Völkermord-Verfahren vor dem IGH: Deut­sch­land will Israel als Dritt­partei bei­stehen

15.01.2024

Südafrika wirft Israel vor dem IGH vor, Völkermord an den Palästinensern zu begehen. Nun plant Deutschland eine Nebenintervention als Drittpartei. Damit will sich die Bundesregierung an die Seite Israels stellen.

Die Bundesregierung plant, sich in dem von Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) angestrengten Völkermord-Verfahren klar an die Seite Israels zu stellen. Konkret beabsichtigt Deutschland, vor dem IGH als Drittpartei aufzutreten. Die ausführlichen Hintergründe und wie es zu dem Verfahren kam, hat Dr. Franziska Kring für LTO aufgeschrieben.

 "Wir wissen, dass verschiedene Länder die Operation Israels im Gazastreifen unterschiedlich bewerten. Den nun vor dem Internationalen Gerichtshof gegen Israel erhobenen Vorwurf des Völkermords weist die Bundesregierung aber entschieden und ausdrücklich zurück", erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. "Dieser Vorwurf entbehrt jeder Grundlage."

Hebestreit sagte, die Bundesregierung beabsichtige, auch vor Gericht entsprechend Stellung zu beziehen, wenn es zu einer Hauptverhandlung kommt. "Die Bundesregierung intendiert, in der Hauptverhandlung als Drittpartei zu intervenieren", erklärte er.

Für die geplante Nebenintervention sieht das IGH-Statut zwei Konstellationen vor, wobei Prof. Dr. Christian Walter (Lehrstuhlinhaber für Völkerrecht und Öffentliches Recht an der LMU München) in einem schon vor der Ankündigung der Bundesregierung erschienenen Beitrag im Verfassungsblog erklärt, dass vorliegend wohl nur Art. 63 Abs. 2 IGH-Statut in Betracht kommt. Wenngleich Entscheidungen des IGH nur bilaterale Wirkung für den betreffenden Einzelfall entfalten, wohne der Auslegung multilateraler Verträge doch eine hohe Präzedenzwirkung inne, erläutert Walter. Deshalb könnten sich andere Staaten auch ohne besonderes rechtliches Interesse an Verfahren beteiligen.

Die andere Konstellation betrifft nach Art. 62 Abs. 1 IGH-Statut den Fall, dass sich der intervenierende Staat durch ein laufendes Verfahren in seinem eigenen rechtlichen Interesse berührt sieht. Dies anzunehmen, ist aus Walters Sicht trotz der besonderen historischen Verbindungen zwischen Deutschland und Israel eher fernliegend.

Bundesregierung sieht besondere Verantwortung Deutschlands

Hebestreit begründete das geplante Vorgehen der Bundesregierung mit der deutschen Geschichte und der besonderen Verantwortung Deutschlands für Israel. Angesichts des von den Nazis verübten Menschheitsverbrechens des Holocaust sehe sich die Bundesregierung der Konvention gegen Völkermord besonders verbunden. "Diese Konvention ist ein zentrales Instrument des Völkerrechts, um das 'Nie wieder!' umzusetzen. Einer politischen Instrumentalisierung treten wir entschieden entgegen", betonte der Hebestreit.

Ferner verwies er auch darauf, dass am 7. Oktober 2023 Terroristen der Hamas "unschuldige Menschen in Israel brutal überfallen, gequält, getötet und entführt" hätten. "Das Ziel der Hamas ist es, Israel auszulöschen. Israel verteidigt sich seitdem gegen den menschenverachtenden Angriff der Hamas." Seit nunmehr über 100 Tagen befinden sich immer noch 132 Geiseln in der Gewalt von Terroristen.

Netanyahu bedankt sich bei Scholz

Israel muss sich seit vergangenem Donnerstag erstmals wegen des Vorwurfs des Völkermords vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag verantworten. Südafrika hatte Israel Ende 2023 verklagt, weil es in der militärischen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen einen Verstoß gegen die UN-Völkermordkonvention sieht. Zuvor hatte sich Südafrika völkerrechtlich bereits wiederholt unter anderem an die Seite Russlands gestellt und verfolgt mit dem Verfahren wohl auch politische Ziele, wie der Bonner Völkerrechtler Prof. Dr. Matthias Herdegen auf X analysiert.

Israel weist den Vorwurf entschieden zurück. Ausgehend von seinem Selbstverteidigungsrecht sei Israel im Krieg mit der Hamas, nicht mit dem palästinensichen Volk, so der israelische Standpunkt vor dem IGH. Das israelische Ziel sei "eine bessere Zukunft für Israelis und Palästinenser", in der das palästinensische Volk in der Lage sein solle, "sich selbst zu regieren", allerdings ohne eine Bedrohung für Israel darzustellen.

Für die Absichtserklärung, zugunsten Israels als Drittpartei aufzutreten, sprach der israelische Premierminister Netanyahu dem Bundeskanzler Olaf Scholz seinen Dank aus.

jb/LTO-Redaktion

mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

Völkermord-Verfahren vor dem IGH: Deutschland will Israel als Drittpartei beistehen . In: Legal Tribune Online, 15.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53630/ (abgerufen am: 29.04.2024 )

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