DUH startet Klimaklagewelle: Sorgen jetzt Gerichte für mehr Kli­ma­schutz?

von Hasso Suliak

24.09.2021

Mit diversen Klagen gegen Bund und Länder will die Umwelthilfe die Politik beim Klimaschutz in die Pflicht nehmen. Jetzt weitet die Organisation ihr juristisches Engagement auch gegen Unternehmen wie BMW, Daimler oder Wintershall Dea aus.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat am Donnerstag weitere juristische Schritte für mehr Klimaschutz gegen Unternehmen und Politik angekündigt. Im kommenden Jahr will der Verein juristisch außerdem das Thema Straßenbau verstärkt in den Fokus nehmen.   

Seit mehr als 15 Jahren zieht die Deutsche Umwelthilfe (DUH) juristisch – und zum Trotz öffentlicher Anfeindungen aus Reihen der Politik - für Luftreinhaltung in Städten und Kommunen zu Felde. Während es anfangs um die Durchsetzung der insgesamt 70 grünen Umweltzonen zur Einhaltung der Feinstaubwerte ging, kamen 2011 die Klagen zur Durchsetzung des Stickstoffdioxid-Grenzwerts in 40 Städten hinzu, vielerorts verbunden mit der Frage, ob Dieselfahrverbote eingeführt werden müssen. Juristisch ging die DUH dabei fast immer als Sieger vom Platz.  

So endeten 13 Verfahren mit einer für die DUH positiven Entscheidung und bei zwölf von 13 erzielten Vergleichen musste die jeweils beklagte Kommune vollständig die Kostenlast tragen, weil sie sonst, wie DUH-Anwalt Dr. Remo Klinger berichtet, "nach Auffassung des Gerichts die Klage verloren hätte". Weitere acht Verfahren, so der Anwalt, hätten sich deshalb erledigt, "da die Grenzwerte vor einer rechtskräftigen Entscheidung eingehalten wurden, was oft daran lag, dass die Klagen als solche schon Wirkung zeigten "In den beklagten Städten verbesserte sich die Luft doppelt so schnell als in nicht-beklagten Städten", lautet Klingers Fazit.

"Klagen nicht um des Klagens willen"

Diese juristische Erfolgsbilanz macht die Umweltorganisationzuversichtlich, was die weiteren angekündigten juristischen Auseinandersetzungen angeht: "Wir klagen nicht um des Klagens willen", bekräftigte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch am Donnerstag auf einer Veranstaltung, auf der der Verein darüber informierte, "warum unsere Klagen gegen Bund, Länder und Unternehmen die Chance für effizienten Klimaschutz sind“.  

Die DUH will die diversen Akteure in die Pflicht nehmen, damit Deutschland seinen Pflichten aus dem 2015 unterschriebenen Pariser Klimaabkommen nachkommt. Darin hat sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, möglichst sogar auf 1,5 Grad. Auf die Politik düfte hierbei wenig Verlass sein: Denn nach Untersuchungen von Klimaforscher:innen reichen die Maßnahmen, die die bisher im Bundestag vertretenen Parteien in ihren Wahlprogrammen hierfür vorschlagen, jedenfalls nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen. Also letzte Hoffnung Justitia?

Rückenwind für ihren juristischen Kampf gibt der DUH natürlich das wegweisende Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom April, in dem dieses - gestützt auf Art. 20a Grundgesetz (GG) - die Maßnahmen und Ziele der Bundesregierung für den Klimaschutz als nicht ausreichend erachtet hatte, um die Zukunft von jungen Menschen effektiv zu schützen. Die Politik, so das BVerfG, müsse beim Klimaschutz nachbessern, um die Freiheitsrechte künftiger Generationen zu schützen. Auch bei diesem Urteil hatte die DUH ihre Finger im Spiel: Sie unterstützte die Verfassungsbeschwerden junger Menschen, die in Karlsruhe recht bekamen.  

Die auf die BVerfG-Entscheidung hin vorgenommene Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes durch die Koalition reichen der DUH allerdings bei weitem nicht aus. "Die Bundesregierung hat ein bisschen am Klimaschutz gedreht, aber der alten Industrie gleichzeitig sogar weitere Geldgeschenke gemacht", moniert Resch. Mit der Einreichung zahlreicher neuer Klimaklagen wolle man nun diese Politik verändern.

18 Klagen gegen Bund, Länder und Unternehmen

Nach dem Klimaurteil des BVerfG hat die DUH daher mittlerweile eine wahre Klagewelle losgetreten: 18 Klagen seien inzwischen anhängig oder stehen unmittelbar vor Einreichung, teilte die DUH am Donnerstag mit. Neben Bund und Ländern nimmt die Organisation neuerdings auch Unternehmen ins juristische Visier: "Wir wollen jeden Hebel bewegen, der möglich ist", so Resch.

Seit Jahrzehnten gebe es Unternehmen, die auf Kosten unserer Zukunft ihre klimaschädlichen Geschäfte machen, argumentiert die DUH. Die Zeit für fossile Industrien sei jetzt jedoch abgelaufen. "Auch Unternehmen müssten sich an Grundrechte halten und die Zukunft folgender Generationen schützen. Das heißt: Unternehmen müssen sich an das Pariser Klimalimit halten", so die DUH.  

Konkret verklagt hat die DUH bislang die Automobilhersteller BMW und Mercedes-Benz, um diese spätestens bis 2030 zum Verbrennerausstieg zu zwingen. Die Klageschriftsätze wurden Anfang dieser Woche eingereicht. Der Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea ist als nächstes an der Reihe. Dieser darf nach dem Willen der Umweltschützer:innen spätestens ab 2026 keine neuen Erdgas- und Erdölfelder mehr erschließen. Klinger kündigte die Einreichung der Klage gegen den Öl- und Gaskonzern für die kommenden Tage an. Die DUH macht den Konzern jährlich für mehrere hundert Millionen Tonnen CO2 verantwortlich.

Unternehmen mittelbar an Grundrechte gebunden

Wintershall Dea und die betroffenen Autokonzerne weisen die Vorwürfe der DUH entschieden zurück. Der Umweltverein hatte von den Unternehmen die Abgabe entsprechender Unterlassungserklärungen gefordert, die diese jedoch ablehnten. Die Daimler-Tochter Mercedes-Benz etwa kündigte an, man werde sich "mit allen juristischen Mitteln verteidigen". Gegenüber LTO bekräftige Daimler-Sprecher Johannes Leifert: "Für eine Unterlassungserklärung sehen wir keine Grundlage, denn wir haben längst eine klare Erklärung für den Spurwechsel zur Klimaneutralität abgegeben: Es ist unser Anspruch, bis zum Ende des Jahrzehnts vollelektrisch zu werden - wo immer die Marktbedingungen es zulassen."

Nicht gelten lässt die DUH im Zusammenhang mit ihrem Vorgehen gegen die Unternehmen das Argument, dass es doch ausschließlich Aufgabe der Politik sei, den Unternehmen durch entsprechende gesetzliche Vorgaben zu Einhaltung von Emissionsgrenzen zu sorgen, die Unternehmen also selbst quasi der falsche Adressat für die juristischen Schritte seien: "Private Unternehmen unterliegen einer mittelbaren Grundrechtsbindung. Sie müssen in ähnlicher Weise wie der Staat dafür sorgen, dass Grundrechte nicht verletzt werden", sagt Klinger im Gespräch mit LTO. Das gelte vor allem, wenn ein Grundrechtsschutz gegenüber dem Staat nicht möglich sei, da zum Beispiel für den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotorgeschäft die Europäische Union zuständig sei. "Sie müsste die CO2-Vorgaben für Pkw ändern. Unmittelbaren Rechtsschutz gegenüber der EU auf Änderung dieser Vorgaben gibt es jedoch nicht."  

Die Abweisung des sogenannten People’s Climate Case durch den EuGH im März dieses Jahres hat dies nochmals bewiesen. Um Grundrechtsschutz in dieser Frage zu erlangen, müssten die Kläger also gegen die Unternehmen vorgehen.

Klagen gegen die Bundesländer

Ebenfalls diesen September hatte die DUH bereits gemeinsam mit Kindern und jungen Erwachsenen neue Klimaklagen gegen fünf weitere Landesregierungen beim BVerfG eingereicht. Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen die Landesregierungen von Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die Beschwerden sollen die Landesregierungen laut Umwelthilfe dazu bewegen, Landesklimaschutzgesetze zu verabschieden, die dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem Grundgesetz entsprechen.  

Seit Juli laufen bereits entsprechende Verfahren gegen Bayern, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Am Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist außerdem eine Popularklage wegen eines aus Sicht der DUH unzureichenden bayerischen Klimaschutzgesetzes anhängig; ein weiteres verwaltungsgerichtliches Verfahren vor dem Bayrischen Verwaltungsgerichtshof betrifft das fehlende Klimaschutzprogramm nach dem bayerischen Klimaschutzgesetz.

Laut Klinger sind die juristischen Schritte gegen die Bundesländer unerlässlich, damit Klimaschutz funktioniert: "In für den Klimaschutz wesentlichen Bereichen haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz, etwa durch das Landesplanungsrecht bei den Abstandsregelungen für Windkraftanlagen, durch die Bauordnung bei Vorgaben für Fotovoltaik-Anlagen oder vielen Fragen, die die Verkehrswende in den Städten betreffen." Im Übrigen, so Klinger, seien es die Bundesländer, die mit ihren Behörden den Vollzug der Gesetze sicherstellen müssten.

Urteil gegen Bundesregierung für Frühjahr 2022 erwartet

Mit besonderem Interesse wartet man bei der Umwelthilfe allerdings auf Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg: Anhängig sind dort zwei Klagen gegen die Bundesregierung auf Erstellung von Klimaschutzprogrammen, die für die jeweiligen Sektoren (Verkehr, Industrie, Gebäude etc.) diejenigen Maßnahmen enthalten, die prognostisch erforderlich sind, um die Ziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes einzuhalten.

DUH-Geschäftsführer Resch bezeichnete diese gerichtliche Auseinandersetzung um das "rechtswidrige Klimaschutzprogramm" der Bundesregierung am Donnerstag als "die zentrale Auseinandersetzung", die der Verein derzeit führe. Mit einer Entscheidung sei im Frühjahr 2022 zu rechnen.

2022 wird die Umweltorganisation juristisch dann auch ein weiteres Feld verstärkt in den Blick nehmen, nämlich dem Straßenbau und dessen verkehrserzeugender Wirkung. "Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten", hieß es. Resch und Klinger kündigten an, z.B. die bevorstehende Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans genauer unter die Lupe zu nehmen.

Zitiervorschlag

DUH startet Klimaklagewelle: Sorgen jetzt Gerichte für mehr Klimaschutz? . In: Legal Tribune Online, 24.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46114/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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