Klimaklage am LG Detmold: Kann ein Bio­bauer VW zu einem Ver­b­renner-Ende zwingen?

06.09.2022

Was tun, um den Klimawandel zu bremsen? Ein Biobauer aus NRW zog vor Gericht, damit Volkswagen mehr Tempo macht auf seinem CO2-Vermeidungskurs. Im Mai hatte das LG Detmold Skepsis erkennen lassen. Nun zeigt sich, wie es weitergeht.

In einem Klimaschutz-Streit zwischen einem Biobauern und dem Autokonzern Volkswagen (VW) stellt das Landgericht (LG) Detmold am Freitag die Weichen, wie es weitergeht. Der Landwirt aus Detmold fordert von dem Konzern, den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotoren in diesem Jahrzehnt drastisch runterzufahren und 2030 ganz einzustellen. Der 62-jährige Ulf Allhoff-Cramer sieht VW als zweitgrößten Autokonzern der Welt mitverantwortlich dafür, dass er im Zuge des Klimawandels erhebliche Schäden erlitten und eine schwere Zukunft vor sich hat. Greenpeace unterstützt die Klage (Az. 01 O 199/21).

VW weist die Vorwürfe zurück und hat eine Klageabweisung beantragt. In einer Erwiderungsschrift argumentieren die Anwälte von VW, dass die Verfassung "keine individuelle Haftung für die diffusen Distanz- und Summationsschäden des Klimawandels" gebiete. Zudem betonen die Anwälte, dass die Nutzung der Fahrzeuge nicht im Einflussbereich von VW stattfinde, "sondern in der Verantwortung und unter dem bestimmenden Einfluss der Fahrer und Halter der Fahrzeuge". Nur etwa ein Prozent der Emissionen, die bei der Produktion und Nutzung entstehen, entstammten aus Quellen, die "von einem Konzernunternehmen kontrolliert werden".

VW: Rechtsgutbeeinträchtigungen "völlig unabsehbar"

Mit Unverständnis reagieren die VW-Anwälte darauf, dass sich der Bauer in der Klage auf seine düstere Geschäftsperspektive bezieht. "Die Erwartung großflächiger Dürreperioden [...] etwa sagt nichts darüber aus, ob überhaupt, wann und in welchem Umfang hierdurch konkret die [...] Grundstücke des Klägers betroffen sind". Die konkreten Folgen des Klimawandels ließen sich nicht auf kleinräumige Bereiche vorhersagen. Es sei heute "völlig unabsehbar, in welcher konkreten Form - wenn überhaupt - es zu einer Rechtsgutbeeinträchtigung kommen könnte", schreiben die VW-Anwälte.

Greenpeace hält die Argumentation von VW hingegen für irreführend und falsch. Der Autokonzern müsse sich endlich seiner Verantwortung stellen und den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor schnellstmöglich einleiten und umsetzen, sagt Greenpeace-Fachmann Benjamin Stephan. "Es ist erschreckend, wie VW argumentiert."

Eine VW-Sprecherin wiederum betonte Fortschritte in der Elektromobilität. "Angesichts der fortschreitenden Erderwärmung setzt Volkswagen konsequent auf batterieelektrische Fahrzeuge." Aus Sicht des Klägers und der Umweltschützer reicht das aber nicht – die VW-Argumentation vor Gericht stehe im Widerspruch zum Image eines ökologischen Vorreiters, das VW in der Öffentlichkeit suche.

LG äußerte zahlreiche rechtliche Bedenken

Beim Verfahrensauftakt im Mai hatten der klagende Landwirt und damit auch die Umweltschutzorganisation einen schweren Stand. Wie LG-Sprecher Dr. Wolfram Wormuth im Anschluss LTO gegenüber mitteilte, habe die Zivilkammer der Klägerseite diverse rechtliche Hinweise gegeben, die nicht auf einen Erfolg des Landwirtes hindeuten. Etwa, dass dieser VW über zwei DIN-A4 Seiten minutiös habe vorschreiben wollen, welche Maßnahmen der Konzern zu ergreifen habe, um sich rechtmäßig zu verhalten. Das Gericht habe hier deutlich gemacht, dass dies allein Sache von VW wäre.

Auch habe das Gericht moniert, dass der Bio-Bauer wohl nicht hinreichend dargelegt hätte, inwieweit er durch das Verhalten des Autobauers aktuell beeinträchtigt sei. Auch Fragen der Kausaltät würden sich stellen: Ist VW verantwortlich oder sind es auch die Konzerntöchter, wie z.B. Audi?

Die von der Umweltorganisation Greenpeace unterstützte Landwirt hatte sich in seiner Klage auch auf den vielen als bahnbrechend bewerteten Klimabeschluss des BVerfG bezogen. Seine Argumentation: VW beeinträchtige ihn durch die klimabezogenen Folgen seiner Geschäftstätigkeit in zentralen Rechtsgütern wie Eigentum, Gesundheit und dem Recht auf Erhalt treibhausgasbezogener Freiheit. Dieses Recht, so bemerkte die Kammer allerdings jetzt, stelle aus ihrer Sicht kein "sonstiges Recht" im Sinne von § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar, in dem der Landwirt verletzt sein könnte. Im Übrigen sei es fraglich, ob VW zu einem Unterlassen aufgefordert werden könne, obwohl der Konzern sich rechtmäßig verhalte. Nicht das Gericht könne den Autobauer zu mehr Klimaschutz anhalten, sondern nur der Gesetzgeber.

Greenpeace: VW kann Treibhausimmissionen verhindern

Man sei den Hinweisen, die das Gericht erteilt habe, nachgekommen und habe Bedenken ausgeräumt, sagte die Anwältin des Klägers, Roda Verheyen, im Vorfeld des Gerichtstermins. Sie gehe daher davon aus, dass es am Freitag kein abweisendes Urteil gebe, sondern, dass es weitergehe mit dem Verfahren. Ein Sprecher des Gerichts sagte der dpa, es sei "überwiegend wahrscheinlich", dass die Kammer wegen der neuformulierten Anträge wieder in die mündliche Verhandlung eintreten und einen neuen Verhandlungstermin anberaumen werde.

Verheyen ist weiterhin davon überzeugt, dass der Landwirt Ansprüche gegen VW geltend machen kann. Der Autobauer führe eine Konzernausrichtung und -strategie, die auf objektiv unzureichende und damit den Kläger schädigende Klimaziele gerichtet sei, heißt es in der Replik, die Greenpeace veröffentlicht hat. VW habe es in der Hand, einen staatengleichen Beitrag zur Verhinderung von Treibhausgasemissionen zu leisten, indem er sein Fahrzeugportfolio ändere.

Aus Sicht von Greenpeace könne VW seine Verantwortung auch nicht auf die Autofahrer abwälzen. Ein Dazwischentreten Dritter könne einen Kausalzusammenhang nur unterbrechen, wenn auf das Vorverhalten vollkommen unverständlich reagiert werde. Hiervon könne beim Fahren gekaufter Pkw aber nicht die Rede sein.

Weitere Klimaklagen anhängig

Vor den Gerichten sind weitere Klimaklagen anhängig. Vor dem LG Braunschweig vertritt Verheyen zudem die Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser und Roland Hipp sowie  Klima-Aktivistin Clara Mayer bei ihrer Klage gegen VW. "Auch sie fordern VW auf, den Verkauf von Verbrennern bis 2030 zu beenden." In Stuttgart und München sind zudem Klimaklagen der Deutschen Umwelthilfe gegen die "CO2-Großemittenten" Mercedes und BMW anhängig.

Daneben läuft ebenfalls noch ein Verfahren gegen den Energiekonzern RWE in zweiter Instanz beim Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Ein peruanischer Bauer, der auch zu den Mandanten von Verheyen zählt, sieht sich wie Allhoff-Cramer von den Folgen des Klimawandels bedroht und klagte. Das LG Essen hatte einen zivilrechtlichen Anspruch in der ersten Instanz noch abgelehnt.

mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

Klimaklage am LG Detmold: Kann ein Biobauer VW zu einem Verbrenner-Ende zwingen? . In: Legal Tribune Online, 06.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49541/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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