Nominierung für die 'Women of Legal Tech 2020': "Eine ganz neue Branche, von Anfang an divers"

Interview von Pia Lorenz

27.08.2020

2018 wurden erstmals die "Women of Legal Tech" ausgezeichnet. Der Award hat Karrieren beflügelt, sagen die Initiatoren Michael Grupp und Nico Kuhlmann. Jetzt können Frauen sich für 2020 bewerben.

LTO: Die "Women of Legal Tech"-Awards, die erstmalig im Jahr 2018 verliehen wurden, gehen in die zweite Runde. Die Webseite ist online, die Nominierungen können kommen. Wer aber kann nominiert werden oder sich selbst nominieren?

Michael Grupp: Alle, die sich als Frau fühlen und wertvolle Beiträge leisten an der Schnittstelle zwischen Recht, Technologie und Innovation. Und die, darum geht es uns ja bei diesem Award, als Expertinnen für diese Beiträge mehr Wahrnehmung verdienen.

LTO: Es geht also weiterhin um Wahrnehmung und Sichtbarkeit von Frauen, wie auch schon 2018, als Sie den Preis ins Leben riefen? Hat sich denn in den vergangenen beiden Jahren so wenig getan?

Nico Kuhlmann: Zunächst einmal: Ins Leben gerufen haben die "Women of Legal Tech" natürlich nicht nur wir beiden, sondern das Legal-Tech-Unternehmen Bryter, für das Michael Grupp steht, und die Kanzlei Hogan Lovells, die ich in diesem Zusammenhang repräsentiere. Und in beiden Unternehmen waren sich mit uns alle sicher, dass wir das wiederholen wollen.

Michael GruppGrupp: Ich würde aber nicht sagen, dass sich gar nichts verändert hat. Im Gegenteil: Nach der Award-Verleihung im Jahr 2018 waren wir selbst ein wenig überrascht, welche Wellen dieser Preis geschlagen hat. Einige ausgezeichnete Frauen haben auf diesem Preis eine Karriere aufgebaut. Für so manche Teilnehmerin hat sich, so unser Eindruck, sogar ihr Leben ein bisschen verändert. Dieses Mehr an Sichtbarkeit, das wollen wir nun unbedingt noch weiter voranbringen – und damit auch dem Pipeline-Argument ein Ende machen.

 

LTO: Dem Pipeline-Argument?

Nico Kuhlmann: Den Ausschlag für uns, diesen Preis im Jahr 2018 ins Leben zu rufen, haben damals viel zu viele frustrierende Gespräche mit Veranstaltern von Kongressen und anderen Fachveranstaltungen gegeben. Auf mein Nachhaken, warum die Panels rein männlich besetzt seien, war die Antwort immer dieselbe: Frauen seien auf dem Gebiet Legal Tech einfach zu schwierig zu finden. Wir wollen dabei helfen, das zu verändern.

Nominierungen: "Von der Anwältin bis zur Aktivistin"

LTO: Und weshalb jetzt auf europäischer Ebene?

Grupp: Nach der Preisverleihung 2018 war das Mehr an Sichtbarkeit der vielen Frauen, die die Legal-Tech-Szene in Deutschland mit formen, fast schon messbar. Auf Europa-Ebene gibt es noch nichts Vergleichbares – dabei gibt es keinen Grund für Ländergrenzen. Anders als Sprachräume und juristische Diktionen hat Legal Technology per se keine Grenzen, und der europäische Austausch findet ja ohnehin statt. Die Konferenzen sind längst international: Zur Legal Geek in London fährt der oder die Legal Techie ebenso wie zum Anwaltszukunftskongress in Köln.

Das soll sich 2020 auch in dem Award widerspiegeln. Wir freuen uns deshalb sehr, dass wir als Mitveranstalterin in diesem Jahr auch die European Legal Technology Asscociation (ELTA) mit ins Boot holen konnten. 

LTO: Anders als im Jahr 2018 gibt es dieses Mal Kategorien, in denen Sie die Frauen auszeichnen werden. Welche sind das?

Nico KuhlmannKuhlmann: Tatsächlich sollen mit dem Preis weiterhin ganz unterschiedliche Arten der Beteiligung an einer neu geformten Rechtslandschaft ausgezeichnet werden. Um die Leistungen gleichzeitig transparent vergleichbar zu machen, haben wir uns jetzt entschieden, Kategorien einzuführen, die die Wirtschaft im weitesten Sinne betreffen. Wir möchten Anwältinnen und andere Beraterinnen ebenso auszeichnen wie Unternehmensjuristinnen und andere Mitarbeiterinnen, die in Unternehmen daran mitwirken, rechtliche Entscheidungsfindung besser zu machen. Außerdem können natürlich Gründerinnen und Managerinnen im Bereich Venture Capital und Innovation nominiert werden.

In der Kategorie Wissenschaft können von der Studentin bis zur Professorin Forscherinnen ausgezeichnet werden, die die akademische Rechtswelt mitgestalten. Und schließlich der öffentliche Sektor: Richterinnen, Staatsanwältinnen, Politikerinnen, Aktivistinnen und andere Frauen, die die politische und soziale Rechtslandschaft mitgestalten.

LTO: Wie werden die Preisträgerinnen ausgewählt?

Grupp: Das Wichtigste ist, dass sich erst einmal bis zum 9. Oktober alle interessierten Frauen nominieren oder nominiert werden. Vor der Vorlage an die Jury wird es nur eine Art Relevanzkontrolle geben, aber keine echte Vorrunde im Sinne einer Vorauswahl. Es steht auch noch nicht fest, in welchen Kategorien  wie viele Frauen Preisträgerinnen sein können. Diesbezüglich wollten wir die Jury nicht per se durch Vorgaben einschränken.

Ende Oktober wird sie voraussichtlich ihre Entscheidungen treffen. Die Preisverleihung wird im November stattfinden – natürlich vorrangig virtuell, auch wenn es eine kleine Vor-Ort-Veranstaltung geben wird.

"Eine ganz neue Branche, von Anfang an divers"

LTO: Wer wird denn darüber entscheiden, wer die "WoLT 2020" werden?

Grupp: Das verraten wir derzeit noch nicht. Aber es wird, so viel sei schon gesagt, eine paritätisch und global besetzte Jury sein, die auch die Expertise hat, Beiträge richtig einzuordnen.

LTO: Mal Hand aufs Herz: Seit 2018 ist viel geschehen. Herr Grupp, Ihr Startup Bryter boomt und expandiert gerade nach New York. Herr Kuhlmann, Sie sind als Anwalt bei Hogan Lovells sicherlich auch ziemlich gut ausgelastet. Wie schaffen Sie die "Women of Legal Tech" noch nebenbei? Und vor allem: wieso?

Kuhlmann: Das ist schon richtig, wir langweilen uns wohl beide nicht gerade. Mittlerweile kümmern sich bei Bryter zwei Kolleginnen um die Organisation und Umsetzung von "Women of Legal Tech 2020". Aber natürlich bleibt das unsere Idee und wir bringen uns auch weiterhin selbst ein, wo wir nur können. Mit dem Legal-Tech-Bereich entsteht eine ganz neue Branche – mit der Chance, diese schon bei ihrer Entstehung von Anfang an divers zu gestalten. Das möchten wir unterstützen, auch wenn das notfalls mal eine Nachtschicht bedeutet.

LTO: Vielen Dank für das Gespräch.

Michael Grupp ist Rechtsanwalt und Unternehmer. Er war zunächst Anwalt bei Freshfields und hat nach seinem Ausstieg dort das Unternehmen Thesius gegründet, das später an Persona Service verkauft wurde, sowie Lexalgo, das 2018 in Bryter aufging.

Nico Kuhlmann ist Anwalt bei Hogan Lovells Int. LLP in Hamburg im Bereich Intellectual Property, Media & Technology.

Zitiervorschlag

Nominierung für die 'Women of Legal Tech 2020': "Eine ganz neue Branche, von Anfang an divers" . In: Legal Tribune Online, 27.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42613/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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