Strategische Rechtskommunikation: Was sag' ich - und wenn ja, wie vielen?

von Pia Lorenz

21.11.2017

Nicht jede Presse ist gute Presse. Wenn Unternehmen mit Rechtsproblemen kämpfen, kann strategische Kommunikation Öffentlichkeit verhindern, beeinflussen oder sogar steuern. Dazu müssen die Unternehmen Journalisten verstehen. Und umgekehrt.

Man kann es Litigation-PR nennen, wenn man auf die Herkunft des Begriffs abstellen will, der seine trendigen Zeiten schon hinter sich hat. Oder man nennt es, wie Christian Schertz, "strategische Rechtskommunikation". Schließlich unterscheide sich die anglo-amerikanische Berichterstattung so stark von der deutschen – etwa dürften die Journalisten dort über viel mehr berichten als hierzulande -, dass die Bezeichnung Litigation-PR den falschen Eindruck erwecke, man müsse zwingend aktiv werden, um einen potenziell Betroffenen vor schlechter Presse zu schützen. So argumentierte der Medienrechtler am Freitag beim "Rechtskommunikationsgipfel" in Berlin.

Häufig ist es gut, gerade nicht proaktiv nach vorn zu stürzen und Angriff für die beste Verteidigung zu halten. Sind die Persönlichkeitsrechte, die Reputation von Mensch oder Unternehmen bedroht von einer Veröffentlichung, die eine echte Krise auslösen kann, kann die angezeigte Verteidigungsstrategie völlig unterschiedlich aussehen.

Christian Schertz: Veröffentlichungen vorab verhindern

Die Strategie von Medienrechtler Schertz ist fast ebenso bekannt wie der Anwalt selbst, der Deutschlands Prominente von Jan Böhmermann über Christian Wulff bis zum Deutschen Fußballbund vertritt, wenn sie in einer Krise stecken: Schertz versucht Veröffentlichungen vorab zu verhindern - und wähnte sich auch am beim "Rechtskommunikationsgipfel" mit der Absolutheit des langjährigen Anwalts im Recht.

Wer über einen Verdacht berichten wolle, dürfe das überhaupt nur in ganz wenigen Fällen, in denen es ein öffentliches Interesse gebe, fasste Schertz die Grundsätze der Verdachtsberichterstatttung recht knapp zusammen. In allen anderen Fällen sei es das Beste, alles im Keim zu ersticken. Er warnt auch davor, Fragen der Medien zu beantworten. Denn wer den Beschuldigten nach seiner Sicht der Dinge gefragt hat, dürfe schärfer berichten, so dass dann ein "lahmes Dementi am Ende des Textes" mehr Schaden anrichte als verhindere.  

Es klingt ein wenig nach "Don't feed the troll". Reden will Schertz mit Journalisten nur, wenn es sich gar nicht verhindern lässt. Wenn also klar ist, dass die Geschichte sowieso veröffentlicht wird. Für diesen Fall gibt er seinen Mandanten klare Regeln vor: am besten nicht selbst reden; nicht bestreiten, was sowieso heraus kommt; keine Salamitaktik anwenden. Stattdessen den Anwalt selbstbestimmt in die Offensive gehen lassen, die Schlagzeile und den Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung bestimmen. Mal über ein Hintergrundgespräch, mal über Bande gespielt, mal über eine klassische Pressemitteilung, die am besten so langweilig sein sollte wie möglich.

Journalisten fordern Vertrauen

Dabei ging es sonst viel um Vertrauen beim ersten selbsternannten Branchentreffen der Rechtskommunikationsbranche. Nicht nur Wirtschaftsjournalistin Karin Mattussek von Bloomberg wünschte sich Vertrauen in die Journalisten, auch die Chefredakteurin von Juve, Antje Neumann, warb darum - vor allem bei den großen Wirtschaftskanzleien, über die das Branchenmedium berichtet.

Schließlich geht es bei der Rechtskommunikation nicht nur um Kommunikation in akuten Krisensituationen. Wer in den Medien positiv präsent sein will, muss dafür auch selbst sorgen – und das funktioniere nur, wenn die Kanzleien intern ihren Pressesprechern vertrauten und auch das Verhältnis zwischen Unternehmen und der Presse auf Vertrauen basiere.  

Gerade in der Berichterstattung über Recht und Wirtschaft brauchen Journalisten - nicht selektive - Informationen von Unternehmen, um richtig berichten zu können, verdeutlichte Mattussek. Umso mehr, als die wenigsten von ihnen über fundiertes Hintergrundwissen im Bereich Recht und Justiz verfügten. Einigen fehle es schon an den Basics: "Viele kennen den Unterschied zwischen Zivil- und Strafrecht nicht, wissen nicht, dass ein Angeklagter etwas anderes ist als ein Beklagter", sagte sie.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Strategische Rechtskommunikation: Was sag' ich - und wenn ja, wie vielen? . In: Legal Tribune Online, 21.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25611/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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