XI. Zivilsenat zur Prospekthaftung: Pro­spekt­haf­tung im wei­teren Sinn aus­ge­sch­lossen

von Lorenz Menkhoff

20.01.2023

Klar ist: Wer für einen fehlerhaften Prospekt verantwortlich ist, haftet. In Betracht kommen jedoch mehrere Anspruchsgrundlagen mit unterschiedlichen Voraussetzungen – für Anleger ist das streitige Konkurrenzverhältnis relevant.

Die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß § 13 Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG), §§ 44 ff. Börsengesetz (BörsG) alter Fassung schließt in ihrem Anwendungsbereich die Prospekthaftung im weiteren Sinn aus. So lautet der Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22. November 2022 (Az. XI ZB 28/21). Doch auch wenn man das Gegenteil verträte und von einer Idealkonkurrenz ausginge, befände man sich in guter Gesellschaft: Erst kürzlich hatte nämlich genau das der II. Zivilsenat des BGH entschieden und an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten (Beschl. v. 25.10.2022, Az. II ZR 22/22).

Mit dem Beschluss wies nun der XI. Zivilsenat die Rechtsbeschwerden in einem Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) als unbegründet zurück. Die Musterbeklagten waren Gesellschafter von vier Einschiffgesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, deren Unternehmensgegenstand der Erwerb und Betrieb des jeweiligen Schiffes war. Sie wurden auf Schadensersatz wegen Verwendung eines fehlerhaften Prospekts in Anspruch genommen. Das Landgericht (LG) Hamburg hatte dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg Feststellungsziele zur Herbeiführung eines Musterfeststellungsentscheids vorgelegt (Beschl. v. 20.12.2018, Az. 333 OH 1/18). Das OLG Hamburg hat diesen Beschluss für gegenstandslos erklärt (Beschl. v. 29.10.2021, Az. 14 Kap 11/18). Es komme auf Feststellungen zum Vorliegen eines Prospektfehlers bereits deshalb nicht an, weil die Prospekthaftung im weiteren Sinne ausgeschlossen sei. Dieser Auffassung stimmte der XI. Zivilsenat zu.

Bislang noch keine Entscheidung des Großen Senats

Dabei ist die Frage, ob neben spezieller Prospekthaftungstatbestände auch ein Rückgriff auf die Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß § 280 Abs. 1 i.V.m. § 311 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zulässig ist, nicht nur deshalb interessant, weil hier die Ansichten zweier BGH-Senate divergieren. Vielmehr ist die Prospekthaftung im weiteren Sinn für den Anleger mit konkreten Vorteilen hinsichtlich der Verjährungsfrist und des Verschuldensmaßstabes verbunden.

Der XI. Zivilsenat verweist indes darauf, die Verdrängung der Prospekthaftung im weiteren Sinne entspreche seiner gefestigten Rechtsprechung. Dass es abweichende Rechtsprechung gebe, stimme zwar. Die von den Rechtsbeschwerdeführern angeführten Entscheidungen des II. und III. Zivilsenats stünden der rechtlichen Würdigung allerdings nicht entgegen. So habe eine Entscheidung nicht den relevanten § 44 BörsG a.F. zum Gegenstand gehabt. Die anderen zitierten Entscheidungen bezögen sich auf Verfahren im Zeitraum zwischen 2000 und 2004, die § 13 VerkProspG, §§ 44 BörsG in der maßgeblichen Fassung seien jedoch erst 2005 in Kraft getreten. In einem wieder anderen Verfahren sei es nicht um eine Gründungsgesellschafterin gegangen, sodass die Konkurrenzfrage ebenfalls nicht virulent wurde. Den jüngsten Beschluss des II. Zivilsenats greift die Entscheidung allerdings nicht auf.

Divergenzen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung werden im Zivilrecht vom Großen Senat für Zivilsachen nach § 132 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) beseitigt. Während bereits der II. Zivilsenat mangels Entscheidungserheblichkeit eine Vorlagepflicht verneinte, sieht nun also auch der XI. Zivilsenat keinen Grund für eine abschließende Klärung. Für Schwerpunktstudierende im Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht kommt es zu einer seltenen und vorteilhaften Situation: Egal wie man die Streitfrage in einer Klausur entscheidet, man hat den BGH auf seiner Seite.

Zitiervorschlag

XI. Zivilsenat zur Prospekthaftung: Prospekthaftung im weiteren Sinn ausgeschlossen . In: Legal Tribune Online, 20.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50843/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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