Bayern klagt wieder gegen den Länderfinanzausgleich: Viel Sympathie – wenig Erfolgsaussichten

von Prof. Dr. Ulrich Häde

18.07.2012

Die Drohung ist nicht neu, aber nun will Bayern ernst machen und erneut gegen den Länderfinanzausgleich vor das BVerfG ziehen. Der Anteil des Freistaats an dessen Finanzierung ist in den letzten Jahren gestiegen, nun will man Entlastung. Die Forderung ist verständlich – und Karlsruhe wird sie dennoch einmal mehr nicht erfüllen können, meint Ulrich Häde.

Die Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen finanzieren seit vielen Jahren den Länderfinanzausgleich. Wenn die geforderte Entlastung nicht in Verhandlungen zu erreichen ist, will man sie vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erzwingen.

Der Länderfinanzausgleich ist ein Umverteilungssystem. Die finanzkräftigeren Länder zahlen Ausgleichsbeiträge. Daraus erhalten die finanzschwächeren Länder Ausgleichszuweisungen. 2011 betrug das Umverteilungsvolumen rund 7,3 Milliarden Euro. Allein Bayern zahlte davon 3,6 Milliarden Euro. Und wenn die Empfängerländer ihren Bürgern dann auch noch Wohltaten wie ein kostenloses Kindergartenjahr gönnen oder auf Studiengebühren verzichten, was man sich in Bayern nicht leisten kann oder will, dann wächst – gut nachvollziehbar - der Ärger. Schon seit Jahren drohen die Südländer deshalb mit dem BVerfG.

So verständlich das ist, so wenig Aussicht auf Erfolg dürfte ein Normenkontrollantrag gegen das Finanzausgleichsgesetz aber haben. Karlsruhe hat schon mehrfach über den Länderfinanzausgleich entschieden. Das letzte Urteil erging 1999. Danach gab es kleinere Änderungen. Das System des Finanzausgleichs blieb aber unangetastet. Deshalb bleiben auch die alten Probleme erhalten.

Einwohnerveredelung in den Stadtstaaten

Zu den Streitpunkten gehört die Einwohnerveredelung. Damit ist gemeint, dass die Einwohner der Stadtstaaten nicht mit 100, sondern mit 135 Prozent gewertet werden. Da sich der Ausgleich auf die Einnahmen pro Einwohner bezieht, führt die künstliche Vergrößerung der Einwohnerzahlen von Berlin, Bremen und Hamburg zu erheblichen Vorteilen für diese Länder.

Berlin hätte ohne die Stadtstaatenwertung 2011 nicht 3 Milliarden, sondern nur knapp 600 Millionen Euro Ausgleichszuweisungen bekommen. Und Hamburg hätte nicht nur 61 Millionen Ausgleichsbeiträge zahlen müssen, sondern 1,3 Milliarden Euro. Möglicherweise wird diese Regelung deshalb einen der Hauptangriffspunkte darstellen.

Problematisch ist auch die Anreizwirkung des Länderfinanzausgleichs. Wer weiß, dass seine Mindereinnahmen zu 44 bis 75 Prozent ausgeglichen werden, der könnte es an Ehrgeiz, mehr Einnahmen zu erzielen, fehlen lassen. Und ein Land wird es sich zweimal überlegen, teure Steuerfahnder einzustellen, wenn deren Erfolge zum überwiegenden Teil anderen Ländern zugute kommen. Allerdings gibt es andere Gründe wie zum Beispiel die Schaffung von Arbeitsplätzen, warum sich Landespolitiker um die Ansiedlung von Unternehmen bemühen. Deshalb darf man die mangelnde Anreizwirkung des Finanzausgleichssystems auch nicht überbewerten.

Geändert hat sich wenig

Wer Anreize fordert, setzt in der Regel auf Wettbewerb. Die Ausgangsbedingungen gerade der ostdeutschen Länder sind aber eher schlecht. Sie erreichen nach wie vor nur etwa 60 Prozent der durchschnittlichen Steuerkraft. Gleichzeitig haben alle Länder aufgrund der bundesgesetzlichen Vorgaben in vielen wichtigen Bereichen dieselben Aufgaben und deshalb prinzipiell auch ähnlich hohe Ausgaben.

Selbst wenn die Herstellung bundesweit gleichwertiger Lebensbedingungen kein ausdrücklicher Verfassungsauftrag ist, besteht doch faktisch-politisch und teilweise auch rechtlich über den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ein erheblicher Druck in diese Richtung. Es würde dieser besonderen Prägung des deutschen Föderalismus widersprechen, allzu große Unterschiede zuzulassen. Deshalb schreibt das Grundgesetz in Art. 107 Abs. 2 einen angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft zwingend vor. Diesen Ausgleich wird es auch in Zukunft geben müssen.

Im Jahr 2001 einigten sich der Bund und alle Länder einmütig auf den so genannten Solidarpakt II. Er sollte insbesondere den nach wie vor bestehenden teilungsbedingten Nachholbedarf der ostdeutschen Länder finanzieren. Damals wurde vereinbart, dass der Finanzausgleich für die Zeit von 2005 bis Ende 2019 gelten sollte. Seither hat sich nichts so Wesentliches geändert, das es rechtfertigen könnte, den Solidarpakt vorzeitig aufzukündigen. Es ist und bleibt Aufgabe der Politik, rechtzeitig vor 2019 einen neuen Finanzausgleich zu schaffen. Der Weg nach Karlsruhe würde diesen Prozess nicht beschleunigen, sondern wäre eher ein Umweg.

Der Autor Prof. Dr. Ulrich Häde ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungsrecht, Finanzrecht und Währungsrecht an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Er vertrat in dem Verfahren, das zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1999 führte, das Land Brandenburg.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Ulrich Häde, Bayern klagt wieder gegen den Länderfinanzausgleich: Viel Sympathie – wenig Erfolgsaussichten . In: Legal Tribune Online, 18.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6641/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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