Herrenlose Konten: Wie der Staat an das Geld Ver­s­tor­bener kommt

von Alexander Knauss

08.08.2016

Der NRW-Finanzminister will Zugriff auf herrenlose Konten, u.a. mit Mitteilungspflichten für Banken und einem neuen zentralen Register. Alexander Knauss wundert sich über den Vorschlag, denn die Instrumente gibt es schon.

Auf der Suche nach immer neuen Geldquellen haben die Finanzminister der Bundesländer offenbar einen bislang unentdeckten Schatz gefunden, der Begehrlichkeiten weckt: So genannte herrenlose Konten, auf denen das Geld Verstorbener brach liegt, weil niemand darauf Ansprüche anmeldet.

Das Geld stehe den Sparern und ihren Erben zu, und, wenn es die nicht gebe, der Allgemeinheit, sagte Norbert Walter-Borjans (SPD) am vergangenen Freitag den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Allgemeinheit, das ist der Staat. "Es kann nicht sein, dass Banken Geld bunkern, das ihnen nicht zusteht", so Nordrhein-Westfalens Finanzminister.

Er hat daher eine Länderarbeitsgruppe ins Leben gerufen, er will ein zentrales Register für diese Konten einführen. Er möchte die Banken zur Mitteilung verpflichten, wenn Kunden verstorben sind. Sind keine Erben zu ermitteln, soll der Staat erben. So spektakulär diese Forderung nach einem staatlichen Zugriff auf die Konten klingt, so sehr verwundert sie doch: Diese Möglichkeit besteht bereits heute.

Herrenloses Konto - ein Unwort

Genau genommen gibt es keine "herrenlosen“ Konten. Grundsätzlich hat jedes Konto vielmehr (mindestens) einen Inhaber. Banken müssen sich gemäß § 154 der Abgabenordnung (AO) und auch aufgrund der Vorschriften des Geldwäschegesetzes (GWG) Gewissheit über die Person und Anschrift des Verfügungsberechtigten verschaffen.

Stirbt der Kontoinhaber, geht nach dem in Deutschland geltenden Grundsatz der Universalsukzession das Konto mit dem Tod auf den bzw. die Erben über. Auch wenn regelmäßig erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt wird, wer tatsächlich Erbe ist, wirkt die Erbenstellung auf den Zeitpunkt des Todes zurück. Vereinfacht gesagt: Das Konto hat auch nach dem Tod des Inhabers sofort einen neuen Inhaber, ist also zu keinem Zeitpunkt herrenlos. Bank und Erbe wissen nur nichts voneinander.

In der Schweiz, wo es insbesondere im Zusammenhang mit jüdischem Vermögen, aber auch einer Vielzahl anonymer Konten, so genannte Nummernkonten gab, spricht man daher nicht von herrenlosen, sondern von nachrichtlosen Konten, zu denen sich also schon länger niemand gemeldet hat.

Bei anonymen Konten liegt das in der Natur der Sache. Regelmäßig hat von der Existenz des Kontos außer dem Kontoinhaber niemand Kenntnis und die übliche Korrespondenz der Bank (Kontoauszüge, Mitteilungen etc.) wurde den Kontoinhabern regelmäßig nicht an ihre Heimatan-schrift geschickt. Deshalb erfuhren die Erben meist nicht von der Existenz solcher Konten. Seit 1996 besteht deshalb in der Schweiz für jedermann - bei entsprechender erbrechtlicher Legitimation - die Möglichkeit einer zentralen Suche von kontakt- und nachrichtlosen Vermögenswer-ten des Erblassers über die Anlaufstelle des Ombudsmanns schweizerischer Banken.

Geltendes Recht: Der Staat wird Erbe, und das kann er auch erfahren

In Deutschland wissen Erben dagegen in der Regel von der Existenz der Bankverbindung, da - anders als bei anonymen Auslandskonten - regelmäßig Post von der Bank versandt wird.

Hat der Erblasser aber keine testamentarischen Erben eingesetzt und hinterlässt er weder Ver-wandte noch einen Ehegatten bzw. Lebenspartner, erbt gemäß § 1936 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dasjenige Bundesland, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen letzten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ist auch ein solcher nicht feststellbar, erbt der Bund. Ziel dieser Regelungen ist es gerade, herrenlose Nachlässe zu vermeiden. Bei werthalti-gen Nachlässen muss, bevor festgestellt wird, dass der Fiskus erbt, eine öffentliche Aufforde-rung zur Anmeldung der Erbrechte ergehen (§§ 1964 f. BGB).

Mit anderen Worten: Der Staat kann bereits heute auf herrenlose Konten als Bestandteil eines herrenlosen Nachlasses zugreifen, wenn kein anderer Erbe vorhanden ist. Auch, dass er vom Tod des Erblassers erfährt, ist durch entsprechende Meldepflichten schon sichergestellt. Die Standesämter müssen nämlich für jeden Kalendermonat die Sterbefälle dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt mitteilen (vgl. § 4 Erbschaftsteuerdurchführungsverordnung (ErbStDV)). Auch die Gerichte müssen die Erteilung von Erbscheinen, Europäischen Nachlasszeugnissen etc. anzeigen (vgl. § 7 ErbStDV).

Der Fiskus könnte daher ohne weiteres in eigenen Unterlagen abgleichen, ob zu einem ihm an-gezeigten Sterbefall binnen angemessener Frist ein Erbschein erteilt wurde. Ist das nicht ge-schehen, könnte der Staat dann beim Standesamt nachforschen, ob Verwandte vorhanden sind und, sollte dies nicht der Fall sein, schließlich bei Gericht beantragen, sich als Erben festzustellen (§ 1964 BGB).

Zitiervorschlag

Alexander Knauss, Herrenlose Konten: Wie der Staat an das Geld Verstorbener kommt . In: Legal Tribune Online, 08.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20230/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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