BRAK-Präsidentenkonferenz zum Anwaltspostfach: "Die Ent­wick­lung des beA war erfor­der­lich"

von Pia Lorenz

09.01.2018

Die BRAK will das beA unabhängig prüfen lassen und die Ergebnisse öffentlich machen. In der Präsidenten-Sondersitzung habe man auch Missverständnisse bezüglich Funktionen geklärt, hieß es. Zu Kompensationen für Anwälte äußert man sich nicht.

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) will sich in Sachen besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) anscheinend der kritischen Öffentlichkeit stellen. Ein externes, unabhängiges Gutachten eines vom Bundesamt für Sicherheit der Informationstechnik (BSI) empfohlenen Experten soll eingeholt und öffentlich gemacht werden. Zudem sollen "kritische Experten", die sich in den vergangenen Tagen zu Wort gemeldet hätten, auch solche, die "nicht institutionell gebunden" sind, "in den Prozess zur Klärung sicherheitsrelevanter Fragen eingebunden werden". Das teilte die Dachorganisation der Rechtsanwälte am Dienstag nach einer Sondersitzung der Präsidenten der regionalen Kammern mit.

Am morgigen Mittwoch sollen das Bundesweite Amtliche Anwaltsverzeichnis (BRAV) wieder zur Verfügung stehen, ebenso der europaweite Anwaltssuchdienst Find a Lawyer. Auch Bestellungen von beA-Karten über das Portal der Bundesnotarkammer (BNotK) würden dann wieder möglich. 

BRAK-Präsident Ekkehart Schäfer betonte, "die Datensicherheit im beA-System war und ist jederzeit gegeben". Kein Dokument, das über das beA versendet wurde, war öffentlich, die Kommunikation ist stets vertraulich und verschlüsselt. 

Das beA war am Tag vor Weihnachten offline geschaltet worden, nachdem die verantwortliche BRAK zunächst eine Sicherheitslücke entdeckt und im Anschluss daran bei dem Versuch, diese zu beseitigen, mit einem unsicheren Zertifikat noch eine weitere Sicherheitslücke hinzugefügt hatte. Am Tag nach Weihnachten erklärte die BRAK, das System zunächst nicht wieder in Betrieb zu nehmen. Seitdem mehren sich die Berichte über weitere Sicherheitslücken. Die von der BRAK stets behauptete Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sei keine, berichten IT-Fachmedien. Angreifer könnten die Adresse der Webseite bei Eingabe im Browser leicht durch schädlichen Code ergänzen und eingesetzte Software sei veraltet und werde teilweise nicht mehr supportet

"beA-Lösung war erforderlich, Standards reichten nicht aus"

In der nächsten regulären Sitzung am 18. Januar soll die Hauptversammlung entscheiden, welche unabhängigen Experten das System überprüfen sollen. Kritik daran, dass die BRAK beim Anwaltspostfach das Rad neu habe erfinden wollen, statt auf bestehende Systeme aufzusetzen, setzt Schäfer entgegen, die Sondersitzung am Dienstag sei "getragen gewesen von dem Wissen darum, dass aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs standardisierte EGVP-Lösungen nicht ausreichen und die Entwicklung des beA erforderlich war. So ist es durch das beA-eigene Hardware Security Module zum Beispiel möglich, verschiedene Zugangsberechtigungen zum Postfach zu gewähren und damit den Anforderungen in Kanzleien zu entsprechen." 

Nach Informationen von NJW aktuell waren bei der Krisensitzung am Dienstag auch Vertreter von Atos und dessen Subunternehmer anwesend, hätten aber bestimmte Fragen zur Verschlüsselungssicherheit zunächst nicht beantworten können. Die Kammern sähen sich, so NJW aktuell, aber bis 2019 vertraglich an diesen Anbieter "gefesselt". 

Laut Schäfer habe die BRAK die Zahlungen an Atos seit Weihnachten eingestellt, meldet die Fachzeitschrift. Schadensersatz, dessen Geltendmachung und anschließende Auskehrung an die Anwälte zuletzt der Deutsche Anwaltverein (DAV) am Dienstag vor der Sondersitzung forderte, beansprucht die BRAK offenbar bislang nicht. Man prüfe die Ansprüche, so der BRAK-Chef laut NJW aktuell.

Keine Information zu Kompensationen für Anwälte

Zu sonstigen Kompensationen an die Anwälte machte die BRAK am Dienstagabend keine Aussagen. Nicht dazu, ob die Laufzeit der beA-Karte, die jeweils auf ein Jahr befristet ist, nun - erneut - erst ab der Wieder-Inbetriebnahme laufen wird; nicht zur Abwicklung von dadurch entstehenden Schäden, auch mit der die Rechnungen stellenden Bundesnotarkammer; nicht dazu, ob sie Schäden wie Druck- und Portokosten, die mit dem beA nicht mehr entstanden wären, unbürokratisch ersetzen will.

Keine Informationen gab es auch dazu, ob sie die Sonderumlage 2018 für das beA in voller Höhe bei den regionalen Kammern - und damit mittelbar den Anwälten - abrufen will, obwohl dieses nicht zur Verfügung steht. Es wäre ein eleganter Weg, um den Anwälten etwas entgegen zu kommen. 

Nach LTO-Informationen könnte die BRAK nämlich die Sonderumlage in Höhe von 58 Euro für das Jahr 2018 nicht oder nur anteilig bei den regionalen Kammern abrufen. Diese Möglichkeit wurde - nur für die beA-Ausgaben und anders als bei allen anderen, kalkulierbaren Posten - im Rahmen der letzten Hauptversammlung der BRAK im vergangenen Jahr beschlossen. Die Reduktion der Ausgaben der Regionalkammern würde dann in 2019 eingepreist, also zu einem reduzierten Kammerbeitrag oder gar zu Rückzahlungen an die Mitglieder führen. Die von den Anwälten in den vergangenen Jahren bereits gezahlte Umlage ist ohnehin verloren, weil die - unangefochtenen - Beitragsbescheide der regionalen Kammern längst bestandskräftig sind.  

"Missverständnisse betreffend die Funktion des beA"

Rücktrittsforderungen soll es aus den Reihen der Kammerpräsidenten während der Sondersitzung, die sich am Dienstag bis in den Abend zog, nicht gegeben haben. Dabei fordern empörte Anwälte und Medienvertreter mittlerweile, personelle Konsequenzen bei der BRAK aus dem zu ziehen, was die Netzgemeinde das "beAGate" nennt. Auch in den regionalen Kammern, die ihren Mitgliedern gegenüber das beA verantworten und die dafür anfallende Sonderumlage einfordern, herrscht Unmut über das Verhalten der BRAK, die viel zu lange nicht oder gar fehlerhaft kommunizierte

Nach jahrelanger Entwicklungsarbeit steht das System, das eigentlich am 1. Januar 2016 fertiggestellt sein sollte, für welches die Anwälte seit 2015 jährlich eine Sonderumlage zahlen und dessen Entwicklung und Bereitstellung mittlerweile rund 38 Millionen Euro gekostet haben, nicht zur Verfügung. Dabei ist die Anwaltschaft seit dem 1. Januar 2018 verpflichtet, im beA eingehende Nachrichten gegen sich gelten zu lassen, die Anwälte können diese Pflicht aber mangels Zugriffs auf das offline geschaltete System gar nicht erfüllen. 

Der Dachverband steht unter Druck. Das BMJV, von dem man sich bei der BRAK offenbar anfänglich eine Regelung betreffend die Nutzungspflicht gewünscht hatte, verlangt eine schnelle Wieder-Inbetriebnahme. Die BRAK betont, Sicherheit gehe vor Schnelligkeit. Offenbar Bezug nehmend auf eine Erklärung des Deutschen Anwaltvereins, sie solle die Zeit bis zur Wiederaufnahme eines sicheren Systems zur Beseitigung struktureller Fehler nutzen, erklärte die BRAK am Dienstagabend, man habe in der Sitzung auch Missverständnisse betreffend die Funktion des beA geklärt. Das System sehe keinerlei Beschränkungen vor, wie viele Nachrichten der Nutzer pro Zeiteinheit verschicken darf. Ebenso könne er bei jedem Login alle in seinem Postfach befindlichen Nachrichten abrufen. Selbstverständlich müssten, so die BRAK am Dienstagabend, aber die Vorgaben der Justiz eingehalten werden. Deshalb dürfe eine Nachricht nicht größer als 60 MB sein und nicht mehr als 100 Anhänge haben. 

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, BRAK-Präsidentenkonferenz zum Anwaltspostfach: "Die Entwicklung des beA war erforderlich" . In: Legal Tribune Online, 09.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26381/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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