Interview mit der BGH-Präsidentin: Fürs eigene Gerichts­fern­sehen fehlen die Mittel

Interview von Michael Reissenberger

08.05.2018

Die Mediengesellschaft ist auch im BGH angekommen, Kameras und Mikrophone sind seit Mitte April bei der Verkündung der Urteile zugelassen. Wie sich das Gericht darauf vorbereitet hat, erklärt die Präsidentin des BGH, Bettina Limperg.

LTO: Frau Limperg Sie haben den Kollegen kurzerhand ein Medientraining verpasst?

Bettina Limperg: Nein, wir haben es angeboten. Und es ist von praktisch allen Kolleginnen und Kollegen angenommen worden. Das Medientraining diente auch nicht dem Üben eines Sprechtextes, sondern sollte den Richterinnen und Richtern einfach Gelegenheit geben, sich selbst vor der Kamera zu erfahren, den Blick der Kamera zu erleben und von einem Medienprofi zu erfahren, was wie wirkt, wenn sie vor der Kamera agieren. Da sind auch Hinweise auf Kleinigkeiten wichtig, z.B. wenn jemand die Brille ständig auf- und abzieht, dass das merkwürdig ankommt, auch wenn es an der Güte des Vortrags selbst natürlich gar nichts ändert.

 (c) Anja Koehler

LTO: Und den Kollegen hat es Spaß gemacht?

Limperg: Das weiß ich nicht, weil ich nicht dabei war. Aber ich denke schon, dass es für viele eine interessante Erfahrung gewesen ist, die man auch ganz allgemein nützlich finden kann.

LTO: Es gab ursprünglich sehr herbe Kritik aus der obersten Chefetage der fünf Bundesgerichte gegen die erweiterte Medienöffentlichkeit im Gerichtssaal. Auch Sie haben sich gesperrt gegen Kameras und Mikrophone. Tragen Sie jetzt die Entscheidung des Gesetzgebers mit Freuden mit?

Limperg: Unsere Kritik zielte nicht so sehr gegen die Zulassung von Kameras an den obersten Bundesgerichten. Was uns vielmehr sehr besorgt gemacht hatte, war, dass in der Vorphase, aber auch in den ersten Diskussionsentwürfen eine Erweiterung der Kameraöffentlichkeit auch bei den Instanzgerichten, also beispielsweise dem Amts- oder Landgericht, angedacht war. Wir hatten die große Sorge, dass auf einem schleichenden Wege "court tv" eingeführt werden könnte und wir eine schiefe Ebene betreten, die möglicherweise nicht mehr beherrschbar ist. Die Möglichkeit von Film- und Tonaufnahmen bei der Urteilsverkündung an den obersten Bundesgerichten haben wir ohne große Aufregung zur Kenntnis genommen. Wir wissen: der Sinn und Zweck dieses Gesetzes ist, Bürgerinnen und Bürgern auch durch dieses Medium mehr Anschaulichkeit zu vermitteln. Und wenn das eintritt, dann ist das natürlich eine gute Rechtfertigung für Kameras bei den obersten Bundesgerichten.

"Schwierig, fünf griffige Sätze zu finden"

LTO: Mehr Anschaulichkeit: Wie weit wird das auch bei der Urteilsverkündung eine Rolle spielen? Das Urteilsdeutsch ist nicht gerade das verständlichste. Andererseits sieht man beim Bundesverfassungsgericht, dass die Richter bei der Urteilsverkündung eine Art Vortext formulieren, in dem auch bei kochkomplexen Verfahren schon deutlich wird, wie der Hase läuft. Ist auch beim BGH an eine solche etwas veränderte Urteilsbegründung gedacht?

Limperg: Das kann ich im Grunde nicht beantworten, denn das ist allein Angelegenheit der Senate und der urteilsverkündenden Senatsvorsitzenden. Anders als beim Verfassungsgericht erfordern unsere Entscheidungen sehr häufig eher technische und ich würde sagen fast kleinteilige Begründungen. Da ist es schwierig, fünf griffige Sätze zu finden, die dann aber doch noch der Sache selbst ausreichend gerecht werden.

LTO: Nun hatten Sie zeitweise auch den Plan, eine Art BGH-Fernsehen aufzubauen: wie weit sind da Ihre Überlegungen?

Limperg: Wir würden gerne Filmaufnahmen von der vollständigen Urteilsbegründung der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Denn die Medien senden oft nur einen ganz kleinen Ausschnitt, zwei oder drei Sätze aus der Urteilsverkündung, die nie zum vollständigen Verständnis für den Bürger oder die Bürgerin reichen würden, selbst wenn sie noch so griffig formuliert wären. Allerdings haben wir für eigene Filmaufnahmen bislang weder Personal- noch Sachmittel zur Verfügung. Und auf die Pressesprecherinnen käme ein außerordentlich hoher Arbeitsaufwand zu, denn wir würden ja solche Videos nicht unkommentiert ins Netz stellen, sondern dann auch mit Erklärungen versehen wollen.

LTO: Es gibt auch Unterschiede in der Beurteilung, was für die Öffentlichkeit interessant sein könnte, was nicht. Aus jüngster Zeit etwa beim Beispiel der Messerstecherin aus Hannover, die im Auftrag des islamischen Staates zugestochen hat. Da durfte die Urteilsverkündung nicht von den Kameras und Mikrophonen aufgenommen werden, ohne Begründung. Derselbe Senat hat demnächst ein Verfahren zu Kriegsverbrechen in Ruanda, auch hier besteht hohes Medieninteresse. Wie könnten Journalisten im Zweifelsfall das eigentlich durchsetzen?

Limperg: Von Gesetzes wegen entscheidet der Senat über die Herstellung der Medienöffentlichkeit. Und ohne eine solche positive Entscheidung des Senats bleibt es beim Ausschluss der Öffentlichkeit. Es ist eine Ermessensentscheidung, gegen die der Gesetzgeber keinen ordentlichen Rechtsbehelf vorgesehen hat.

LTO: Also auch kein Justizverwaltungsakt, an dessen Ende beispielsweise dann etwa auch die BGH-Präsidentin ein vernünftiges Wort sagen könnte?

Limperg: Nein, das hätte der Gesetzgeber dann anders regeln müssen.

LTO: Und dann sähe man sich kurzerhand beim Bundesverfassungsgericht wieder, wenn die Medien diese Gerichtspraxis als Freiheitsbeschränkung reklamieren?

Limperg: Das werden wir abwarten müssen.

Zitiervorschlag

Michael Reissenberger, Interview mit der BGH-Präsidentin: Fürs eigene Gerichtsfernsehen fehlen die Mittel . In: Legal Tribune Online, 08.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28523/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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