Prädikatsexamen gefälscht: AG ver­ur­teilt einen Jura-Hoch­sta­pler

04.12.2020

Ein angeblicher Anwalt ist vom AG München zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Mit gefälschten Prädikatszeugnissen arbeitete er jahrelang in dem Beruf, unter anderem in einer angesehen Großkanzlei - bis der Schwindel aufflog.

Ein angeblicher Anwalt hat sich mit gefälschten Zeugnissen lukrative Anstellungen gesichert und wurde für seine Arbeit teilweise sogar gelobt. Nun hat das Amtsgericht (AG) München den 35-Jährigen, der heute eine Ausbildung im Handwerk macht, wegen (zum Teil nur) versuchten Betruges in sechs und Urkundenfälschung in 22 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung verurteilt. Außerdem muss er rund 325.000 Euro Wertersatz leisten (Urt. v. 23.11.2020, Az. 823 Ls 231 Js 185686/19). 

Im Münchner Notariat seines früheren Ausbilders hatte der Mann ab November 2015 Beglaubigungen juristischer Staatsexamenszeugnisse gefälscht, in denen er sich für das Erste Examen - angeblich abgelegt  2012 - beeindruckende 12,48 Punkte und für das Zweite Examen - datiert auf den 25. Mai 2015 - nicht weniger phänomenale 11,64 Punkte bescheinigte - also Noten, die nur von einem kleinen einstelligen Prozentanteil der Kandidaten erreicht werden. Tatsächlich hatte der Mann ein Jurastudium nach sechs Semestern ohne Abschluss abgebrochen.

Mit den Fälschungen besorgte er sich bei der Anwaltskammer eine Zulassung und arbeitete mehr als drei Jahre als Rechtsanwalt bzw. Syndikus. Zunächst verschaffte er sich eine Erstanstellung im Immobilienwirtschaftsrecht bei einer "angesehenen Großkanzlei", wie es in der Mitteilung des AG heißt. Von April 2016 bis März 2018 verdiente er dort rund 193.000 Euro. Allerdings bewertete man seine Leistungen dort durchaus kritisch, weshalb er selbst kündigte und sich eine neue Anstellung suchte. 

Zeugnis mit verdächtigem Ausstellungsdatum

Nachdem er zwei Angebote mit 75.000 bzw. 100.000 Euro Anfangsgehalt ausgeschlagen hatte, fing der Mann schließlich als Syndikus bei einem großen Versicherungsunternehmen im Bereich Unternehmensrecht an. Dort arbeitete er von April 2018 bis zum 30. September 2019 und erhielt ein Gehalt von 132.600 Euro. Mit seinen Leistungen war man sehr zufrieden – er aber nicht mit den ihm angebotenen Entwicklungschancen, sodass er im November einen Anstellungsvertrag bei einer Kanzlei ab Januar 2020 mit einem Anfangsgehalt von jährlich 120.000 Euro abschloss.

Den Job trat er dieses Mal aber nicht an: Wegen des auf den Pfingstmontag 2015 lautenden Ausstellungsdatums des zweiten Examenszeugnisses erkundigte sich die Kanzlei beim Justizprüfungsamt nach der Richtigkeit desselben. Der Schwindel flog auf und die Kanzlei erstattete Anzeige, die Sache landete vor Gericht.

Vor diesem räumte der Mann seine Taten ein: "Das Geld war es nicht, das war es nie. Es war die Unfassbarkeit, dass ich trotz meiner fehlenden juristischen Ausbildung so gut vorankam", sagte er im Prozess. "Ich würde mich als arroganten, hochnäsigen Mitarbeiter beschreiben. Mit Kollegen habe ich mich gut verstanden. Bei Vorgesetzten aber bin ich immer in eine Abwehrhaltung gegangen, habe immer auf mein Recht bestanden, da ich auch immer so gute Noten gelogen habe." Sein letztes Wort endete mit der Aussage: "Ich werde mein Leben lang Buße tun."

Beide Seiten legen Berufung ein

Das Gericht war der Auffassung, dass die für Beamte entwickelten Grundsätze auch auf die Anstellung von Rechtsanwälten übertragbar seien. Da ihm die erforderliche fachliche Qualifikation fehle, habe er keine gleichwertige Gegenleistung für die ihm gewährte Vergütung erbringen können. "Es kommt hier somit auch nicht darauf an, ob er zufriedenstellende Leistungen tatsächlich erbracht hat", so der Vorsitzende Richter. Zurückzahlen müsse er das Geld damit auf jeden Fall.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das AG unter anderem, dass der Mann von Beginn an vollumfänglich geständig war. Er habe die Ermittlungen unterstützt und kooperiert, hieß es. Zu seinen Gunsten berücksichtigte das Gericht außerdem sein Nachtatverhalten, sein Bemühen um Aufarbeitung und eine psychische Erkrankung. 

Zu seinen Lasten berücksichtigte das AG den hohen Schaden von rund 325.000 Euro und die weitere hohe Vermögensgefährdung. Zudem sei ein Folgeschaden von mindestens 495.000 Euro zu berücksichtigen, der von der geschädigten Kanzlei an Mandanten, für die der Hochstapler tätig war, bereits zurückgezahlt wurde. Auch generalpräventive Gründe beachtete das Gericht zulasten des Angeklagten: "Der Beruf des Rechtsanwalts hat in der Gesellschaft einen besonderen Stellenwert und genießt besonders hohes Vertrauen, welches durch die Tat erschüttert wurde. Daher ist auch die Verteidigung der Rechtsordnung zu beachten", so der Vorsitzende Richter.

Aufgrund beidseitiger Berufung ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Prädikatsexamen gefälscht: AG verurteilt einen Jura-Hochstapler . In: Legal Tribune Online, 04.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43640/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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