Im Volksmund heißt es: Diejenigen, die sich zu Lebzeiten am wenigsten gekümmert haben, stehen nach dem Tode als Erste da und suchen nach der Erbschaft. Wer sich tatsächlich um den Verstorbenen gekümmert hat, aber nicht aufgrund Gesetzes oder Testaments Erbe ist, erhält keine Gegenleistung für seine Mühen. Wolfgang Stückemann schlägt den Abschluss eines Kümmerungsvertrags vor.
Erbrecht in der Praxis: Die Schwiegertochter kümmert sich rührend nach dem Tode ihres Ehemannes weiterhin intensiv um ihren Schwiegervater. Der hat aus erster Ehe noch zwei Kinder, die jeden Kontakt mit dem Vater ablehnen. Die Schwiegertochter hat von ihm eine Vorsorgevollmacht, die für ihre Dienstleistungen keinerlei Entgelt vorsieht. An ein Testament hat keiner gedacht.
Schon vor der Beerdigung kommen die Söhne aus erster Ehe und nehmen den gesamten Nachlass ihres Vaters in Beschlag.
Solche und ähnliche Szenarien werden häufig an Berater herangetragen. Das Gesetz lässt den Kümmerer im Stich, wenn keine besonderen Vereinbarungen oder testamentarischen Regelungen erfolgt sind und der Kümmerer kein gesetzlicher Erbe ist.
Das Erbrecht schützt nur den Erben
Das Pflegeversicherungsgesetz setzt für das Pflegegeld erst bei einer Pflegebedürftigkeit ein, die einen erheblichen Hilfebedarf voraussetzt. Erheblich Pflegebedürftige (Pflegestufe 1) benötigen mindestens einmal täglich Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität und zusätzlich mehrfach in der Woche bei der hauswirtschaftlichen Versorgung.
Für Vorstufen gibt es keine Regelungen, obwohl sich in den letzten Jahrzehnten ein gesellschaftliches Bewusstsein für den ökonomischen Wert von Pflegeleistungen und ein Bedürfnis nach einer entsprechenden materiellen Anerkennung entwickelt hat.
Gesetzliche Neuregelungen im Erbrecht über Ausgleichsansprüche wegen erbrachter Pflegeleistungen (§ 2057a BGB) und Abschmelzung von Schenkungen (§ 2325 Abs. 3 BGB) beseitigen die Ungerechtigkeit nicht, dass Fremde, die Pflegeleistungen für den Erblasser erbringen und/oder sich intensiv um ihn kümmern, von völlig unbeteiligten nahen Angehörigen mit Erb- oder Pflichtteilsansprüchen konfrontiert werden.
Der Kümmerungsvertrag
Eine gute Lösung dieser Probleme bietet der Abschluss eines von mir so genannten Kümmerungsvertrages. Der Kümmerungsvertrag ist ein Dienstleistungsvertrag, mit dem geregelt wird, dass Kümmerungs- oder Pflegeleistungen vom Kümmerer entgeltlich erbracht werden und die Art und Dauer der Kümmerung sowie ihre Honorierung möglichst laufend dokumentiert und bestätigt werden.
Damit können insbesondere Leistungen, die noch im Vorfeld der Pflegestufen liegen, wie eben das einfache "Sich-Kümmern", also am Wohlergehen und Leben des Anderen interessiert sein, durch Geld oder Sachleistungen belohnt werden. Es werden eindeutige Regelungen geschaffen und auch für die Nachwelt festgehalten. Bei angemessener Vergütung lässt sich leicht beweisen, dass es sich weder um Schenkungen noch um einseitige Bereicherungshandlungen eines Bevollmächtigten gehandelt hat.
Gegenüber missliebigen Erben oder Pflichtteilsberechtigten, die sich nie um den Erblasser gekümmert haben, kann der Erb- oder Pflichtteilsanspruch durch angemessene Bezahlung von Kümmerungsleistungen zu Lebzeiten verringert werden. Dieses legitime Ziel verfolgen Erblasser häufig.
Hinweis in Vorsorgevollmachten
Bislang sind vertragliche Regelungen zwischen Familienangehörigen, Freunden oder Nachbarn relativ selten, weil dem Laien die entstehenden Probleme nicht geläufig sind oder er möglichen Auseinandersetzungen aus dem Weg geht.
Pflegeverträge abzuschließen ist schon vom Wortsinn her eher unangenehm, insbesondere wenn noch nicht der Bereich einer schweren Pflegestufe erreicht ist.
Sehr viel eingängiger ist der Begriff des "Kümmerungsvertrags", der sich vom "Sich Kümmern" ableitet und jedem schnell einleuchtet. Jedermann wünscht sich, im Alter eine vertraute Person zu haben, die sich um ihn kümmert. Der Kümmerungsvertrag ermöglicht es, dass diese Person auch dann eine ihrer Leistung angemessene Gegenleistung erhält, wenn sie keine Verwandte ist. Auf diese Möglichkeit und die Dokumentation sollte bereits in Vorsorgevollmachten hingewiesen werden.
Der Autor Wolfgang Stückemann ist Rechtsanwalt und Notar in Lemgo. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und für Erbrecht und Verfasser diverser Publikationen u.a. zum Erbrecht.
Wolfgang Stückemann, Dienstleistung und Pflichtteil : . In: Legal Tribune Online, 27.05.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/551 (abgerufen am: 10.11.2024 )
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