kette) Aufgaben wahrnehmen, die bisher von streikenden Stammbeschäftigten verrichtet wurden. Neben dem grundsätzlichen Einsatzverbot von Zeitarbeitnehmern im Arbeitskampf bei dem Kunden findet sich auch weiterhin das bereits bekannte und in der bisher gültigen Fassung des AÜG enthaltene Leistungsverweigerungsrecht des Zeitarbeitnehmers im Gesetz wieder. Dieser ist danach nicht verpflichtet, bei einem Kunden tätig zu werden, soweit dieser unmittelbar von einem Arbeitskampf betroffen ist.
Zeitarbeitnehmer werden zukünftig außerdem bei den Schwellenwerten des BetrVG beim Kunden (Ausnahme: § 112a BetrVG) mitgezählt, z.B. bei der Größe des Betriebsrates. Dies soll auch für die Unternehmensmitbestimmung gelten, für die Eingangsschwellenwerte aber nur, wenn die Gesamtdauer der Überlassung sechs Monate übersteigt.
Der Betriebsrat muss über den Einsatz von Fremdpersonal informiert werden. Er ist dabei über den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben zu unterrichten. Außerdem müssen dem Betriebsrat die dem Einsatz des Fremdpersonals zugrunde liegenden Verträge vorgelegt werden.
Definition "Arbeitsvertrag"
In § 611a BGB wird zukünftig definiert, was ein Arbeitsvertrag ist. Durch einen solchen wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen.
Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Der Arbeitgeber ist dann zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Inkrafttreten
Die gesetzlichen Änderungen sollen mit Wirkung zum 1. April 2017 in Kraft treten. Die Reform stellt ausdrücklich klar, dass Überlassungszeiten, die vor diesem Zeitpunkt liegen, für die Berechnung der künftigen Höchstüberlassungsfrist und der Einsatzdauer für den zwingenden equal pay-Anspruch nicht berücksichtigt werden.
Die Höchstüberlassungsdauer kann danach frühestens ab dem 1. Oktober 2018 erreicht werden; der zwingende Anspruch auf equal pay kann erst ab dem 1. Januar 2018 einsetzen. Nicht abschließend geklärt ist, ob § 191 BGB anzuwenden ist. Dies würde eine Vorverlagerung des Ablaufs der obigen Fristen bedeuten, nämlich für die Höchstüberlassungsdauer auf den 22. September 2018 und für das zwingende equal pay auf den 26. Dezember 2017.
Zeitarbeit soll komplizierter und teurer werden
Nachdem das Gesetzgebungsverfahren inzwischen abgeschlossen ist, steht nunmehr auch fest, dass in 2017 erhebliche Änderungen auf die Zeitarbeitsbranche zukommen werden; die gesetzlichen Anpassungen müssen in die verwendeten Verträge und Abläufe implementiert werden; die Kunden müssen informiert und – gerade in Zusammenhang mit einem zwingenden equal pay – abgeholt werden.
Dies wird die Praxis im Jahr 2017 – insbesondere bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelungen – im ersten Quartal beschäftigen. Zeitarbeit soll – gesetzgeberisch gewollt – komplizierter und teurer (und damit unattraktiver) gemacht werden. Zwar ist die Reform herausfordernd und wird in der praktischen Umsetzung gewisse Schwierigkeiten bereiten, jedoch wird die Branche auch dies überstehen!
Dr. Alexander Bissels ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS in Deutschland.
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