Führerscheinentzug bereits bei niedrigen THC-Werten: Keine Toleranz für Kiffer

von Adolf Rebler, Dr. jur.

23.10.2014

Cannabis-Konsumenten, die im Straßenverkehr erwischt werden, dürfen nicht auf die Milde der Gerichte hoffen. Das BVerwG hat heute entschieden, dass bereits eine THC-Konzentration von 1,0 ng/ml Blut zum Entzug der Fahrerlaubnis ausreicht; auch Messabschläge sollen keine vorgenommen werden. Adolf Rebler erläutert die Entscheidung und stellt den Vergleich zu Alkohol am Steuer an.

Keine Toleranz für bekiffte Autofahrer zeigt das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einem Urteil von Donnerstag (Az. 3 C 3.13). Geklagt hatte ein Gelegenheitskonsument, bei dem im Rahmen einer Verkehrskontrolle eine THC-Konzentration von 1,3 ng/ml im Blut nachgewiesen wurde. Aufgrund dieses Laborergebnisses hatte ihm die Fahrerlaubnisbehörde seinen Führerschein entzogen.

Das Verwaltungsgericht (VG) bestätigte den Bescheid, im Berufungsverfahren entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim, dass vom gemessenen Wert keine Abzüge vorzunehmen seien. Außerdem sei bei einem ermittelten THC-Wert von  1,0 ng/ml davon auszugehen, dass der Cannabis-Konsument nicht zwischen Fahren und Kiffen trennen könne und die Fahrerlaubnis deshalb zu entziehen sei. Der Bayerische VGH dagegen geht in seiner bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass die Ungeeignetheit erst ab einem Wert von 2,0 ng/ml feststehe (BayVGH, Beschl. v. 16.08.2006, Az. 11 CS 05.3394). Würden Werte  zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml gemessen, könne dies nur Anlass für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sein.

Das BVerwG wies nun die Revision gegen das Urteil des VGH Mannheim zurück. Gegen die nur eingeschränkt überprüfbare Annahme des Berufungsgerichts, dass eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blutserum nicht ausgeschlossen werden könne, hätte der Kläger keine revisionsrechtlich erheblichen Rügen erhoben. Dies, obwohl eine entsprechende Konzentration je nach Häufigkeit und Intensität durchaus noch mehrere Tage nach dem letzten Cannabiskonsum vorliegen kann. Ohne Erfolg blieb auch der Einwand des Klägers, dass im Hinblick auf mögliche Messungenauigkeiten ein "Sicherheitsabschlag" vom ermittelten THC-Wert vorgenommen werden müsse.

Gelegentlicher Konsum kann zum Führerscheinentzug ausreichen

Nach der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ist nicht nur der zum Führen von KFZ ungeeignet, der aktuell unter Drogeneinfluss steht, sondern auch der, bei dem nicht ausgeschlossen werden kann, dass er unter Einfluss entsprechender Substanzen ein Fahrzeug führen wird. Genaueres bestimmt § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV in Verbindung mit der Anlage 4 der Verordnung ("Eignung und bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen").

Auch Cannabis, dessen Hauptwirkstoff THC ist, wird in der Anlage 4 aufgeführt. Nach  Nummer 9.2 der Anlage 4 ist unter anderem derjenige nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden, und damit ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, der Cannabis entweder regelmäßig oder gelegentlich einnimmt, wobei in letzterem Fall hinzukommen muss, dass er nicht zwischen Konsum und Fahren trennen kann.

Regelmäßiger Cannabiskonsum schließt die Fahreignung also aus, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssten. Er liegt vor, wenn Cannabis täglich oder nahezu täglich eingenommen wird. Regelmäßiger Konsum kann auch angenommen werden, wenn er nur über einen kurzen Zeitraum erfolgt. Allein aus dem Besitz von Cannabis lässt sich aber nicht auf einen regelmäßigen Konsum schließen.

Beim bloß gelegentlichen Cannabiskonsum müssen hingegen (anders als bei anderen Drogen wie zum Beispiel Amphetamin) weitere "problematische" Verhaltensweisen hinzutreten. Dies kann beispielsweise der zusätzliche Gebrauch von Alkohol oder die Tatsache sein, dass jemand nachweislich unter dem Einfluss von Cannabis Auto fährt. Was "gelegentlich" bedeutet, ist der FeV nicht zu entnehmen. Einmaliger Konsum reicht jedenfalls nicht aus, bereits zwei von einander unabhängige Konsumakte können jedoch genügen.

Grenzwerte als Beweis für Häufigkeit des Konsums

Aus dem bei einer Blutuntersuchung ermittelten THC oder THC-Carbonsäure-Wert (THC-COOH) kann auf die Häufigkeit der Einnahme von Cannabis geschlossen werden. Die Rechtsprechung geht bei festgestellten THC-COOH (nicht zu verwechseln mit THC!) Konzentrationen zwischen 5 und 75 ng/ml  von einem wenigstens gelegentlichen Cannabiskonsum und bei einer THC-COOH-Konzentration von mehr als 75 ng/ml von regelmäßigem Cannabiskonsum aus. Bei Blutproben, die nur wenige Stunden nach dem letzten Konsum entnommen werden, kann wegen der fehlenden Abbaumöglichkeit aber erst ab einer THC-COOH-Konzentration von 150 ng/ml ein regelmäßiger Konsum als gesichert angenommen werden.

An der Fähigkeit, zwischen Konsum und Fahren zu trennen (und damit an der Geeignetheit zum Führen von KFZ), fehlt es immer dann, wenn der Kraftfahrer unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit signifikant erhöht hat (BayVGH, Beschl. v. 25.01.2006, Az. 11 CS 05.1711).

In der obergerichtlichen Rechtsprechung war bisher umstritten, ab welchem Wert an THC diese Schwelle überschritten ist. Die meisten Gerichte nahmen (auch) bisher bei einer THC-Konzentration ab 1,0 ng/ml Serum ein fehlendes Trennungsvermögen an. Der Bayerische VGH dagegen bejahte erst ab einer THC-Konzentration von 2,0 ng/ml Serum  mangelndes Trennungsvermögen. Er nahm aber bei einem Wert zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml Tatsachen an, die Zweifel an der Geeignetheit begründen, welche die Anforderung eines Gutachtens rechtfertigen (BayVGH, Beschl. v. 18.01.2008, Az. 11 CS 07.3066; BayVGH, Beschl. v. 25.01.2006, Az. 11 CS 05.1711).

Ungleichbehandlung zum Alkohol?

Seit einer Entscheidung des BVerfG aus 2004 (v. 21.12.2004, Az. 1 BvR 2652/03) gilt für Cannabis im Ordnungswidrigkeitenrecht gemäß § 24a Straßenverkehrsgesetz (StVG) ein Grenzwert von 1,0 ng/ml. Vergleicht man diesen Wert mit dem entsprechenden Alkoholgrenzwert, also 0,5 Promille, so fällt eine gewisse Diskrepanz auf. Eine (strafgerichtliche) Entziehung der Fahrerlaubnis bei Vorliegen absoluter Fahruntüchtigkeit kommt nämlich erst ab 1,1 Promille in Betracht.

Das Urteil des BVerwG wird somit dem Argument, Cannabis und Alkohol würden von den Gerichten unterschiedlich behandelt, vermutlich neue Nahrung geben. Rechtlich ist die Sache indes eigentlich schon seit zehn Jahren ausgestanden. In der vorgenannten Entscheidung hat das BVerfG nämlich auch festgestellt, dass eine unterschiedliche Behandlung von Alkohol und (sonstigen) Drogen durchaus begründet ist. Der Umstand, dass sich bei einzelnen Drogen anders als beim Alkohol die Dosis-Wirkungs-Beziehung derzeit nicht quantifizieren ließe, sei so gewichtig, dass er die unterschiedliche Regelung sachlich rechtfertige.

Aber auch für Alkoholsünder könnte die Luft dünner werden: Kraftfahrer, denen alkoholbedingt mit Strafurteil die Fahrerlaubnis entzogen worden war, mussten bisher erst dann zur MPU, wenn sie 1,6 Promille oder mehr intus gehabt  hatten (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV). Der VGH Mannheim hat diese Grenze jedoch im Januar auf 1,1 Promille nach unten geschraubt und ist insoweit mit dem Strafrecht gleichgezogen (Beschl. v. 15.01.2014, Az. 10 S 1748/13). Ob die anderen Obergerichte dem folgen, steht noch in den Sternen. Wahrscheinlich wird auch  hier das BVerwG entscheiden müssen.

Zitiervorschlag

Adolf Rebler, Führerscheinentzug bereits bei niedrigen THC-Werten: Keine Toleranz für Kiffer . In: Legal Tribune Online, 23.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13580/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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