Hessischer VGH zu Corona-Ladenschließungen: 800-Quad­r­at­meter-Kri­te­rium recht­mäßig

29.04.2020

Karstadt Kaufhof wehrt sich gegen das Verkaufsverbot für große Geschäfte, scheiterte nun aber vor dem VGH Hessen. Der Handel hofft nun auf eine länderübergreifende Regelung, denn die Gerichte in den Bundesländern entscheiden unterschiedlich.

Große Geschäfte in Hessen müssen wegen der Corona-Pandemie weiterhin geschlossen bleiben oder ihre Ladenfläche reduzieren. Der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat am Mittwoch eine entsprechende Regelung des Landes bestätigt und einen Eilantrag der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH abgewiesen (Beschl. v. 28.04.2020 Az. 8 B 1039/20.N).  

Es erscheine "seuchenrechtlich geboten und damit sachlich gerechtfertigt", großen Warenhäusern - ebenso wie dem sonstigen Einzelhandel - nur die Öffnung einer Verkaufsfläche von höchstens 800 Quadratmetern zu gestatten, haben die Kasseler Richter entschieden. Der Gesundheitsschutz rechtfertige die getroffenen Maßnahmen und stehe auch mit dem Gleichheitssatz im Einklang. Der Beschluss ist unanfechtbar.  
 
Mitte April hatte Hessen die Corona-Beschränkungen für den Handel gelockert. Bisher geschlossene Läden mit einer Verkaufsfläche bis 800 Quadratmeter durften wieder aufmachen, unabhängig von der Ladengröße auch Kfz-Händler, Fahrradhändler und Buchhandlungen. Karstadt Kaufhof betreibt in Hessen 25 Warenhäuser mit größerer Fläche und zog daher vor Gericht. Das Unternehmen hatte dabei auf die massiven Einnahmeausfälle verwiesen.
 
Die Kasseler Richter sehen in der Regelung zwar einen "nicht unerheblichen Eingriff in die durch das Grundgesetz gewährleistete Berufsausübungsfreiheit". Dieser sei jedoch gerechtfertigt und  verhältnismäßig: Von großen Warenhäusern gehe eine deutlich größere Anziehungskraft aus, wodurch mehr Menschen in die Innenstädte gelockt würden.

Unterschiedliche Einschätzungen in den Bundesländern 

Zu der 800-Quadratmeter-Beschränkung hat es bundesweit sehr unterschiedliche Entscheidungen gegeben: In Bayern war sie für verfassungswidrig erklärt, in Niedersachsen und dem Saarland bestätigt worden. 

Der Bayersiche Verfassungsgerichtshof (BayVGH) hatte am Montag in einem Eilverfahren entschieden, dass die Verkaufsflächenregelung nicht dem Gleichheitsgrundsatz gerecht werde (Beschl. v. 27.4.2020, Az. 20 NE 20.793). Der BayVGH setzte die Vorschrift wegen der Pandemie-Notlage jedoch "ausnahmsweise" nicht außer Kraft.

Anders sah das der dritte Senat des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt, der ebenfalls am Montag einen Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der Schließungsanordnung abgelehnt hatte (Beschl. v. 27.04.2020 Az. 3 R 52/20). Begründet hatte der Senat dies damit, dass die geltenden Flächenbeschränkungen eine notwendige infektionsschutzrechtliche Maßnahme darstellten. Um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen, hatte sich das Gericht auch hier auf die größere Anziehungskraft, die von großflächigen Einzelhandelsgeschäften ausgehe, berufen. 

Zuvor hatte dies bereits das Oberveraltungsgericht Bremen unter Berufung auf das Baurecht ebenfalls so gesehen und in diesem Zusammenhang mehrere Eilanträge abgewiesen. 

Bundeseinheitliche Regelung? 

"Unabhängig von der heutigen Entscheidung des VGH erwarten wir ein positives Zeichen der hessischen Landesregierung", sagte Jochen Ruths, Präsident des Handelsverbands Hessen. Denn die Wiedereröffnung der Einzelhandelsgeschäfte auf bis zu 800 Quadratmetern Verkaufsfläche habe keinen Kundenansturm ausgelöst. "Die Kundenfrequenzen lagen im Schnitt bei nur 39 Prozent des Jahresdurchschnittswerts von 2019." Die wichtigen Abstands- und Hygieneregeln könnten auf größeren Flächen hervorragend eingehalten werden. Eine bundesweit einheitliche, nicht-diskriminierende Öffnung des gesamten Einzelhandels müsse der nächste Schritt sein. 

Hoffnungen darauf hatte am Mittwoch auch Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) geweckt. Er kündigte für das Bund-Länder-Treffen am Donnerstag eine offene Diskussion über die Frage an: "Lassen wir die ganzen Quadratmeterzahlen weg und legen uns nur fest: Es muss der jeweiligen Abstand eingehalten, es muss die Hygiene eingehalten werden?", wie es der Politiker formulierte.

vbr/LTO-Redaktion 

Mit Materialien der dpa 

Zitiervorschlag

Hessischer VGH zu Corona-Ladenschließungen: 800-Quadratmeter-Kriterium rechtmäßig . In: Legal Tribune Online, 29.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41457/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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