Generalanwalt sieht Schwerpunkt nicht in der App-Funktion: Uber kann sich nicht auf Dienst­leis­tungs­f­rei­heit berufen

von Prof. Dr. Urs Kramer

11.05.2017

Bietet Uber primär eine digitale Vermittlungsleistung oder eine reale Transportleistung an? Dazu hat der Generalanwalt heute seine Schlussanträge vorgelegt. Folgt ihm der EuGH, hat das Unternehmen in Europa einen schweren Stand.

Nach den Schlussanträgen des Generalanwaltes Szpunar in der Rechtssache C-434/15 gehört Uber aus unionsrechtlicher Perspektive zum Verkehrssektor.

Die Folgen dieser Einschätzung könnten für die Zukunft von Uber in der Europäischen Union gravierend sein: Folgt der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Einschätzung des Generalanwaltes, so könnte Uber künftig auferlegt werden, die nach nationalem Recht jeweils erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen zu erwerben. Es gilt insoweit dann nämlich nicht der durch das Unionsrecht für Dienste der Informationsgesellschaft gewährleistete Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs.

Ausgangsfall in Spanien (und fast überall)

Uber ist eine elektronische Plattform zur Fahrtenvermittlung. Die App erkennt den Standort des Nutzers und findet ortsnah verfügbare Fahrer. Nimmt ein Fahrer die Fahrt an, teilt die App das dem Nutzer mit, wobei das Profil des Fahrers und der geschätzte Preis für die Fahrt zu dem vom Nutzer genannten Ziel angegeben werden. Am Ende der Fahrt wird der Fahrpreis automatisch von der Kreditkarte abgebucht, deren Daten der Nutzer bei seiner Anmeldung zur App angeben muss. Die App enthält auch eine Bewertungsfunktion: Fahrer wie auch Fahrgäste können sich gegenseitig einen bis fünf Sterne verleihen. Durchschnittsnoten unterhalb eines bestimmten Schwellenwertes können zum Ausschluss von der Plattform führen. Im Rahmen dieses Dienstes "UberPop" befördern Privatleute, die keine Berufskraftfahrer sind, in ihren eigenen Autos die Fahrgäste.

Diese preislich attraktive Alternative zum klassischen Taxenverkehr wirft verschiedenste Fragen zum Personenbeförderungs-, Wettbewerbes- und Lauterkeitsrecht auf, die in Deutschland (und anderen Ländern) bereits zu zahlreichen Entscheidungen der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit geführt haben.

Zentrale Frage: Was bietet Uber an?

Eine ganz entscheidende Frage dabei ist, was Uber genau anbietet. Das Unternehmen beruft sich darauf, es vermittle über seine App lediglich die Leistungen der selbstständigen Fahrer (die allerdings sehr detaillierten Vorgaben unterliegen) an seine Kunden. Auf der Ebene des Europäischen Unionsrechts ist dabei die Kernfrage, ob Uber lediglich eine "Informations-Dienstleistung" mit der Zurverfügungstellung der App erbringt, was zur Folge hätte, dass die unionsrechtlich gewährleistete Dienstleistungsfreiheit und damit die entsprechenden Richtlinien greifen. Alternativ könnte es sich bei Uber aber auch um eine (klassische) Verkehrsdienstleistung handeln, für die nach Art. 91 I lit. b AEUV die Mitgliedstaaten zuständig sind.

Im Jahr 2014 erhob eine berufsständische Vereinigung von Taxifahrern der Stadt Barcelona in Spanien vor dem Handelsgericht Nr. 3 von Barcelona Klage gegen die spanische Gesellschaft Uber Systems Spain, die zum Uber-Konzern gehört,, wegen unlauteren Wettbewerbes gegenüber ihren Fahrern. Sie machte insbesondere geltend, Uber Spain sei nicht befugt, in der Stadt Barcelona die Dienstleistung "UberPop" zu erbringen, weil weder Uber Spain noch die Halter der fraglichen Kraftfahrzeuge oder deren Fahrer über die in der Taxi-Verordnung der Stadt Barcelona vorgeschriebenen Lizenzen und Genehmigungen verfügten. Das Handelsgericht hat dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens (Art. 267 AEUV) mehrere Fragen zur Beurteilung der Tätigkeit von Uber anhand des Unionsrechts sowie nach den aus dieser Beurteilung zu ziehenden Konsequenzen gestellt.

Generalanwalt: Entscheidend ist Schwerpunkt der Leistung

In seinen heutigen Schlussanträgen arbeitet Generalanwalt Maciej Szpunar zunächst die Kernfrage heraus, ob für die von der Plattform Uber angebotenen Leistungen als "Dienste der Informationsgesellschaft" der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs gelte oder ob sie zu dem im Recht der Mitgliedstaaten geregelten Verkehrssektor gehörten. Der Generalanwalt vertritt die naheliegende Auffassung, es sei zwar Sache des nationalen Gerichts, den Sachverhalt zu ermitteln und zu bewerten, doch "UberPop" sei nach den bisherigen Feststellungen ein "gemischter Dienst", von dem ein Teil auf elektronischem Weg erbracht werde und der andere Teil definitionsgemäß nicht.

Für die Frage, ob ein solcher "gemischter Dienst", wie ihn Uber anbietet, als "Dienst der Informationsgesellschaft" oder als "Verkehrsdienst" angesehen werde, kommt es nach Generalanwalt Szpunar darauf an, ob beide Dienste trotz ihrer realen Eigenständigkeit (etwa bei einem Online-Verkauf und der realen bzw. "analogen" Erbringung von Hoteldienstleistungen durch einen Anbieter) eine wirtschaftlich untrennbare Einheit bildeten und ob das zentrale Element (oder alle wesentlichen Bestandteile des Geschäftes) auf elektronischem Weg vollzogen würde, wie es z. B. beim Online-Verkauf von Waren der Fall sei.

Zitiervorschlag

Urs Kramer, Generalanwalt sieht Schwerpunkt nicht in der App-Funktion: Uber kann sich nicht auf Dienstleistungsfreiheit berufen . In: Legal Tribune Online, 11.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22900/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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