EU-Konzept für eine Bankenunion: Europa braucht keine Mega-EZB

Die Finanzkrise macht an der Eurogrenze nicht halt

Andererseits ist das Konzept der Kommission insoweit zu eng, als es einheitliche Strukturen nur für die Eurozone errichten will, andere Staaten können freiwillig beitreten. Systemrelevante britische Banken fallen so völlig aus dem System heraus. Finanzkrisen machen aber an der Eurogrenze nicht halt: Wir haben keine Euro-, sondern eine Staatsschuldenkrise. Von dieser sind Nichteurostaaten wie Großbritannien oder Ungarn nicht weniger betroffen als andere. Wenn überhaupt bedarf es also einheitlicher Aufsichtsstrukturen in der gesamten Union.

Schließlich sind auch im Hinblick auf die konkreten Aufsichtsinstrumente noch etliche Fragen offen.

Nach den Plänen der Kommission soll die europäische Aufsicht mit ganz erheblichen Durchgriffsinstrumenten ausgestattet werden. So richtig es ist, die Aufsicht nicht als zahnlosen Tiger zu errichten: Es stellen sich gravierende grundrechtliche Probleme, wenn plötzlich eine europäische Behörde Durchsuchungen und Beschlagnahmen anordnen sowie Institute abwickeln kann.

Die Eingriffsmöglichkeiten der EZB müssen daher so ausgestaltet werden, dass die betroffenen Institute angemessen am Verfahren beteiligt werden und die einzelnen Maßnahmen gerichtlich überprüfen lassen können. Gerade im Bereich der Finanzaufsicht sind die Möglichkeiten der Banken oftmals defizitär, weil die Geldinstitute die Öffentlichkeit eines Prozesses scheuen. Die Vorschläge der Kommission sagen dazu nichts.

Bankenunion in dieser Form unnötig

Die Bankenunion erweist sich allenfalls mittel- bis langfristig als realisierbar. Zur aktuellen Krisenbewältigung ist sie aber wenig hilfreich. Wenn die Staats- und Regierungschefs tatsächlich europäische Aufsichtsstrukturen für eine direkte Hilfe durch den ESM verlangen, stehen dazu die unlängst errichteten europäischen Aufsichtsbehörden zur Verfügung.

Deren Zuständigkeiten müssten partiell erweitert werden, so dass systemrelevante hilfsbedürftige Banken neben der nationalen künftig auch einer verstärkten europäischen Aufsicht unterlägen. Mit geringem Personalaufwand könnte die Union damit die Zeit gewinnen, die sie für die Gründung einer umfassenden Bankenunion bräuchte.  

Tatsächlich wirkt das ganze Projekt wie ein Ablenkungsmanöver von den eigentlich bestehenden Defiziten: Diese liegen vorrangig in der weiterhin mangelhaften Regulierung der Finanzmärkte. Bleibt diese auch zukünftig so löchrig, kann keine Aufsichtsstruktur dieser Welt Finanzkrisen effektiv eindämmen. Dass sich gerade die großen privaten Banken so stark für den Vorschlag der Kommission einsetzen, sollte zu denken geben.

Der Autor Dr. Alexander Thiele, Akademischer Rat a.Z. ist Habilitand und Assistent am Institut für Allgemeine Staatslehre und Politische Wissenschaften der Universität Göttingen und forscht im Bereich der Finanzaufsicht.

Zitiervorschlag

Alexander Thiele, EU-Konzept für eine Bankenunion: Europa braucht keine Mega-EZB . In: Legal Tribune Online, 13.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7069/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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