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Interview mit dem rechtspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: "Face­book ent­zieht sich deut­schem Recht"

Interview von Hasso Suliak

26.03.2018

Laptop und Schloss

© Mikael Damkier - stock.adobe.com

Nach dem Facebook-Skandal sorgen sich auch deutsche Nutzer um die Sicherheit ihrer Daten. Welche Maßnahmen die FDP vorschlägt und was sie noch plant, darüber sprach LTO mit Jürgen Martens, rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion.

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LTO: Bundesjustizministerin Katarina Barley hat Facebook aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen. Nach dem, was in den USA passiert ist: Sind die Daten von 30 Millionen deutschen Facebook-Nutzern sicher?

Dr. Jürgen Martens: Auch wenn die Datenschutzstandards in den USA andere sind als bei uns:  Mich haben Umfang und Dauer, in denen dort persönliche Daten von Facebook-Nutzern aggregiert, ausgewertet und im Sinne eines politischen Profilings von zweifelhaften politischen Akteuren genutzt wurden, sehr überrascht.

In Deutschland haben wir die Gesetze, die eine solche Datenverwendung ohne Zustimmung der Betroffenen  grundsätzlich untersagen. Aber diese Gesetze  sind natürlich nur so gut, wie sie sich auch durchsetzen lassen. Und genau hier liegt das Problem: Facebook entzieht sich unter Hinweis auf seine Geschäftstätigkeit in Irland deutschem Recht.  Wenn im Mai die EU-Datenschutzverordnung in Kraft tritt, kann es auch für Facebook in Europa bei derartigen Vorfällen hohe Strafen geben.

Aber zum Schutz der Bürger reicht uns Liberalen das noch nicht: Wir wollen Gerätehersteller verpflichten, dass Computer schon beim Kauf  mit der datenschutzfreundlichsten Grundeinstellung voreingestellt sind und man diese nicht erst manuell einrichten muss. Auch das gehört aus Sicht der FDP zu einer "corporate digital responsibility", die Frau Barley am Freitag im Bundestag erwähnt hat. Aber hier bedarf es einer europäischen Regelung.    

LTO: Bleiben wir bei der Digitalisierung: Frau Barley hat diesem Thema – mit den damit verbundenen Folgen für den Datenschutz - in ihrer ersten Rede als Justizministerin im Bundestag einen prioritären Stellenwert eingeräumt. Sehen Sie das Thema in der GroKo in guten Händen?

Martens: Mir war das zu wenig konkret und auch der Koalitionsvertrag schweigt zu wichtigen Punkten. Was passiert zum Beispiel mit dem digitalen Nachlass? Außerdem brauchen wir ein datenschutzrechtliches Gütesiegel. Und die Stiftung Datenschutz, die wir als Liberale von Anfang an unterstützt haben und die ja so etwas Ähnliches wie die Stiftung Warentest für den Datenschutz werden soll, muss vernünftig ausgestattet werden. Das hat die GroKo bereits in der vergangenen Wahlperiode versäumt.  

"Justiz hinkt bei der Digitalisierung deutlich hinterher"

LTO: Sie waren Justizminister in Sachsen. Wie schätzen Sie den Stand der Digitalisierung in der Justiz ein?

Martens:  Aus meiner Erfahrung mit der IT-Landesverwaltung eines großen Bundeslandes kann ich sagen: In der Justiz hinken wir in vielen Bereichen  dem Standard in der Wirtschaft weit hinterher. Umso erstaunlicher, dass die GroKo auch das Thema "Legal Tech" mit keinem  Wort erwähnt.  Verkompliziert wird das Ganze natürlich auch noch angesichts der 16 verschiedenen Landesjustizverwaltungen mit unterschiedlichen Work-Flows und Standards.

LTO: Ihr Kollege von der SPD, Johannes Fechner, hat im LTO-Interview das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) als "eines der wichtigsten Gesetze der letzten Wahlperiode" bezeichnet. Was meinen Sie?

Martens: Wichtig ist das Thema des Gesetzes, also der Schutz der Bürger vor Hetze und Fake-News in sozialen Netzwerken. Aber das Gesetz der GroKo selbst ist handwerklich schlecht gemacht und muss generalüberholt werden.

Man war im BMJV offenbar nur schnell darauf aus, diverse ekelige Inhalte schnell aus dem Netz zu bekommen. Dabei ist es mit heißer Nadel gestrickt worden. Schlecht geregelt hat man etwa entscheidende Punkte im Zusammenhang mit der Sanktionierung von Unternehmen,  die entsprechende Inhalte nicht in der gebotenen Zeit löschen. Will man ein solches Unternehmen nach  dem NetzDG sanktionieren, muss man den Nachweis erbringen, dass es sich in einem Prozent der Fälle nicht ordnungsgemäß verhalten hat.

Diese Prüfung kann bei einem Netzwerk wie Facebook schon vom Umfang her extrem aufwendig sein. Und absurd wird es dann, wenn man schaut, wer laut NetzDG diese Prüfung dann vornehmen soll: Ein paar Mitarbeiter am AG Bonn. Ich glaube nicht, dass die dortige Justizverwaltung personell so aufgestellt wird, dass sie dieser Aufgabe – zu der ja auch die spätere Einleitung des Ordnungswidrigkeitsverfahrens  gehört - gewachsen ist.

Weiter fehlt auch der Anspruch auf rechtliches Gehör: Wenn Ihr Account gelöscht wurde, wie wollen Sie dann noch dagegen vorgehen? Nein, das Gesetz ist insgesamt schlampig gemacht. Und das belegt ja auch der Vorschlag des SPD-Kollegen Fechner, dem erst in dieser Wahlperiode eingefallen ist, dass im Gesetz ein sog. Pull-back-Anspruch des Betroffenen fehlt, wenn seine Inhalte unzulässig gelöscht wurden.

"Musterfeststellungsklage ist sinnvoll"

LTO: Ein Projekt, das die Justizministerin sehr schnell auf den Weg bringen will, ist die Musterfeststellungsklage. Die Wirtschaft meint, damit würden nur neue Betätigungsfelder für Anwälte geschaffen. Was meint die FDP?

Martens: Wir stellen den Bedarf einer solchen Regelung nicht in Abrede, sie ist sinnvoll. Wir brauchen im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes in der Tat Regelungen, weil das deutsche System hier erhebliche Schwächen aufweist. Wenn sich zum Beispiel große Unternehmen, z.B. Versicherer, rechtswidrig mit kleineren Beträgen bei ihren Kunden bereichern, kann ihnen das Millionensummen bescheren. Der betroffene Einzelne würde aber wegen ein paar Euro nicht vor Gericht ziehen.
Hier kann eine Musterfeststellungsklage das richtige Instrument sein. Aber natürlich werden wir uns als FDP den Entwurf der Bundesregierung genau anschauen und eventuell auch einen eigenen Vorschlag in den Bundestag einbringen.

LTO: Bürgerrechtler bekommen beim Klang der Namen früherer FDP-Rechtspolitiker wie Gerhart Baum, Burkhard Hirsch oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger feuchte Augen. Viele meinen: Die FDP als starke Bürgerrechtspartei gibt es auch deshalb nicht mehr, weil ihnen solche Persönlichkeiten fehlen. Ist da was dran?

Martens:  Die FDP ist immer noch eine starke Bürgerrechtspartei. Man muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass wir von 2013 – 2017 nicht im Bundestag vertreten waren. Hinzu kommt auch: Das Thema der Bürgerrechte ist komplizierter und für die Menschen schwerer fassbar geworden. Eine polarisierte Auseinandersetzung wie damals – auf der einen Seite der in die Freiheit eingreifende Staat, auf der anderen Seite diejenigen, die diese Eingriffe abwehren  - ist heute so nicht mehr möglich.

Die Menschen sind in diesen Zeiten auch nicht mehr so stark von dem Wunsch nach mehr Freiheit getrieben. Sie wollen Ordnung und Sicherheit. Und genau hier sehe ich auch die Aufgabe für die FDP:  Darauf achtzugeben, dass dieses Sicherheitsbedürfnis von der GroKo nicht ausgenutzt wird, um unverhältnismäßige Eingriffe in die Bürgerrechte zu rechtfertigen. Besorgt bin ich ein stückweit, denn von Bürgerrechten ist im Koalitionsvertrag kaum die Rede.

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Hasso Suliak, Interview mit dem rechtspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: . In: Legal Tribune Online, 26.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27719 (abgerufen am: 15.11.2025 )

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