Wie Krieg und Klimapolitik zusammenhängen: "Wenn Res­sourcen knapper werden, nehmen Kon­f­likte zu"

Interview von Annelie Kaufmann

03.03.2023

Die Energiekrise rückt in den Fokus, Biodiversität an den Rand. Die Umwelt- und Völkerrechtlerin Birgit Peters erklärt im Interview, wie sich der Krieg auf die Klimapolitik auswirkt – und ob Klimaschutz Kriege verhindern kann.

LTO: Frau Professorin Peters, wie wirkt sich der Krieg in der Ukraine auf die Klima- und die Umweltpolitik aus?

Peters: Die Frage der Energieversorgung ist sehr stark in den Vordergrund getreten; auch drohen in vielen Teilen der Welt Hungersnöte, weil der Weizen aus der Ukraine fehlt. Es müssen also ganz akute Probleme bewältigt werden. Da treten andere Fragen in den Hintergrund – mit Blick auf den Klimawandel etwa, wie man die Verkehrspolitik neu aufstellt. Es ist verständlich, dass man sich zunächst auf solche dringlichen Fragen konzentriert und natürlich beschäftigt uns der Krieg in der Ukraine in Europa besonders stark. Trotzdem müssen gleichzeitig auch andere Entscheidungen getroffen werden und man darf den Klimawandel, die Biodiversität und eine nachhaltige Entwicklung nicht aus dem Blick verlieren.

Nimmt man in Europa wegen des Krieges die globalen Probleme und die langfristigen Folgen des Klimawandels jetzt weniger wahr – oder sind sie sogar stärker sichtbar?

Inzwischen sieht man ja die Auswirkungen des Klimawandels überall. Aber dennoch reagieren wir oft nur auf die Katastrophen, die uns unmittelbar betreffen – also womöglich die Flutkatastrophe an der Ahr, aber nicht die Waldbrände in Südeuropa, wenn wir nicht gerade dorthin in den Urlaub fliegen. Man tendiert dazu, konkrete und akute Probleme zu lösen. Der Klimawandel ist inzwischen akut, aber die Bereitschaft, das auch wahrzunehmen, ist eben unterschiedlich groß. Andererseits muss man sehen, dass auch der Krieg in der Ukraine kein Problem ist, das man von heute auf morgen lösen wird. Wir werden wahrscheinlich noch einige Jahre mit dieser Situation umgehen müssen.

Welche Auswirkungen hat das auf die internationale Zusammenarbeit in Klima- und Umweltfragen?

Grundsätzlich gibt es weiterhin die Möglichkeit, auf internationaler Ebene zusammenzuarbeiten, etwa im Rahmen der Vereinten Nationen. Im Juni 2022 fand beispielsweise die Stockholm+50-Konferenz der Vereinten Nationen statt, da ging es um nachhaltige Entwicklung. Russische Vertreter waren in Stockholm anwesend, und auch bei der UNFCCC SB56 Klimakonferenz in Bonn, welche ebenfalls im Juni 2022 stattfand. Im Dezember vergangenen Jahres haben sich die Vertragsstaaten der Konvention über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD), die auch Russland unterzeichnet hat, auf neue Ziele zum Schutz der Biodiversität geeinigt, auch hier waren russische Vertreter dabei. Es ist aber immer schwierig abzuschätzen, was man von diesen Konferenzen erwarten kann und inwiefern die Ergebnisse hinter dem zurückbleiben, was vielleicht möglich wäre.

Das Pariser Übereinkommen bietet eigentlich schon einen guten Rahmen, um den Klimaschutz voranzubringen. Aber es setzt eben darauf, dass die Staaten selbst konkrete Zwischenziele bestimmen und diese progressiv verschärfen. Aber die selbst gesetzten Ziele bleibenhinter dem zurück, was nötig wäre, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Da müssen sich auch die europäischen Staaten fragen, wie sie die Entwicklung beschleunigen können, dass die Zwischenziele dem aktuellen Pfad der Temperaturentwicklung entsprechen.

Birgit Peters. Foto: privat

"Wir brauchen schnellere Verfahren, aber trotzdem Akzeptanz in der Bevölkerung"

Schon kurz nach dem Angriff auf die Ukraine wurde in Deutschland auch über die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken diskutiert, im November vergangenen Jahres hatten sich SPD, Grüne und FDP auf einen Kompromiss geeinigt, einige Atomkraftwerke länger am Netz zu lassen, um die Energieversorgung im Winter sicherzustellen. Dabei ist nicht nur die Frage, wie nachhaltig Atomenergie ist – Angriffe auf Atomkraftwerke sind auch ein reales Risiko in internationalen Konflikten. Wie beeinflusst der Krieg die Diskussion um die Reaktivierung der Atomkraft in Deutschland?

Wir sind im Hinblick auf Atomkraft sicher risikosensibler sind als andere Nationen. Das hat gewiss auch mit der sehr starken Protestbewegung der achtziger Jahre zu tun. In anderen Ländern, etwa in Finnland, wird Atomenergie ganz anders wahrgenommen, man konnte sich dort recht schnell in einem gesellschaftlichen Prozess auf ein Endlager für radioaktive Abfälle einigen. Nun haben auch die Grünen nicht an einem Dogma festgehalten, als es darum ging, ganz konkret im Winter Energiesicherheit herzustellen. Dennoch sollte man alles tun, um die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien möglichst schnell voranzubringen, das ist – auch in der Reaktion auf den Klimawandel – sicherlich der beste und nachhaltigste Weg.

Dafür sind aber auch umfangreiche gesetzgeberische Maßnahmen nötig. Erleben wir gerade einen neuen Trend hin zu mehr Regulierung?

Ich glaube nicht, dass es da einen grundsätzlich neuen Politikstil gibt. Für den Klimaschutz ist etwa der Sektor Bauen und Wohnen entscheidend. Dieser Sektor machte z.B. im Jahr 2019 in toto 35 Prozent der CO2-Emissionen aus. Deshalb muss man in diesem Bereich Maßnahmen treffen, da geht es etwa um energetische Sanierung, um den Einbau von Wärmepumpen oder die konkret verwandten Baumaterialien. Dass der Staat solche Vorgaben macht, ist aber nicht grundsätzlich neu und lässt sich auch in aller Regel mit dem Grundrecht auf Eigentum vereinbaren. Solche Regulierungen sind aber nur ein Weg, um Klimaschutzmaßnahmen voranzubringen. Eine andere Möglichkeit, die ja auch in der Vergangenheit umfassend genutzt wurde, sind Subventionierungen. Auch das ist kein neues Instrument. Hier verfügt der Gesetzgeber grundsätzlich über eine große Gestaltungsfreiheit, wen und was er subventionieren will.

Auch mit Blick auf drohende Engpässe bei der Energieversorgung sollen verwaltungsgerichtliche Verfahren beschleunigt werden, etwa, damit LNG-Terminals gebaut werden können. Das Bundesverwaltungsgericht soll neue Senate bekommen, damit es die Verfahren schneller bearbeiten kann. Andererseits hat der Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck Umweltorganisationen darum gebeten, nicht gegen LNG-Terminals zu klagen. Bleibt der Rechtsschutz auf der Strecke?

Einerseits will man die Verfahren beschleunigen, andererseits besteht dann die Gefahr, dass die Betroffenen den Eindruck haben, man nimmt nicht genug Rücksicht auf ihre Rechte – das hat man ja etwa beim Bau der Tesla-Fabrik in Grünheide gesehen, bei der auch alles schnell gehen sollte und vorläufige Genehmigungen genutzt wurden. Es geht immer darum, den Spagat zwischen einem effektiven Verfahren und den Rechten der Betroffenen hinzubekommen. Hier wogt die rechts- und politikwissenschaftliche Diskussion im Prinzip seit Jahren zwischen Rufen nach Beschleunigung und einem Mehr an Partizipation hin und her. Letztendlich wäre es spannend, auch sozialwissenschaftliche Erkenntnisse stärker zu berücksichtigen und zu schauen, was wirklich die Akzeptanz in der Bevölkerung für bestimmte Vorhaben erhöhen kann. So hat ja die Forschung um die so genannten (Bürger-)Beteiligungen an Windkraftanlagen gezeigt, dass durch diese finanziellen Anreize die individuelle Akzeptanz gegenüber diesen Anlagen gesteigert werden kann.

"Beim Energiesparen nicht bestimmte Gruppen benachteiligen"

Inzwischen sind einige Energiesparmaßnahmen deutlich zu spüren, etwa niedrigere Temperaturen in Wohnungen, in öffentlichen Gebäuden oder in Schwimmbädern. Wie weit kann der Staat gehen, wenn noch stärker Energie eingespart werden muss und was sind die rechtlichen Grenzen?

Wenn private Wohnungsbaugenossenschaften beschließen, die Heizung abzusenken, oder zum Energiesparen aufrufen, dann sind das erst einmal Entscheidungen privater Unternehmen. Und wenn für den Betrieb öffentlicher Gebäude ähnliches beschlossen wird, dann handelt der Staat ebenfalls zunächst als privater Wirtschaftsteilnehmer. Selbstverständlich gibt es auch in diesem Bereich Vorschriften, wie das AGG, oder die Grundrechte selbst, die den Entscheidungsspielraum der privaten und öffentlichen Akteure begrenzen. Etwa dürfen durch Entscheidungen zum Energiesparen keine Personen oder Personengruppen diskriminiert oder in ihren elementaren Grundbedürfnissen beschnitten werden.

Sollte die die Energieversorgung so knapp werden, dass bestimmte Ressourcen rationiert werden müssen – etwa Gas – oder bestimmte öffentliche Leistungen nicht mehr aufrechterhalten werden könne, wie etwa der Betrieb von Schwimmbädern o.ä.., dann ist es Aufgabe des Staates, sicherzustellen, dass eine Grundversorgung gewährleistet ist. Bei der Entscheidung, wie und auf welche Art und Weise das umgesetzt wird, hat der Gesetzgeber aber einen weiten Ermessensspielraum.

Der Krieg hat Auswirkungen auf die Klimapolitik – wie ist es andersrum? Welche Rolle spielen Klima- und Umweltschutz, wenn es darum geht, internationale Konflikte zu befrieden und zu vermeiden?

Aus Sicht der Konfliktforschung ist das schon lange klar: Wenn Ressourcen knapper werden, nehmen Konflikte zu. Das gilt für fossile Energien, aber auch für Wasser und Land zum Nahrungsmittelanbau. Auch im Ukraine-Krieg hat es eine Rolle gespielt, die Ausfuhr von Weizen zu kontrollieren, auch wenn dies sicher nicht die initiale Motivation für den Angriff auf die Ukraine war. Der Klimawandel bringt existenzielle Bedrohungen mit sich und alles, was wir dem entgegensetzen, kann auch helfen, globale Konflikte zu befrieden. Deshalb verlangen ja auch die Länder des globalen Südens zu Recht von den Ländern des globalen Nordens noch weitere Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass viele Regionen schon jetzt sehr stark von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.

Prof. Dr. Birgit Peters hat die Professur für Öffentliches Recht, insbesondere Völkerrecht und Europarecht an der Universität Trier inne. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem im Bereich internationales und europäisches Umweltrecht, Internationalisierung und Europäisierung des Verwaltungsrechts.

Mehr zur Klimapolitik, zur Rolle des Gesetzgebers und zu aktuellen Entscheidungen und Gesetzgebungsvorhaben gibt es zum Hören in der ersten Folge des LTO-Minipodcasts Klimaparagrafen:

Weitere Artikel zum Thema außerdem im LTO-Dossier "Klima & Recht":

LTO-Dossier

Zitiervorschlag

Wie Krieg und Klimapolitik zusammenhängen: "Wenn Ressourcen knapper werden, nehmen Konflikte zu" . In: Legal Tribune Online, 03.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51145/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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