EuGH zu Geldspielautomaten: Ungarn übertreibt im Kampf gegen Spiel­sucht

11.06.2015

Das ehemalige Königreich geht seit vier Jahren rigoros gegen das Aufstellen von Geldspielautomaten außerhalb von Casinos vor. Teilweise so unmittelbar, dass es nach Ansicht des EuGH möglicherweise gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt.

Die ungarischen Rechtsvorschriften, die den Betrieb von Geldspielautomaten außerhalb von Casinos verbieten, verstoßen möglicherweise gegen den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit. Das entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) am Donnerstag (Urt. v. 11.06.2015, Az. C-98/14).

Bis zum 9. Oktober 2012 durften in Ungarn Geldspielautomaten sowohl in Spielcasinos als auch in Spielhallen betrieben werden, danach auschließlich nur noch in Casinos. Basis dafür war ein am 2. Oktober 2012 kurzfristig verabschiedetes Gesetz. Außerdem wurde vor diesem Verbot die Steuer für das Aufstellen von solchen Automaten in Spielhallen ab dem 1. November 2011 auf das Fünffache des ursprünglichen Betrages erhöht. Die Besteuerung für Spielautomaten in Casinos änderte sich dagegen nicht.

Mehrere Gesellschaften, die ihre Automaten in Spielhallen betrieben, klagten vor dem hauptstädtischen Gerichtshof in Budapest. Dieser fragte den EuGH, ob die Maßnahmen der drastisch erhöhten Besteuerung und des darauf folgenden, beinahe übergangslosen Verbots mit Unionsrecht vereinbar sind.

Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beschränkungen

Die Luxemburger Richter antworteten, dass nationale Rechtsvorschriften, die den Betrieb und die Ausübung bestimmter Glücksspiele nur noch in Casinos erlauben, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen. Ebenso könne die Maßnahme, mit der die Steuern auf den Betrieb von solchen Automaten in Spielhallen drastisch erhöht werden, ebenfalls als beschränkend gewertet werden. Hierzu führt der EuGH aus, dass dies der Fall wäre, wenn die Budapester Kollegen feststellen sollten, dass die Steuererhöhung den rentablen Betrieb verhindert und dadurch den Betrieb faktisch nur noch in Casinos ermöglicht.

Grundsätzlich rechtfertigten die mit der zusätzlichen Steuer und dem Verbot verfolgten Ziele, den Verbraucher vor Spielsucht zu schützen und Kriminialität und Betrug im Zusammenhang mit diesen Spielen zu verhindern, eine Beschränkung von Glücksspieltätigkeiten. Diese Beschränkungen müssten die genannten Ziele jedoch in kohärenter und systematischer Weise verfolgen.

Indirekte Kritik an Ungarns Politik

Der EuGH bemerkt insoweit, dass Ungarn offenbar eine "Politik der kontrollierten Expansion von Glücksspieltätigkeiten verfolgt", in deren Rahmen unter anderem im Jahr 2014 neue Konzessionen zum Betrieb von Casinos erteilt wurden. Eine solche Politik verfolge die Ziele aber nur dann in koheränter und systematischer Weise, wenn sie geeignet ist, einem tatsächlichen Problem von Spielsucht sowie Betrug und Kriminalität bei Glücksspielaktivitäten abzuhelfen. Zum anderen müsse sie auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht werden.

Deshalb habe man in Budapest zu prüfen, ob die Steuererhöhung und das kurzfristige Verbot die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie das Eigentumsrecht der Spielhallenbetreiber beachten. In diesem Zusammenhang weist der Gerichtshof darauf hin, dass der nationale Gesetzgeber, wenn er Genehmigungen widerruft, die ihren Inhabern die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglichen, eine angemessene Entschädigungsregelung oder einen hinreichend langen Übergangszeitraum vorsehen muss.

ms/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH zu Geldspielautomaten: Ungarn übertreibt im Kampf gegen Spielsucht . In: Legal Tribune Online, 11.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15821/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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