Bilder von Straftätern: Der schmale Grat zwischen Information und Unterhaltung

Michael Weller

07.12.2010

Die Bebilderung von Artikeln ist ein alltäglicher journalistischer Vorgang. Ist kein Foto verfügbar, bietet sich der Rückgriff auf Archive von Bildagenturen an. Im Fall der Berichterstattung über Straftäter darf Bildmaterial zu der Person selbst allerdings nicht ohne weiteres an Textredaktionen herausgegeben werden – vor allem, wenn der Betreffende in Haft sitzt.

Aktuell verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) den Fall eines im Jahr 1983 zu lebenslanger Haft verurteilten Mannes. Er hatte gegen die Weitergabe von Fotos geklagt, die ihn in den fünfziger und sechziger Jahren zeigen. Herausgegeben wurden die Fotos von den beiden beklagten Agenturen. Das Material diente der Bebilderung eines Artikels in einem Männermagazin, betitelt mit "Die Akte ... Psychogramm eines Jahrhundertmörders". Gegenstand waren die Aufsehen erregenden Taten des Klägers, über die in den 1950er, 60er und frühen 80er Jahren ausführlich berichtet wurde. Der Kläger behauptet, in seinem Recht am eigenen Bild verletzt zu sein, die Beklagten berufen sich auf die Pressefreiheit.

In erster Instanz war der Kläger vor dem Landgericht (LG) Frankfurt mit seinem Unterlassungsbegehren gescheitert (Urt. v. 17.04.2008, Az. 2/3 O 129/07, 2/3 O 90/07). In der Berufung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte der Häftling Erfolg (Urt. v. 23.12.2008, Az. 11 U 22/08, 11 U 21/08). Das OLG erkannte in der Weitergabe der Fotos durch die Agenturen eine Verbreitungshandlung im Sinne von § 22 Kunsturhebergesetz (KUG).

Die Herausgabe der Fotos sei 25 Jahre nach der letzten Tat nicht mehr durch ein allgemeines Informationsinteresse der Öffentlichkeit gem. § 23 KUG gedeckt. Die Agentur hätte daher die Fotos nur mit Zustimmung des Häftlings weiterreichen dürfen. Nun liegt die Frage zur Entscheidung dem BGH vor.

Sonderstatus bei "Personen der Zeitgeschichte"

Der Streit wird verständlich, betrachtet man die grundsätzliche Pflicht eines Journalisten, sich vor Veröffentlichung eines Fotos der Zustimmung der abgebildeten Person zu versichern. Denn gem. § 22 KUG dürfen Fotos nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet und zur Schau gestellt werden.

Dies gilt sogar noch dann, wenn der Abgebildete vor weniger als zehn Jahren verstorben ist. In solchen Fällen muss vor einer Veröffentlichung - wie hier in einem Magazin - Kontakt zu den Angehörigen des verstorbenen Abgebildeten aufgenommen werden, um deren Einwilligung einzuholen. Im Gegensatz hierzu ist das bloße Anfertigen eines Fotos regelmäßig von der Informationsfreiheit gedeckt und daher erlaubt.

Es gibt jedoch auch Fälle, in denen zur Verbreitung von Fotos die ausdrückliche Einwilligung des Abgebildeten nicht erforderlich ist. So gilt im Zweifel eine Einwilligung als erteilt, wenn der Betreffende für das Foto entlohnt wurde. Aber auch gänzlich ohne Einwilligung ist es möglich, Bilder von Personen zu verwenden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn es sich – was auch im aktuellen BGH-Fall von den Agenturen behauptet wird – um Fotos aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Als zeitgeschichtliche Ereignisse gelten alle gegenwärtigen Erscheinungen, die von der Öffentlichkeit beachtet werden. Es muss sich um einen Gegenstand des politischen, sozialen, wirtschaftlichen oder kulturellen Lebens handeln, der von weiteren Kreisen der Allgemeinheit wissbegierig verfolgt wird.

Vorübergehende Öffentlichkeit kann Informationsinteresse begründen

Die Einwilligung der fotografierten Person ist nicht erforderlich, wenn es sich um jemanden handelt, der zumindest zeitweilig im Blickfeld eines Teils der Öffentlichkeit steht und die Allgemeinheit ein Informationsinteresse hat. Hier wird weiter nach absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte differenziert. Absolute Personen der Zeitgeschichte sind beispielsweise Politiker, Staatsoberhäupter und amtierende Monarchen, Repräsentanten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie Künstler und Sportler. Sie stehen ständig im Scheinwerferlicht und müssen deshalb nicht bei jeder Veröffentlichung, die im Zusammenhang mit ihrer Funktion steht, um ihre Einwilligung angegangen werden.

Eine Grenze ist dort zu ziehen, wo sich Prominente ins Private zurückziehen und die Öffentlichkeit erkennbar ausschließen wollen, um sich einen inneren privaten und intimen Bereich zu sichern.

Als relative Personen der Zeitgeschichte gelten diejenigen, die lediglich vorübergehend ins Rampenlicht treten und das Interesse einer breiten Öffentlichkeit wecken.  Die Verbreitung eines Fotos solcher Personen ist solange zulässig, wie ein Informationsinteresse oder ein Erinnerungsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Das öffentliche Interesse muss aber das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten überwiegen.

Aktuelle Interessen von inhaftierten Straftätern dürfen nicht verletzt sein

Ein Straftäter, der durch seine Straftat die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zieht, wird als relative Person der Zeitgeschichte zu gelten haben. Fotos, die ihn zeigen, dürfen daher nur dann weitergegeben werden, wenn es einen aktuellen Anlass gibt, der diese Weitergabe rechtfertigt. Dies liegt zum Beispiel bei Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der Strafverfolgung auf der Hand.

Aber auch noch danach, wenn der Täter sich in Haft befindet, mag es Anlässe geben, die eine Veröffentlichung eines Fotos des Häftlings rechtfertigen. Dass der Abgebildete wieder ins Rampenlicht rückt, muss nicht unbedingt am Ausgangsereignis festgemacht werden, mit dem er erstmalig auf sich aufmerksam gemacht hat. Allerdings dürfen dann überwiegende aktuelle Interessen des Abgebildeten, wie zum Beispiel ein Resozialisierungsinteresse nicht verletzt werden.

Das Verfassen eines Artikels, um ein Publikum lediglich zu unterhalten, genügt diesen Anforderungen nicht. Vielmehr muss es ein Ereignis in der Gegenwart geben, das ein Zurückgreifen auf Geschehnisse der Vergangenheit erforderlich macht. Solche Artikel dürfen dann auch entsprechend bebildert werden. Im aktuellen Fall vor dem BGH ist ein solches aktuelles Ereignis, auf das sich der Redakteur des Männermagazins in seinem Artikel bezogen hat, von den Vorinstanzen nicht festgestellt worden. Eine Verwendung der Fotos ist daher wohl unzulässig.

Der Autor Michael Weller ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Europäischen EDV-Akademie des Rechts gGmbH in Merzig/Saar. Er ist unter anderem für das Projekt remus – Rechtsfragen von Multimedia und Internet in Schule und Hochschule zuständig, in dessen Rahmen immer wieder zu Fragen der Zulässigkeit der Veröffentlichung von Fotos und identifizierenden Berichten in Zeitungen, Zeitschriften oder im Internet Stellung zu nehmen ist.

Zitiervorschlag

Michael Weller, Bilder von Straftätern: Der schmale Grat zwischen Information und Unterhaltung . In: Legal Tribune Online, 07.12.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2101/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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