Rechtliche Einordnung von Verlinkungen : Online ist nicht gleich offline – oder doch?

Beatrice Lederer

02.05.2011

Mehr als die Hälfte der Twitter-Inhalte sind nach einer im April veröffentlichten Studie der Universität Wien als Nachrichten zu werten. Auch wenn der BGH dies bei seinem Urteil zum Grundrechtsschutz von Links letztes Jahr noch nicht berücksichtigen konnte, scheint er die damalige Entscheidung in weiser Voraussicht gefällt zu haben, meint Beatrice Lederer.

Würde an dieser Stelle statt des Links der Hinweis erfolgen, dass die genannte Studie durch Eingabe von "Links auf Twitter" in Google oder durch die direkte Eingabe der Adresszeile "http://www.univie.ac.at/publizistik/twitterstudie/" abgerufen werden kann, fiele dem Leser dies ohne Zweifel negativ auf und würde zum Vorwurf einer unzeitgemäßen oder gar unprofessionellen Berichterstattung führen. Schließlich sind Links im Online-Journalismus ein adäquates Mittel, um Aussagen zu belegen und dem Leser Hintergrundinformationen zu  erschließen.

Auch wenn der redaktionelle Gehalt von Links für Online-Medien derart auf der Hand liegt, musste trotzdem erst der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden, um dieses Ergebnis auch rechtlich anzuerkennen. So entschieden die Karlsruher Richter ein einem Grundsatzurteil, das nun im Volltext vorliegt, dass Links den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) genießen (Urt. v. 14.10.2010, Az. I ZR 191/08).

Konkret hält es der BGH entgegen den Ausgangsinstanzen für zulässig, dass Heise Online im Rahmen einer Berichterstattung über das Knacken von Kopierschutz und der urheberrechtlichen Dimension dieses Vorgehens einen Link auf die "Kopierschutzknacker"-Software des Software-Herstellers SlySoft setzte.

Twitter beweist meinungsbildende Bedeutung von Links

Dass Links in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 GG fallen, begründen die Richter zum einen mit dem verfassungsrechtlich anerkannten Grundsatz, dass nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form der Berichterstattung geschützt ist. Zum anderen beschränke sich die Bedeutung eines Links nicht "auf eine bloß technische Erleichterung". Vielmehr erschließe er "vergleichbar einer Fußnote zusätzliche Informationsquellen".

Damit tragen der BGH schlicht der Realität Rechnung: Leser von Online-Medien erwarten Links – auch wenn sie die Information wie im Fall des Ergbnisses der Twitter-Studie problemlos auf anderem Wege erschließen können. Verlinkungen sind konstituierender Bestandteil der Berichterstattung im Internet.

Überhaupt ist Twitter der beste Beweis für die Bedeutung von Links für die Meinungs- und Pressefreiheit. Denn dass der österreichischen Studie zufolge die Hälfte aller Tweets als Nachricht zu werten ist, beruht zu einem großen Teil auf den darin enthaltenen Verweisen. Schließlich sind die sonstigen Möglichkeiten, in 140 Zeichen "Fakten, Fakten, Fakten" zu verbreiten, denkbar begrenzt. Bei Twitter sind Nachrichtenwert und Linksetzung untrennbar miteinander verknüpft.

BGH: Wertungen bei Offline-Berichterstattung nicht eins zu eins übertragbar

Dementsprechend überrascht es nicht, dass laut der Studie über ein Drittel der Twitter-Links auf redaktionelle Medien verweist. Obwohl sie auch ohne Twitter-Link abrufbar wären, hat der Microbloggig-Dienst Mehrwert für die Meinungsbildung: Zum einen aggregiert er interessenspezifisch Nachrichten. Zum anderen ist Twitter Wegweiser bei Rezeption und Interpretation der verlinkten Inhalte, da über die Hälfte der Tweets Kommentare enthalten.

Der BGH erkennt, dass Links aus der Online-Berichterstattung nicht mehr wegzudenken sind. Journalismus ist für ihn ein dynamischer Begriff; die Wertungen der Offline-Berichterstattung können nicht eins zu eins in den Online-Bereich übertragen werden. Resultiert der Nachrichtenwert und damit einhergehend das öffentliche Informationsinteresse in den Print-Medien aus einer Zusammenschau von Wort und Bild, ist bei Online-Medien eine Gesamtschau von Wort, Bild und Link anzustellen.

Allerdings bedeutet die Einbeziehung von Links in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG nicht, dass ihnen keine Grenzen gesetzt sind. Vielmehr sind auf auf den verlinkten Inhalt die allgemeinen Grundsätze der Berichterstattung anzuwenden: Zulässig ist eine Berichterstattung, wenn das öffentliche Informationsinteresse entgegenstehende Interessen überwiegt.

Links sind daher zulässig, wenn im Rahmen einer Abwägung Art. 5 Abs. 1 GG etwaige Persönlichkeits-, Urheber- oder sonstige Rechte überwiegt. In diesem Fall können auch Inhalte verlinkt werden, die "unzweifelhaft rechtswidrige Äußerungen zum Gegenstand" haben.

Insofern ist online wie offline der gleiche rechtliche Maßstab anzulegen. Dabei müssen allerdings die faktischen Besonderheiten der Online- gegenüber der Offline-Welt berücksichtigt werden: Vom Journalismus, um zeitgemäß zu bleiben, vom Recht, um realitätsnahe Lösungen zu finden.

Beatrice Lederer ist Doktorandin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht Prof. Dr. Dirk Heckmann  an der Universität Passau.

 

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Zitiervorschlag

Beatrice Lederer, Rechtliche Einordnung von Verlinkungen : Online ist nicht gleich offline – oder doch? . In: Legal Tribune Online, 02.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3168/ (abgerufen am: 17.04.2024 )

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