Pirat mahnt britischen Geheimdienst ab: "Gebt mir meine weißen Mäuse zurück!"

Interview mit Markus Kompa

27.06.2013

Rechtsanwalt und Politiker Markus Kompa ist tief betroffen. Der britische Geheimdienst überwacht nicht nur seine Kommunikation, sondern trampelt auch noch auf seinen Urheberrechten herum – vermutet er jedenfalls. Vorsorglich hat der Bundestagskandidat der Piraten nun eine Abmahnung nach England verschickt, er erwartet nicht weniger als die "totale Unterwerfung". Ein Gespräch mit einem gekränkten Künstler.

LTO: Herr Kompa, Sie haben ernstlich den britischen Geheimdienst abgemahnt? Warum denn?

Kompa: Aus gutem Grund! Sehen Sie, ich habe vergangenen Sonntag eine Zeichnung weißer Mäuse, die ich anno 1984 für meine Mutter gefertigt hatte, per E-Mail an einen befreundeten Journalisten verschickt. Aus Gründen, die mir nicht mehr ganz klar sind und möglicherweise im Zusammenhang mit dem Genuss geistiger Getränke standen, versah ich die Mail mit den Worten "Morgen werden diese weißen Mäuse in London eine Atombombe zünden!"

LTO: Und dann?

Foto: Markus Kompa, Fotografin: Dorothee RietzKompa: Nun, da kann man nur mutmaßen. Aber die Mail wurde über Google Mail verschickt, sie muss also über die USA geleitet worden sein. Da ich außerdem viel zum Thema Geheimdienste veröffentliche und die Mail schließlich einige brisante Schlagworte enthielt, ist sie beinahe mit Sicherheit vom britischen Überwachungssystem Tempora erfasst und gespeichert worden – inklusive meines angehängten Kunstwerks.

LTO: Das reicht schon für eine Abmahnung aus?

Kompa: Natürlich. Gemäß § 16 Urheberrechtsgesetz (UrhG) hätten die Briten dafür meiner Zustimmung bedurft, die sie aber nicht hatten. Es gibt zwar in § 45 UrhG eine Ausnahmeregelung für Sachverhalte, in denen die öffentliche Sicherheit tangiert ist, aber das ist hier ja offenkundig nicht der Fall – meine Mäuse hatten nämlich gar keine Bombe und sind auch im Übrigen vollkommen friedfertig. Das GCHQ ist außerdem keine für mich zuständige Behörde. Im Zeitraum von 1955 bis 1968 gab es zwar mal ein bis vor Kurzem noch geheim gehaltenes Gesetz, welches britische Spionage auf deutschem Grund legalisierte, aber das ist längst außer Kraft.

"Vernichtung der Anlagen nach dem UrhG - würde sich beim GCHQ sicher lohnen"

LTO: Und auf welchem Wege fordern Sie Ihr Recht ein?

Kompa: Nun, ich habe die schon erwähnte Abmahnung verschickt, zunächst per E-Mail an jemand anderen, weil ich mir dachte, die kommt so oder so beim englischen Geheimdienst an, inzwischen aber auch ganz formell per Post. Darin setze ich den Government Communications Headquarters (GCHQ) eine Frist bis um 12:00 – high noon – am Freitag zur Abgabe einer Unterlassungserklärung. Meine Kostennote habe ich natürlich auch beigefügt.

LTO: Rechnen Sie denn mit einer Reaktion der Behörde?

Kompa: Sicher, die werden im schwarzen Wagen mit verdunkelten Scheiben vorfahren und mir einen Lederkoffer mit einer, ähem, Unterlassungserklärung in die Hand drücken. Doch mal ganz ehrlich: Ich bezweifle es. Das Thema wird dort intern ein paar Wellen schlagen, aber ich glaube kaum, dass die durch eine Stellungnahme noch mehr Aufmerksamkeit auf sich lenken werden als sie derzeit ohnehin schon bekommen. Was natürlich nicht heißt, dass ich mich so einfach geschlagen gebe.

LTO: Was haben Sie denn als nächstes vor?

Kompa: Ich habe da einen mehrteiligen Aktionsplan im Kopf. Zunächst einmal wird das volle Arsenal des Urhebergesetzes ausgeschöpft, etwa der Auskunftsanspruch aus § 101 UrhG, den man auch gegen im Ausland befindliche Raubkopierer wie das GCHQ geltend machen kann. Neben dem Unterlassungsanspruch aus § 97 UrHG gibt es einen Paragraphen weiter auch noch einen solchen auf Vernichtung der zur unerlaubten Vervielfältigung genutzten Anlagen – das würde sich beim GCHQ sicher lohnen.

Außerdem will ich die großen Verwertungsgesellschaften wie die GEMA, die VG Wort, die VG Bild/Kunst und natürlich die GÜFA (Anm. d. Red.: Verwertungsgesellschaft für erotische und pornographische Filme) auf die Thematik aufmerksam machen. Wenn die für alle Werke, an denen sie die Rechte halten und die von den Briten abgefischt wurden, Zahlungsansprüche geltend machen, dann kommt da sicher eine stattliche Summe zusammen.

"Als abmahnender Urheber hohe Siegeschancen beim LG Hamburg"

LTO: Würden Sie notfalls auch vor Gericht ziehen?

Kompa: Mit Vergnügen sogar, und zwar zu meinen ganz besonderen Freunden am Landgericht Hamburg. Ich habe jedenfalls als Urheber verfügt, dass mein Werk ausschließlich in Hamburg ausgestellt werden darf – das könnte zur Begründung des Gerichtsstands ausreichen. Als abmahnender Urheber sehe ich meine Siegeschancen vor diesem als besonders scharf geltenden Gericht dann als außerordentlich hoch.

LTO: Bislang galten Sie in Fragen des Urheberrechts als Kritiker des Abmahnwesens. Werden Sie bei dieser Aktion nun etwa selbst zum Abmahnanwalt?

Kompa: Keinesfalls. Und jeder, der das Gegenteil behauptet, wird augenblicklich abgemahnt! Damit haben ja schon andere gute Erfahrungen gemacht.

LTO: Um für einen Augenblick mal seriös zu werden: Datenschnüffelei ist ein ernstes Thema, missbräuchliche Abmahnungen ebenfalls. Bagatellisieren Sie nicht beides durch diese Aktion?

Kompa: Wenn man meinen Kampf für die entrechteten Urheber als Satire missverstehen würde, dann wäre auch ein solcher ehrenwert, denn im Gegenteil hat Satire als ein Mittel der politischen Kritik eine gute Tradition. Und gegen Humor und Ironie sind Diktaturen und sogar das Landgericht Hamburg nahezu machtlos. Wie es aussieht, funktioniert die Aktion ganz gut.

"Die Waffen meiner Gegner zueigen gemacht"

LTO: Das heißt?

Kompa: Das heißt, dass es von der Piratenpartei in den letzten Wochen zwar zahlreiche wertvolle Stellungnahmen zur PRISM-Thematik gab, die medial aber kaum aufgegriffen wurden. Ich selbst habe bei einer Demonstration in Berlin gegen Obamas Besuch gesprochen und auf meinem Blog zahlreiche Posts veröffentlicht, aber bis auf eine kleine Gruppe von Leuten, die überwiegend ohnehin schon unserer Meinung sind, kriegt das einfach niemand mit.

Über meine Abmahnung hingegen berichtet nun die BILD, gestern gab es um 17:30 in der gleichnamigen Sat. 1 Sendung einen Beitrag dazu, ich werde wohl auch noch einen eigenen Pressetermin abhalten. Ich habe mir die Waffen meiner Gegner gewissermaßen zu eigen gemacht – und lenke damit Aufmerksamkeit auf zwei gerade für die Piraten wichtige politische und rechtliche Themen. Auch so kann man sich für eine Sache einsetzen. Und nun müssen Sie mich entschuldigen, ich muss mich weiter um meine Mäuse in britischer Gefangenschaft kümmern…

LTO: Herr Kompa, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Markus Kompa ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Urheber- und Medienrecht in Münster und NRW-Listenkandidat der Piraten zur Bundestagswahl 2013.

Die Fragen stellte Constantin Baron van Lijnden.

Zitiervorschlag

Markus Kompa, Pirat mahnt britischen Geheimdienst ab: "Gebt mir meine weißen Mäuse zurück!" . In: Legal Tribune Online, 27.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9024/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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