52. Verkehrsgerichtstag: Gläserner Passagier im eigenen Auto

Mit dem 52. Verkehrsgerichtstag beginnt am Mittwoch in Goßlar erneut die größte deutsche Jahrestagung im Verkehrsrecht. Auf dem Programm stehen unter anderem "rätselhafte" Unfälle, grenzüberschreitende Knöllcheneintreibungen und der Pkw, der längst ein mobiles Büro ist. Mit allen Daten, die dazu gehören.

Wenn die vergangenen Monate eines eindrucksvoll gelehrt haben, dann dieses: Wo Daten von A nach B gesendet werden, besteht die gar nicht mal so geringe Wahrscheinlichkeit, dass diese Daten zu Zwecken verwendet werden, die zumindest A sich nicht hätte träumen lassen. "Das gilt nicht nur für Handy und Internet, sondern auch für den eigenen PKW, der sich vom reinen Fortbewegungsmittel zusehends mehr in ein mobiles Büro verwandelt", sagt der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Dr. Thilo Weichert, der auf dem 52. Verkehrsgerichtstag einen Vortrag zum Thema "Wem gehören die Fahrzeugdaten?" hält.

Autos, so Weichert, zeichnen inzwischen eine Vielzahl von Daten auf. Dazu gehören nicht nur Werte zum Zustand des Fahrzeugs, durchgeführten Wartungen usw., sondern auch persönliche Informationen wie etwa die gefahrenen Routen, getätigte Telefonate, über den Bordcomputer besuchte Webseiten und dergleichen mehr. Diese Daten wiederum können an eine Vielzahl von Akteuren gelangen: Händler und Werkstätten etwa, welche die Geräte auslesen, aber auch Softwarehersteller und Portalanbieter, denen bestimmte Informationen automatisch zugesendet werden, oft ohne Wissen der Fahrer.

"Das Thema Datenschutz ist daher bei PKW inzwischen ähnlich brisant wie am privaten Rechner", findet Weichert. "In rechtlicher Hinsicht sind vor allem das elemedien- und das Bundesdatenschutzgesetz von Bedeutung,  wobei viele Fragen im Detail nicht geklärt sind". Einiger davon nimmt sich Weichert im Zuge seiner Präsentation an, bei der er etwa das Prinzip der "Datensparsamkeit" als Möglichkeit zur Begrenzung des Datenflusses vorstellt: Danach soll "Privacy by Default" gelten, also die Grundhaltung, dass Daten im Zweifel privater Natur sind. Datenverarbeitung soll, so weit möglich, in ano- oder pseudonymer Form in der KFZ-internen "Black Box" stattfinden; wo eine Übermittlung an Dritte nötig ist, sollen die Daten frühestmöglich nach der Verarbeitung wieder gelöscht werden.

Rätselhafte Verkehrsunfälle – Möglichkeiten und Grenzen der Aufklärung

Doch während moderne Technik im PKW datenschutzrechtliche Bedenken aufwirft, könnte sie an anderer Stelle womöglich zur Klärung schwer ermittelbarer Sachverhalte beitragen. Solche werden beim Verkehrsgerichtstag unter der Überschrift "Rätselhafte Verkehrsunfälle und strafprozessuale Aufklärungspflicht" thematisiert.

In den überwiegend von Praktikern gehaltenen Vorträgen zu dem Thema geht es um Möglichkeiten und Grenzen strafprozessualer Ermittlungen bei scheinbar anlasslosen Verkehrsunfällen. In Betracht kommen in solchen Situationen etwa plötzlich akut werdende, geistige oder körperliche Defizite eines der beteiligten Fahrer, zum Beispiel eine Epilepsie. In die Aufklärungsarbeit fließen juristische ebenso wie rechtsmedizinische und kriminalistische Erwägungen mit ein.

Knöllchen ohne Grenzen

Nicht um die Aufklärung von Fehlverhalten, sondern um die Vollstreckung bereits verhängter Bußgelder geht es beim Arbeitskreis "Grenzüberschreitende Vollstreckung von Sanktionen in der EU". Diese ist, soweit es um Geldstrafen geht, durch einen Rahmenbeschluss der EU geregelt, welcher von allen Mitgliedstaaten außer Italien, Griechenland und Irland auch in nationales Recht übersetzt wurde. Wer also im Ausland falsch parkt, kann dafür im eigenen Heimatstaat – notfalls gerichtlich – belangt werden.

Das System krankt in der Praxis jedoch an einigen Problemen. So müssen Vollstreckungsersuchen in die Sprache des jeweils betroffenen Landes übersetzt werden, was einigen Aufwand und Kosten bedeutet. Die durch die Vollstreckung eingetriebenen Beträge werden zudem nicht etwa an denjenigen Staat überwiesen, der die Vollstreckung beantragt hat, sondern verbleiben beim vollstreckenden Staat. Somit muss ein kompliziertes Verfahren betrieben werden, um einen vergleichsweise geringen Betrag einzutreiben, der obendrein nicht einmal demjenigen zukommt, der den Prozess in Gang gesetzt hat. Wenig überraschenderweise bleibt die Zahl der Vollstreckungsersuchen daher zum Teil deutlich hinter dem zurück, was rein statistisch zu erwarten wäre.

Neben den drei exemplarisch vorgestellten Arbeitskreisen sind beim Verkehrsgerichtstag noch zahlreiche weitere vertreten, namentlich zum "Problemfeld Schmerzensgeld", zur "Sachmängelhaftung und Garantie beim Autokauf", zur "Fahreignung und MPU", zur "Einhaltung von Sicherheits- und Umweltvorschriften auf See", sowie zur Frage "Gesetzlich unfallversichert – Fluch oder Segen?".

Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden, 52. Verkehrsgerichtstag: Gläserner Passagier im eigenen Auto . In: Legal Tribune Online, 29.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10813/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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