Gesetzentwurf in Baden-Württemberg: Kopf­tuch­verbot - aber nicht für alle

03.05.2017

"Gut, richtig und nötig" findet der Vorsitzende des Vereins Richter und Staatsanwälte Baden-Württemberg das geplante Kopftuchverbot an Gerichten. Einzige Kritik: Es gehe nicht weit genug.

Als erstes Bundesland will Baden-Württemberg ein Verbot religiöser Bekleidung in Gerichten einführen. Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag legte Landesjustizminister Guido Wolf (CDU) am Mittwoch im Landtag vor. Betroffen sind hauptamtliche Richter, Staatsanwälte und Rechtsreferendare.

Wolf sagte, mit dem Entwurf sei eine Abwägung der Verfassungsgüter der freien Religionsausübung und der strikten Neutralität und Unabhängigkeit der Justiz gelungen. Die geplante Regelung stelle einen "wichtigen Beitrag zum Rechtsfrieden" dar.

Ein Verbot religiöser Bekleidung in deutschen Gerichten wird unter dem Gesichtspunkt der Religionsfreiheit durchaus kontrovers diskutiert. So wird angemerkt, dass die Gleichbehandlung aller Betroffenen eine Diskriminierung des Einzelnen nicht hindere.

Gesetz geht Richtern und Staatsanwälten nicht weit genug

Kopftücher, Kippas und andere religiös konnotierte Kleidungsstücke dürfen aber nach dem neuen Gesetz künftig von Staatsanwälten und Richtern nicht mehr im Gerichtssaal getragen werden - allerdings nur, sofern sie ihr Amt beruflich ausüben. Ehrenamtliche Richter und Schöffen sind hingegen nicht erfasst.

Diese Ausnahme stößt teilweise auf Kritik. "Das Gesetz finden wir gut, richtig und nötig", lobte Matthias Grewe, Vorsitzender des Vereins Richter und Staatsanwälte Baden-Württemberg, "aber es ist ein Fehler, dass Schöffen und andere ehrenamtliche Richter nicht dabei sind". 

Das Gesetz schließe Hunderte von ehrenamtlichen Richtern von der Pflicht, neutrale Kleidung zu tragen, aus, darunter Handels-, Landwirtschafts- und Arbeitsrichter. Diese seien aber in gleichem Maße zur Neutralität verpflichtet, wie ihre hauptamtlichen Kollegen.

Schöffen als Querschnitt der Bevölkerung?

Sichtbare Zeichen des Glaubens müssten allgemein aus Gerichtssälen herausgehalten werden, so Grewe. "Das ist politische Auseinandersetzungskultur, die nicht in den Gerichtssaal gehört." Somit gelte auch für Ehrenamtler: "Äußeres wirkt - Neutralität muss sichtbar sein". Die Absicht des Betroffenen sei unwichtig, es zähle nur die Außenwirkung.

Die CDU-Fraktion hatte sich auch für die Einbeziehung der ehrenamtlichen Richter und Schöffen in das Verbot ausgesprochen, war mit dem Vorhaben aber am Widerstand von Koalitionspartner Grüne gescheitert.

Neben Richtern und Staatsanwälten kritisierte auch die Opposition die Ausnahmen im Gesetz. "In dem Moment, in dem die Schöffinnen und Schöffen vorne sitzen und sogar einen Berufsrichter überstimmen können, da müssen Sie mir einmal sagen, welche Unterscheidung Sie hier eigentlich treffen", kritisierte SPD-Rechtsexperte Sascha Binder. Auch FDP und AfD zeigten sich nicht einverstanden mit dem Entwurf.

Grünen-Rechtsexperte Jürgen Filius verteidigte dagegen die Lösung seiner Partei. Die Einführung einer Amtstracht, um diese gesellschaftliche Vielfalt nach außen hin zu verbergen, würde dem Schöffenprinzip widersprechen. Die Schöffen seien Repräsentanten der ganzen Bevölkerung mit all ihren Facetten. Dem widersprach Matthias Grewe: Die Schöffen seien meist honorige Bürger und würden von den Kommunen vorgeschlagen. Sie stellten somit eben keinen Querschnitt der Bevölkerung dar.

dpa/mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Gesetzentwurf in Baden-Württemberg: Kopftuchverbot - aber nicht für alle . In: Legal Tribune Online, 03.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22809/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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