EuGH bestätigt Befugnis zum Leerverkaufsverbot: Großbritannien kann sich nicht durchsetzen

22.01.2014

Die europäische Börsenaufsicht darf Leerverkäufe verbieten, um für Stabilität am Finanzmarkt zu sorgen, so der EuGH am Mittwoch. Großbritannien hatte sich dagegen gewehrt. Es fürchtet um seinen Finanzplatz London. Der Generalanwalt hatte sich noch anders ausgesprochen.

Vor dem Hintergrund der Finanzkrise ermächtigte die EU 2012 die europäische Börsenaufsicht ESMA in einer Verordnung dazu, Leerverkäufe zu verbieten. Damit sollte verhindert werden, dass die Kurse am europäischen Finanzmarkt außer Kontrolle geraten. Art. 28 der Verordnung erlaubt der ESMA, verbindliche Rechtsakte für die Finanzmärkte der Mitgliedstaaten zu erlassen, wenn die ordnungsgemäße Funktionsweise und die Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des Finanzsystems bedroht sind.

Bei einem Leerverkauf verkauft ein Händler Wertpapiere, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht in seinem Eigentum stehen. Dafür leiht er sich das Papier, verkauft es sofort weiter, um anschließend ein Papier derselben Art zu kaufen und dem Verleiher zurückzugeben. Fallen die Kurse in der Zwischenzeit, macht der Händler einen Gewinn, der aus der Kursdifferenz abzüglich der Leihgebühr besteht. Eine riskante Wette, die Kritiker für die Finanzkrise mitverantwortlich machen und auf die der EU-Gesetzgeber mit der Verordnung reagierte.

GB: Falsche Kompetenzgrundlage, zu weites Ermessen

Die EU stützte ihre Verordnung auf Art. 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV), der den Erlass von Harmonisierungsmaßnahmen erlaubt, die für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich sind. Großbritannien zweifelte vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) an, dass die Vorschrift der EU tatsächlich die Kompetenz für eine solche Maßnahme gebe. Auch der Generalanwalt hielt Art. 352, und gerade nicht Art. 114 AEUV, für die passendere Grundlage.

Das mag nach Formalitäten klingen, macht aber einen großen Unterschied: Art. 352 AEUV verlangt eine einstimmige Entscheidung der Mitgliedstaaten. Das heißt, auch Großbritannien hätte zustimmen müssen. Das Land befürchtet aber, dass sein Finanzplatz London an Stärke verliert, wenn immer mehr Kontrolle auf Institutionen der EU übertragen wird.

Der Mitgliedstaat monierte außerdem, dass die Verordnung der ESMA ein zu weites politisches Ermessen einräume.

EuGH: Handlungsspielraum der ESMA eingeschränkt

Die Luxemburger Richter teilten beide Bedenken nicht und wiesen die Nichtigkeitsklage Großbritanniens ab (Urt. v. 22.01.2014, Az. C-270/12).

Art. 28 räume der ESMA keine neuen Befugnisse ein. Die Ausübung der Befugnisse sei außerdem an verschiedene Kriterien und Bedingungen geknüpft, die den Handlungsspielraum der ESMA einschränkten.

Die europäische Börsenaufsicht dürfe nämlich nur dann Leerverkäufe verbieten, wenn eine Bedrohung für die Finanzmärkte oder die Stabilität des Finanzsystems der Union mit grenzübergreifenden Auswirkungen bestehe. Außerdem stehe jede Maßnahme der ESMA unter dem Vorbehalt, dass keine zuständige nationale Behörde angemessene Maßnahmen ergriffen habe.

Außerdem müsse die ESMA berücksichtigen, inwieweit ihre Maßnahmen die Bedrohung für die Finanzmärkte oder die Stabilität des Finanzsystems verringern oder die Überwachungsmöglichkeiten der nationalen Behörden verbessern können. Die Behörde unterliege zudem verschiedenen Konsultations- und Unterrichtungspflichten. Ihre Maßnahmen seien nicht zuletzt nur vorläufiger Natur, da sie einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen werden müssten.

cko/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH bestätigt Befugnis zum Leerverkaufsverbot: Großbritannien kann sich nicht durchsetzen . In: Legal Tribune Online, 22.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10739/ (abgerufen am: 27.03.2024 )

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