Bundesweites Pilotprojekt: Gericht ver­han­delt erst­mals wegen "Handy-Blitzer"

01.03.2023

Mit einem neuen "Handy-Blitzer" hat die Polizei etliche Autofahrer beim Telefonieren oder Schreiben am Steuer erwischt - nun kommt es am Donnerstag zu ersten Verhandlungen vor Gericht. Doch das Pilotprojekt ist umstritten.

Nach dem bundesweit ersten Einsatz eines neuen "Handy-Blitzers" in Rheinland-Pfalz werden nun erstmalig Einsprüche gegen Bußgeldbescheide wegen "Handy-Verstößen" am Steuer verhandelt. Über fünf Fälle wird an diesem Donnerstag das Amtsgericht (AG) Trier entscheiden. Den Betroffenen wird zur Last gelegt, beim Autofahren ein Mobiltelefon genutzt zu haben. Dafür sollen sie ein Bußgeld von je 100 Euro zahlen und einen Punkt bekommen. Trier war deutschlandweit die erste Stadt, in der das System Monocam ab dem 1. Juni 2022 in einem Pilotprojekt eingesetzt wurde. 

Bei dem Einsatz des in den Niederlanden entwickelten Systems filmte die Kontrollkamera von der Brücke an der Autobahn 602 bei Kenn (Kreis Trier-Saarburg) zunächst alle vorbeifahrenden Fahrzeuge ab und erhob Bilder von Fahrzeugführern und Kennzeichen. Diese wurden per Livestream auf einen Laptop von Polizisten übermittelt. Eine Speicherung der Bilder erfolgte erst, wenn die Software ein Handy und eine typische Handhaltung für Handynutzung beim Fahrer erkannte. 

Das System ist jedoch umstritten. Die anlasslose Erhebung der Daten sei "ein Eingriff in das grundrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung", so der Trierer Verkehrsrechtler Jürgen Verheul, der zwei Betroffene in den Ordnungswidrigkeitenverfahren vertritt. Er ist der Auffassung, dass wegen der fehlerhaften Erhebung der Bilder diese gar nicht verwertet werden dürften. "Wenn wir zu einem Beweisverwertungsverbot kommen, dann muss Freispruch erfolgen", sagte er.  

Keine Ermächtigungsgrundlage für Fahrzeugerfassung?

Es sei wichtig, dass Handy-Verstöße kontrolliert und sanktioniert würden, so der Verkehrsrechtler weiter. "Aber es muss auch rechtssicher erfolgen." Im vorliegenden Fall sei dies nicht so, weil eine spezielle Ermächtigungsgrundlage für eine "verdachtsunabhängige Erfassung sämtlich vorbeifahrender Fahrzeuge" beim Einsatz des Handy-Blitzers fehle.  

Das rheinland-pfälzische Innenministerium werde den Ausgang der Verfahren in Trier verfolgen, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Die Landesregierung habe immer betont, dass für eine mögliche dauerhafte Nutzung der Monocam bei der Polizei Rheinland-Pfalz "in jedem Fall eine spezifische Rechtsgrundlage zu schaffen ist". Für die Dauer des Pilotversuchs sei die Datenerhebung auf die Datenerhebungsgeneralklausel des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes gestützt worden. 

Bei der automatisierten Überwachung von Handy-Verstößen handele es sich um ein neues Instrument der Straßenverkehrsüberwachung, das die Sicherheit auf den Straßen erhöhen soll. Laut Ministerium erschien der Rückgriff auf eine gefahrenabwehrrechtliche Generalklausel "da im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr" – vertretbar, zumindest übergangsweise und für einen zeitlich befristeten, nicht flächendeckenden Pilotbetrieb mit nur einem Gerät. Zudem wurden Fahrer auf die "Überwachung Handyverbot" mit einem Schild hingewiesen. 
 
Wie viele Bußgeldbescheide im Laufe des sechsmonatigen Einsatzes des "Handy-Blitzers" ausgestellt wurden, wollte das Ministerium trotz mehrfacher Anfrage nicht mitteilen. Das Innenministerium werde eine Bilanz zum Pilotprojekt präsentieren, hieß es lediglich. 

dpa/pab/LTO-Redaktion

 

Zitiervorschlag

Bundesweites Pilotprojekt: Gericht verhandelt erstmals wegen "Handy-Blitzer" . In: Legal Tribune Online, 01.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51194/ (abgerufen am: 22.04.2024 )

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