Bietet Uber primär eine digitale Vermittlungsleistung oder eine reale Transportleistung an? Dazu hat der Generalanwalt heute seine Schlussanträge vorgelegt. Folgt ihm der EuGH, hat das Unternehmen in Europa einen schweren Stand.
Nach den Schlussanträgen des Generalanwaltes Szpunar in der Rechtssache C-434/15 gehört Uber aus unionsrechtlicher Perspektive zum Verkehrssektor.
Die Folgen dieser Einschätzung könnten für die Zukunft von Uber in der Europäischen Union gravierend sein: Folgt der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Einschätzung des Generalanwaltes, so könnte Uber künftig auferlegt werden, die nach nationalem Recht jeweils erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen zu erwerben. Es gilt insoweit dann nämlich nicht der durch das Unionsrecht für Dienste der Informationsgesellschaft gewährleistete Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs.
Ausgangsfall in Spanien (und fast überall)
Uber ist eine elektronische Plattform zur Fahrtenvermittlung. Die App erkennt den Standort des Nutzers und findet ortsnah verfügbare Fahrer. Nimmt ein Fahrer die Fahrt an, teilt die App das dem Nutzer mit, wobei das Profil des Fahrers und der geschätzte Preis für die Fahrt zu dem vom Nutzer genannten Ziel angegeben werden. Am Ende der Fahrt wird der Fahrpreis automatisch von der Kreditkarte abgebucht, deren Daten der Nutzer bei seiner Anmeldung zur App angeben muss. Die App enthält auch eine Bewertungsfunktion: Fahrer wie auch Fahrgäste können sich gegenseitig einen bis fünf Sterne verleihen. Durchschnittsnoten unterhalb eines bestimmten Schwellenwertes können zum Ausschluss von der Plattform führen. Im Rahmen dieses Dienstes "UberPop" befördern Privatleute, die keine Berufskraftfahrer sind, in ihren eigenen Autos die Fahrgäste.
Diese preislich attraktive Alternative zum klassischen Taxenverkehr wirft verschiedenste Fragen zum Personenbeförderungs-, Wettbewerbes- und Lauterkeitsrecht auf, die in Deutschland (und anderen Ländern) bereits zu zahlreichen Entscheidungen der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit geführt haben.
Zentrale Frage: Was bietet Uber an?
Eine ganz entscheidende Frage dabei ist, was Uber genau anbietet. Das Unternehmen beruft sich darauf, es vermittle über seine App lediglich die Leistungen der selbstständigen Fahrer (die allerdings sehr detaillierten Vorgaben unterliegen) an seine Kunden. Auf der Ebene des Europäischen Unionsrechts ist dabei die Kernfrage, ob Uber lediglich eine "Informations-Dienstleistung" mit der Zurverfügungstellung der App erbringt, was zur Folge hätte, dass die unionsrechtlich gewährleistete Dienstleistungsfreiheit und damit die entsprechenden Richtlinien greifen. Alternativ könnte es sich bei Uber aber auch um eine (klassische) Verkehrsdienstleistung handeln, für die nach Art. 91 I lit. b AEUV die Mitgliedstaaten zuständig sind.
Im Jahr 2014 erhob eine berufsständische Vereinigung von Taxifahrern der Stadt Barcelona in Spanien vor dem Handelsgericht Nr. 3 von Barcelona Klage gegen die spanische Gesellschaft Uber Systems Spain, die zum Uber-Konzern gehört,, wegen unlauteren Wettbewerbes gegenüber ihren Fahrern. Sie machte insbesondere geltend, Uber Spain sei nicht befugt, in der Stadt Barcelona die Dienstleistung "UberPop" zu erbringen, weil weder Uber Spain noch die Halter der fraglichen Kraftfahrzeuge oder deren Fahrer über die in der Taxi-Verordnung der Stadt Barcelona vorgeschriebenen Lizenzen und Genehmigungen verfügten. Das Handelsgericht hat dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens (Art. 267 AEUV) mehrere Fragen zur Beurteilung der Tätigkeit von Uber anhand des Unionsrechts sowie nach den aus dieser Beurteilung zu ziehenden Konsequenzen gestellt.
Generalanwalt: Entscheidend ist Schwerpunkt der Leistung
In seinen heutigen Schlussanträgen arbeitet Generalanwalt Maciej Szpunar zunächst die Kernfrage heraus, ob für die von der Plattform Uber angebotenen Leistungen als "Dienste der Informationsgesellschaft" der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs gelte oder ob sie zu dem im Recht der Mitgliedstaaten geregelten Verkehrssektor gehörten. Der Generalanwalt vertritt die naheliegende Auffassung, es sei zwar Sache des nationalen Gerichts, den Sachverhalt zu ermitteln und zu bewerten, doch "UberPop" sei nach den bisherigen Feststellungen ein "gemischter Dienst", von dem ein Teil auf elektronischem Weg erbracht werde und der andere Teil definitionsgemäß nicht.
Für die Frage, ob ein solcher "gemischter Dienst", wie ihn Uber anbietet, als "Dienst der Informationsgesellschaft" oder als "Verkehrsdienst" angesehen werde, kommt es nach Generalanwalt Szpunar darauf an, ob beide Dienste trotz ihrer realen Eigenständigkeit (etwa bei einem Online-Verkauf und der realen bzw. "analogen" Erbringung von Hoteldienstleistungen durch einen Anbieter) eine wirtschaftlich untrennbare Einheit bildeten und ob das zentrale Element (oder alle wesentlichen Bestandteile des Geschäftes) auf elektronischem Weg vollzogen würde, wie es z. B. beim Online-Verkauf von Waren der Fall sei.
2/2: Uber kontrolliert alle maßgeblichen Parameter
Der von Uber angebotene Dienst erfüllt der Bewertung des Generalanwaltes zu Folge keine dieser beiden Voraussetzungen. Die Fahrer, die im Rahmen der Uber-Plattform Beförderungen durchführten, übten keine eigenständige Tätigkeit aus, die unabhängig von der Plattform Bestand hätte. Diese Tätigkeit gebe es vielmehr nur dank der Plattform, ohne die sie bedeutungslos wäre. Uber kontrolliere auch die wirtschaftlich relevanten Faktoren der im Rahmen der Plattform angebotenen Beförderungsdienstleistung.
Denn Uber lege die Bedingungen für den Zugang der Fahrer zu der Tätigkeit und für deren Ausübung fest, belohne Fahrer, die eine große Zahl von Fahrten durchführten, finanziell und informiere sie über Orte und Tageszeiten, die ihnen voraussichtlich zahlreiche Fahrten oder vorteilhafte Tarife verschafften (was Uber in die Lage versetze, sein Angebot an die Nachfrageschwankungen anzupassen, ohne auf die Fahrer formell Druck auszuüben). Ferner kontrolliere das Unternehmen, wenn auch indirekt, die Qualität der von den Fahrern verrichteten Arbeit, was sogar zum Ausschluss der Fahrer von der Plattform führen könne, und lege schließlich de facto den Preis für den erbrachten Dienst fest. Diese Einschätzung hat in den vergangenen Jahren im Übrigen auch die deutschen Behörden und Gerichte bei ihrer personenbeförderungsrechtlichen Bewertung des Uber-Angebotes maßgeblich geleitet.
Kein bloßer Vermittler, sondern Anbieter der Verkehrsdienste
Alle diese Merkmale schlössen es aus – so der Generalanwalt weiter –, in Uber einen bloßen Vermittler zwischen Fahrern und Fahrgästen und damit einen „elektronischen Dienstleister“ zu sehen. Außerdem stelle im Rahmen des von der Plattform Uber angebotenen gemischten Dienstes die Beförderungsleistung – also der nicht auf elektronischem Weg erbrachte Beförderungsdienst – ohne jeden Zweifel die Hauptleistung dar, die dem Dienst seinen wirtschaftlichen Sinn verleihe. Nur sie werde von den Kunden nachgefragt und – eben elektronisch – bei Uber gebucht.
Die auf elektronischem Weg erbrachte, in der Herstellung des Kontaktes zwischen Fahrgast und Fahrer bestehende Leistung habe daher im Verhältnis zur Beförderungsleistung weder eigenständigen noch zentralen Charakter. Aus diesem Grund könne der von Uber angebotene Dienst nicht als "Dienst der Informationsgesellschaft" eingestuft werden. Es handele sich vielmehr um die Organisation und den Betrieb eines umfassenden Systems des Personennahverkehrs auf Abruf.
Zur Abgrenzung betont der Generalanwalt sodann noch, Uber biete auch keinen Mitfahrdienst an, denn der Zielort werde von den Fahrgästen bestimmt, und die Fahrer erhielten eine Bezahlung, die die bloße Erstattung der entstandenen Kosten bei Weitem übersteige.
Klares Ergebnis und seine Folgen
Aus den genannten Gründen schlägt der Generalanwalt dem EuGH vor, auf die Vorlagefrage des spanischen Handelsgerichts zu antworten, dass der von der Plattform Uber angebotene Dienst als "Verkehrsdienstleistung" zu qualifizieren ist.
Auch wenn der EuGH in seiner rechtlichen Bewertung nicht an die Schlussanträge des Generalanwaltes gebunden ist, folgt er ihnen in der Praxis sehr häufig, zumal im konkreten Fall kaum valide Gegenargumente ersichtlich sind. Das verdeutlicht schon die Perspektive des einzelnen Kunden, der eben eine "Uber-Fahrt" und keinen bloßen "Uber-Kontakt" bucht und nachher auch bezahlt, wobei der Preis zudem von der gefahrenen Strecke und nicht etwa der Dauer der Vermittlung etc. abhängt.
Sollte diese Auslegung daher auch vom Gerichtshof geteilt werden, folgte aus ihr, dass für Uber der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im Rahmen der "Dienste der Informationsgesellschaft" nicht gälte und dass der Dienst somit den Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaates unterläge, in dem er nicht ansässig ist (vgl. Art. 91 I lit. b AEUV). Das wäre im Ausgangsfall konkret das Erfordernis, die in der Taxi-Verordnung der Stadt Barcelona vorgeschriebenen Lizenzen und Genehmigungen zu erwerben, und bedeutete für Deutschland die Anwendung der bislang schon für Uber herangezogenen Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes.
Mittelbar würde damit aber auch der im Unionsrecht fest verankerte Grundsatz der Subsidiarität gestärkt, und es obläge wieder eindeutig den Mitgliedstaaten – wie von diesen auch regelmäßig eingefordert –, über die Zulässigkeit von Verkehrsangeboten auf ihren Straßen selbst zu entscheiden. Gleichzeitig würde so auch die Bedeutung des nationalen Personenbeförderungsrechts selbst in Zeiten der Globalisierung unterstrichen.
Der Autor Prof. Dr. Urs Kramer ist Inhaber der Lehrprofessur für Öffentliches Recht und Sprecher des Institutes für Rechtsdidaktik der Universität Passau. Er ist Autor diverser Veröffentlichungen zum Transport- und Personenverkehrsrecht.
Urs Kramer, Generalanwalt sieht Schwerpunkt nicht in der App-Funktion: Uber kann sich nicht auf Dienstleistungsfreiheit berufen . In: Legal Tribune Online, 11.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22900/ (abgerufen am: 08.06.2023 )
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