BGH zu Sondertilgungsrecht bei Kreditverträgen: Kre­di­t­auflöse ohne Ablöse

von Dr. Jochen Strohmeyer

20.01.2016

Sondertilgungsrecht schlägt Vorfälligkeitsentschädigung

Sondertilgungsrechte führen jedoch dazu, dass der Kunde einen Teil des Darlehens, meist drei Prozent, fünf Prozent oder seltener auch 10 Prozent pro Kalenderjahr gewissermaßen "außer der Reihe" kompensationsfrei zurückzahlen darf.

Der BGH hatte zu entscheiden, ob die Vorfälligkeitsentschädigung bei einer solchen Vereinbarung auch dann in voller Höhe fällig ist, wenn der Kunde bis zum Ende der Zinsfestschreibung noch von seinem Sondertilgungsrecht hätte Gebrauch machen könnte.

Der BGH hat diese Frage richtigerweise bejaht. Denn – so das maßgebliche Argument der Richter– als Vorfälligkeitsentschädigung könne die Bank neben ihrem erhöhten Verwaltungsaufwand nur den Zinsschaden für ihre rechtlich geschützte Zinserwartung ersetzt verlangen §490 Abs.2, Satz 3 BGB. Gewähre die Bank dem Kunden aber ein Sondertilgungsrecht, dann gebe sie damit von vornherein ihre rechtlich geschützte Zinserwartung in Höhe des Sondertilgungsrechts auf.

Um diese Folgen auszuschließen, hatten diverse Kreditinstitute – wie auch in dem vom BGH entschiedenen Fall - in der Vergangenheit zunehmend versucht, ihren Kunden zwar Sondertilgungsrechte einzuräumen, sie zugleich jedoch in einer weiteren Vertragsklausel begrenzt. Sie hatten festgeschrieben, dass diese Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung im Falle der außerplanmäßigen Kündigung des Darlehens nicht zugunsten der Kunden zu berücksichtigen seien.

So geht’s nicht – Klausel ist nichtig

Diesem Gebaren hat der BGH nun eine Absage erteilt. Vereinbarter Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung generell nicht zu berücksichtigen, führe zu einer Überkompensation der Bank. Die Klausel sei deshalb mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 490 BGB unvereinbar und damit nichtig.

Nach ersten Äußerungen der Kreditwirtschaft seien die Auswirkungen des Gerichtsverfahrens nicht gravierend. Dies dürfte jedoch nicht flächendeckend zutreffen. Die Gewinnmargen der Kreditinstitute im Kreditgeschäft stehen bereits seit vielen Jahren unter starkem Druck. Der zunehmende Marktanteil der Direktbanken hatte viele Kreditinstitute überhaupt erst veranlasst, ihren Kunden ebenfalls Sondertilgungsrechte einzuräumen - zur Wiederherstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit im Verhältnis zu den Direktbanken. Das Urteil des BGH erhöht nun den Druck auf die Margen im Kreditgeschäft weiter. Gerade kleineren Instituten erschwert es diese Entwicklung dauerhaft tragender Geschäftsmodelle.

Kunden hingegen bringt das Urteil Sicherheit, dass einmal ausgehandelte Sondertilgungsrechte seine Kreditlast auch dann senken, wenn es zu einer planwidrigen, vorzeitigen Kündigung des Darlehens kommt. Den Kunden ist auch im Hinblick auf die begrenzte Planbarkeit der Zukunft vor der Unterzeichnung eines Kreditvertrags zu raten, zukünftig noch genauer auf die Gewährung von Sondertilgungsrechten zu achten.

Der Autor Dr. Jochen Strohmeyer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Partner bei mzs Rechtsanwältein Düsseldorf. Er ist zudem Pressesprecher der "Arbeitsgemeinschaft Jetzt-widerufen!", einem Zusammenschluss von deutschen Rechtsanwälten und Kanzleien, die sich teils seit Jahren mit der Thematik des Widerrufs von Immobiliendarlehen befassen.

Zitiervorschlag

Dr. Jochen Strohmeyer, BGH zu Sondertilgungsrecht bei Kreditverträgen: Kreditauflöse ohne Ablöse . In: Legal Tribune Online, 20.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18201/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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