Parodie-Accounts auf Twitter: Da hört der Spaß aber auf?

Gastbeitrag von Richard Zimmer

24.08.2023

Auf Twitter gibt es immer mehr Parodie-Accounts, die verfremdete oder erfundene Äußerungen prominenter Personen verbreiten. Die Beeinträchtigung von Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechten ist dabei regelmäßig gerechtfertigt. 

Kurz nach der Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter (seit Juli 2023: "X") durch Tesla-Gründer Elon Musk bot das Netzwerk seinen Nutzern unter dem Label "Twitter Blue" ein Upgrade ihres normalen Benutzerkontos auf einen kostenpflichtigen Premium-Account an.  Mit dem Erwerb eines "Twitter Blue"-Accounts konnte das betreffende Profil nunmehr mit einem blauen Haken als Verifizierungsabzeichen versehen werden. Dieser Haken war zuvor nur authentischen Accounts von öffentlichem Interesse, etwa Prominenten, bekannten Unternehmen oder politischen Organisationen, vorbehalten.  Nunmehr kann der Haken grundsätzlich von jedem beliebigen Nutzer erworben werden, ganz gleich, ob der Account auf seinen Klarnamen oder ein Pseudonym lautet.  

Durch den Wegfall des maßgeblichen Verifizierungsmerkmals authentischer Twitter-Profile kam es zur vermehrten Verbreitung von sog. Parodie-Accounts. Diese agieren unter dem Profilbild der Accounts prominenter Persönlichkeiten und verwenden einen an diese angelehnten – zumeist mit einem klarstellenden Zusatz versehenen – Benutzernamen, etwa "Elon Musk (Parody)". Dabei sorgen sie mit der Verbreitung von – mehr oder weniger als Satire erkennbaren – Falschzitaten für Aufsehen und erzielen dabei teils beachtliche Reichweiten.  

Die Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens gegen diese Praxis hängen maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Accounts ab, sind jedoch regelmäßig wenig aussichtsreich. 

Parodien sind urheberrechtlich privilegiert  

Die verwendeten Bilder der betroffenen Prominenten sind je nach Schöpfungshöhe entweder als Lichtbildwerk gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 Urheberrechtsgesetz (UrhG) oder zumindest als Lichtbild nach § 72 UrhG, urheberrechtlich geschützt. Das Verbreiten dieser Bilder auf einem Parodie-Account greift als sog. Öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG in den Schutzbereich der Rechtspositionen des Schöpfers des Bildes ein. Somit stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung ("Schranke").  

Hierbei kommt insbesondere die Vorschrift des § 51a UrhG in Betracht, die erst 2021 aufgrund einer unionsrechtlichen Richtlinie im Urheberrechtsgesetz eingeführt wurde. Hiernach ist die öffentliche Wiedergabe eines urheberrechtlich geschützten Werks "zum Zwecke der Karikatur, der Parodie und des Pastiches" zulässig.  

Eine Parodie zeichnet sich nach dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) dadurch aus, dass sie "an ein bestehendes Werk erinnert, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufweist und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darstellt." Diese Merkmale dürften auf die meisten Parodie-Accounts zutreffen, die sich regelmäßig nicht lediglich auf die wortgleiche Wiedergabe von Zitaten der betroffenen Personen beschränken, sondern die tatsächlichen Äußerungen in überspitzter Weise in einen neuen Kontext setzen oder Zitate erfinden, die in satirischer Weise an inhaltliche Aussagen, Ausdrucksstil oder Persönlichkeitsmerkmale der persiflierten Person angelehnt sind.  

EuGH: Interessenabwägung zwischen Kunstfreiheit und Interessen Dritter  

Nach Auffassung des EuGH bestimmt sich die Zulässigkeit der Nutzung im Rahmen des § 51a UrhG nach einer Interessenabwägung, in der die Kunst- und Meinungsfreiheit den Interessen Dritter gegenüberzustellen ist. Als Dritte kommen hier die parodierten Personen selbst in Betracht, da diese vom Schöpfer des Lichtbilds, zumeist dem Fotografen, regelmäßig verschieden sind. Ihre Interessen überwiegen insbesondere dann, wenn mit der Parodie schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen verbunden sind. Das ist der Fall, wenn die Parodie – über das für satirische Darstellungen typische Maß an Verfremdungen und Verzerrungen hinaus – ehrverletzende Inhalte, etwa beleidigende oder diskriminierende Aussagen enthält. 

Im Lichte der Meinungsfreiheit ist bei dieser Bewertung keine allgemeine Kontrolle auf "politische Korrektheit" vorzunehmen. Darauf hat der Bundesgerichthof (BGH, Urt. v. 28.7.2016, Az. I ZR 9/15) zur Vorgängervorschrift (§ 24 Abs. 1 UrhG a.F.) ausdrücklich hingewiesen.  

Sofern die Parodie zulässig ist, erstreckt sich die Befugnis auch auf die Verwendung des Lichtbildes der parodierten Person, soweit das Profil, insbesondere durch eine Klarstellung im Namen (z.B. durch den Zusatz "Parodie"), erkennbare Unterschiede zum Profil des parodierten Prominenten aufweist.  

Keine Verletzung des Rechts am eigenen Bild 

Die im Rahmen von Parodie-Accounts verwendeten Personenbildnisse genießen ferner Schutz nach § 22 S. 1 Kunsturhebergesetz (KUG). Sie dürfen daher grundsätzlich nur mit der Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden. Allerdings stellt sich auch hier die Frage nach einer Rechtfertigung des Eingriffs.  

Soweit Personen des öffentlichen Lebens betroffen sind, kann sich diese insbesondere aus § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ergeben, wonach "Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte" auch ohne Genehmigung des Betroffenen verbreitet werden dürfen. Der Begriff der Zeitgeschichte wird seit dem "Caroline von Monaco"-Urteil des BVerfG (Urt. v. 15.12.1999, Az. 1 BvR 653/96) weit ausgelegt und umfasst das gesamte politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben und sonstige Gegenstände der Aufmerksamkeit, Wissbegier oder Anteilnahme der Öffentlichkeit, jedenfalls also die regelmäßig parodierten Personen des öffentlichen Lebens. Die Rechtsprechung nimmt bereits bei der Bestimmung des Begriffs der Zeitgeschichte einschränkend eine Abwägung zwischen den Interessen des Abgebildeten, namentlich dessen Persönlichkeitsrecht und dem mit der Abbildung verfolgten Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor. Nur, wenn Letzteres überwiegt, soll ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegen. Ein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung kann jedoch auch bei Beiträgen von rein unterhaltendem Charakter gegeben sein. Paradigmatisch hierfür ist die “Rücktritt-des-Finanzministers"-Entscheidung, in welcher der BGH eine Werbung des Autovermieters Sixt, die sich mit dem Rücktritt des damaligen Finanzministers Oskar Lafontaine in satirischer Form auseinandersetzte, im Lichte des § 23 Abs. 1 KUG für zulässig befand und das dort abgebildete Foto des Politikers als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte einordnete (BGH, Urt. v. 26.10.2006, Az. I ZR 182/04).  

Dieser Maßstab dürfte auf Parodie-Accounts übertragbar sein. Außerdem legt die Rechtsprechung bei einer Nutzung von Bildnissen in Verbindung mit satirischen Elementen, die nicht kommerziellen Zwecken dient, regelmäßig einen großzügigen Maßstab bei der Anerkennung eines Beitrags zur öffentlichen Meinungsbildung an.  Die Grenze des Erlaubten wird bei Satire erst dann überschritten, wenn Schmähkritik oder unzulässige Eingriffe in die Intimsphäre vorliegen. Damit sind Parodie-Accounts auch nach den Maßstäben des KUG grundsätzlich zulässig. 

Die Verwendung des prominenten Namens darf nicht verwirren  

Da die Profilnamen von Parodie-Accounts naturgemäß Bezüge zum Namen der parodierten Person aufweisen, steht zudem eine Verletzung des Namensrechts gem. § 12 BGB im Raum. Ein Eingriff in diese Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt allerdings die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung voraus: So etwa, wenn der Eindruck entsteht, der Namensträger selbst sei der Inhaber des jeweiligen Accounts oder habe zumindest seine Zustimmung zu dessen Aktivitäten erteilt.  

Im Hinblick auf Twitter dürften diese Fälle jedoch eine Ausnahme sein. Denn die "Richtlinie zu irreführenden und betrügerischen Identitäten", die Bestandteil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist, erklärt eine Identitätstäuschung, insbesondere durch die kumulative Verwendung eines fremden Namens und eines fremden Bildes, für unzulässig. Um einer Sperrung wegen Verletzung dieser Vorgaben zu entgehen, versehen die meisten Parodie-Accounts nunmehr ihren Profilnamen mit dem Zusatz "Parody" bzw. "Parodie". So ist für den (maßgeblichen) durchschnittlichen Adressaten erkennbar, dass es sich hierbei nicht um authentische Profile handelt, sodass eine Zuordnungsverwirrung nicht zu befürchten ist. 

Sind auch Unternehmensparodien zulässig? 

Neben natürlichen Personen können auch Unternehmen Gegenstand eines Parodie-Accounts sein. So wurde beispielsweise der Account "NetflixFilm" mit sarkastischen Ankündigungen zu Neuerscheinungen des Streaming-Dienstes Anfang 2020 bekannt, bevor Twitter diesen daraufhin sperrte.

Ein Verstoß gegen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot aus dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) scheitert nicht bereits an der fehlenden Anwendbarkeit der Vorschrift.  Denn die hierfür notwendige geschäftlichen Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG ist im Betrieb des Parodie-Accounts zumindest dann zu sehen, wenn dieser Werbung zugunsten dritter Unternehmen veröffentlicht oder – ab einer gewissen Reichweite – als "Twitter-Blue"-Account an den Werbeeinnahmen des Unternehmens Twitter partizipiert. Jedoch dürfte es an der nach § 5 UWG erforderlichen "Täuschung" fehlen, da zumindest bei dem Vorliegen einer Kennzeichnung als Parodie eine Irreführung des "aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers" über die fehlende Authentizität des Parodie-Accounts ausscheiden dürfte.  

Parodie nutzt Marke nicht als Herkunftshinweis

Aus ähnlichen Erwägungen liegt auch kein markenrechtlicher Verstoß in der Verwendung von geschützten Marken oder geschäftlichen Bezeichnungen im Rahmen des Parodie-Accounts vor. Es fehlt insoweit an der erforderlichen markenmäßigen Verwendung der Kennzeichen: Die Marke wird primär zum Zweck der Parodie verwendet und dient nicht als Herkunftshinweis für Waren oder Dienstleistungen. Selbiges gilt für bekannte Marken, die besonders geschützt sind.  Denn bei einer Markennutzung, die vorrangig satirischen Zwecken dient, fehlt es nach den Grundsätzen des "Lila-Postkarte"-Urteils des BGH regelmäßig an einer "unlauteren" Ausnutzung oder Beeinträchtigung nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 Markengesetz (MarkenG) (Urt. v. 03.02.2005, Az. I ZR 159/02).

Nach derzeitiger Rechtslage hat ein rechtliches Vorgehen gegen Parodie-Accounts häufig nur geringe Aussicht auf Erfolg. Es bleibt abzuwarten, ob die Plattform Twitter selbst, die bereits im November 2022 mit einer Kennzeichnungspflicht ihre Gangart gegen Parodie-Accounts verschärfte, zukünftig weitere Maßnahmen gegen diese Praxis beschließen wird. 

Der Autor ist Rechtsreferendar am Landgericht Magdeburg und arbeitete zuvor als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Kanzlei SPIRIT LEGAL in Leipzig.

Zitiervorschlag

Parodie-Accounts auf Twitter: Da hört der Spaß aber auf? . In: Legal Tribune Online, 24.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52551/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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