Nachvertragliche Wettbewerbsverbote: Arbeitnehmer müssen sich nicht immer daran halten

Mit Wettbewerbsverboten schützen sich Arbeitgeber vor Konkurrenz nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses. Da solche Vereinbarungen die Berufsfreiheit einschränken, führen sie immer wieder zu Streit. Am Mittwoch sollte das BAG über ein von seiner Rechtsprechung abweichendes, arbeitnehmerfreundliches Urteil eines LAG entscheiden. Michael Fuhlrott über die Tücken nachvertraglicher Wettbewerbsverbote.

Möchten Sie nach dem Ende Ihres Arbeitsverhältnisses darauf verzichten, Ihrem alten Chef Konkurrenz zu machen, und dafür eine Entschädigung kassieren? Oder doch lieber einen neuen lukrativen Job bei einem Wettbewerber annehmen und dafür auf die Karenzzahlung verzichten?

Wenn der Arbeitsvertrag ein rechtlich fehlerhaftes und damit unverbindliches Wettbewerbsverbot enthält, kann der Arbeitnehmer frei entscheiden, welche Option er wählt. Wann und in welcher Form der Arbeitnehmer diese Entscheidung seinem vormaligem Arbeitgeber mitteilen muss, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm recht arbeitnehmerfreundlich: Der Arbeitnehmer muss seinem vormaligen Chef nicht mitteilen, ob er sich an das Verbot halten will, es genügt, wenn er dies tatsächlich tut (Urt. v. 14.02.2012, Az. 14 Sa 1385/11*).

Das LAG wich damit von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ab. Daher lag der Fall eigentlich den Erfurter Richtern zur Klärung vor (Az. 10 AZR 488/12). Der Arbeitgeber nahm seine  Revision allerdings kurz vor der Verhandlung am vergangenen Mittwoch zurück. Das Urteil der Vorinstanz ist damit rechtskräftig. Es erweitert den Spielraum für Arbeitnehmer mit unverbindlichen Wettbewerbsabreden.

Unverbindliche Wettbewerbsverbote

Die Gestaltung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten unterliegt den umfangreichen Vorgaben der §§ 74 ff. Handelsgesetzbuch (HGB). Der Arbeitgeber muss ein berechtigtes Interesse an der Abrede haben und sie schriftlich abfassen. Außerdem dürfen Wettbewerbsabreden den Arbeitnehmer maximal für zwei Jahre nach Ende des Arbeitsverhältnisses binden. Die verbotene Tätigkeit muss hinreichend bestimmt und örtlich begrenzt sein. Der Arbeitgeber muss außerdem 50 Prozent der bisherigen Vergütung als Karenzentschädigung zahlen.

Während gravierende Fehler wie die fehlende Schriftform dazu führen, dass das Verbot nichtig und damit unbeachtlich ist, folgt aus kleineren Fehlern wie einem zu weiten örtlichen Geltungsbereich lediglich die Unverbindlichkeit der Wettbewerbsabrede. Der Arbeitnehmer hat dann die Wahl: Entweder er hält sich an das Verbot und kassiert die Entschädigung oder er ignoriert es und verzichtet auf die Karenzzahlung.

Unklare Formulierungen gehen zulasten der Arbeitgeber

Dieses Wahlrecht hat die Rechtsprechung entwickelt, um den Arbeitnehmer zu schützen. Fehler in Wettbewerbsverboten sind nämlich nicht leicht zu erkennen. Oft handelt es sich um Grenzfälle, die die Gerichte klären müssen.

Grund für die häufigen Streitigkeiten ist, dass Arbeitgeber versuchen, möglichst weitreichende, scharfe Wettbewerbsverbote zu vereinbaren, die die Grenze zur Unverbindlichkeit aber gleichwohl nicht überschreiten. Da sie es als Gestalter des Arbeitsvertrags in der Hand haben, ein eindeutiges Wettbewerbsverbot zu formulieren, sollen sie und nicht die Arbeitnehmer die Folgen etwaiger Ungenauigkeiten treffen.

Müsste der Arbeitnehmer nämlich fürchten, dass sich ein unklares Wettbewerbsverbot am Ende womöglich doch als wirksam herausstellt, würde er aus Angst vor Schadensersatzforderungen von vornherein keinen Wettbewerb betreiben. Der Arbeitgeber hätte dann sein Ziel erreicht, einen ehemaligen Arbeitnehmer auch ohne Karenzzahlung vom Wettbewerb abzuhalten, selbst wenn sich am Ende eines Prozesses das Wettbewerbsverbot als fehlerhaft herausstellen sollte.

Geschickte Nutzung des Wahlrechts

Erweist sich eine Wettbewerbsabrede als unverbindlich, kann sich der Arbeitnehmer also für jeden Job bewerben und je nach Ausgang der Bewerbungsgespräche entscheiden, ob er das Wettbewerbsverbot einhalten oder doch lieber die Entschädigung kassieren will.

Nach dem LAG Hamm muss sich der Arbeitnehmer außerdem bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch gar nicht bewusst machen, ob er Konkurrenz betreiben will oder nicht. Er kann auch noch nach längerer Zeit vom Arbeitgeber die Karenzentschädigung verlangen, wenn er sich nur tatsächlich an das Wettbewerbsverbot gehalten hat.

Der Arbeitgeber kann seinen ehemaligen Mitarbeiter allerdings auffordern, sich über die Einhaltung des Wettbewerbsverbots zu erklären. Diese Frage muss der Arbeitnehmer beantworten, will er sein Wahlrecht behalten. Von sich aus braucht er hingegen keine Erklärung abgeben. Tut er es dennoch, ist die einmal geäußerte Entscheidung bindend.

Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Wirtschaftsprivatrecht, insbesondere Arbeitsrecht der Fachhochschule Bielefeld sowie Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht der Hochschule Fresenius in Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind neben Fragen der Arbeitsvertragsgestaltung insbesondere betriebsübergangsrechtliche Themen.

Anm. d. Red. v. 30.08.2013: Hier stand zunächst das falsche Az. 14 Sa 1385/12.

Zitiervorschlag

Michael Fuhlrott, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote: Arbeitnehmer müssen sich nicht immer daran halten . In: Legal Tribune Online, 29.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9459/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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