Neue Regeln für abwesende Rechtsanwälte: Auch der Ver­t­reter muss beA-Zugang erhalten

Gastbeitrag von Martin W. Huff

04.08.2021

Wer als Rechtsanwalt seine Tätigkeit nicht ausüben kann, muss einen Vertreter bestellen. Zum 1. August 2021 haben sich - von vielen unbemerkt - wesentliche BRAO-Regelungen zur Vertreterbestellung geändert. Martin W. Huff stellt sie vor.

Die Regelungen zur Vertreterbestellung in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sind für nicht wenige Rechtsanwälte ein Buch mit sieben Siegeln. Die Rechtsanwaltskammern kämpfen immer wieder damit, dass sich Mandanten und Gerichte bei ihnen beschweren, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nicht erreichbar sind. Gerade bei überraschender Abwesenheit wird nicht an eine Vertretung gedacht, häufig kommt die Regelung der eigenen Vertretung auch in der Kanzleiorganisation zu kurz. Zum 1. August 2021 haben sich die Regelungen für die Vertreterbestellung deutlich vereinfacht, allerdings ist auch eine neue Berufspflicht in § 54 BRAO hinzugekommen.  

Gemäß § 53 BRAO muss eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt für eine Vertretung sorgen, wenn sie länger als eine Woche daran gehindert sind, den Anwaltsberuf auszuüben oder sich – länger als zwei Wochen – von der Kanzlei entfernen will. Was darunter genau zu verstehen ist, ist allerdings weiterhin nicht geregelt.

Entscheidend für die Anwendung der Regelung ist, dass der Rechtsanwalt nicht in der Lage ist, seinen Beruf auszuüben und insbesondere den Kontakt zu seinen Mandanten zu halten und oder seine Mandate zu bearbeiten. In der heutigen Zeit, in der Anwältinnen und Anwälte sich moderner elektronischer Kommunikation bedienen und quasi von einem Arbeitsplatz von überall aus arbeiten können, kann es also nur darum gehen, dass die anwaltliche Tätigkeit in einem bestimmten Zeitraum nicht mehr ausgeübt werden kann. Alleine eine Ortsabwesenheit von der Kanzlei - solange man weiter erreichbar bleibt, ist noch kein Fall für die Vertreterbestellung.

Wer im Urlaub also wirklich seine Ruhe haben will, für den ist die Bestellung einer Vertretung aber mehr als sinnvoll.

Vorsicht vor drohenden Interessenkollisionen  

Bis zum 31. Juli 2021 konnte eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt einen Vertreter ohne Einschaltung der Rechtsanwaltskammer nur dann bestellen, wenn der Vertreter aus dem gleichen Kammerbezirk kam. Diese Beschränkung ist nun aufgehoben, jede Rechtsanwältin und jeder Rechtsanwalt kann als Vertreter bestellt werden, und zwar vom Rechtsanwalt selber ohne die Einschaltung der regionalen Rechtsanwaltskammer. Einen Vertreter würde die Rechtsanwaltskammer von Amts wegen bestellen, wenn für eine Vertreterbestellung entgegen der gesetzlichen Regelung nicht gesorgt worden ist. Die Vertreterbestellung kann auch Wunsch auch weiterhin in das bundeseinheitliche Anwaltsverzeichnis www.rechtsanwaltsregister.org eingetragen werden, dies ist aber ab dem 1. August 2021 keine Pflicht mehr und wird von den Kammern nicht mehr automatisch eingetragen.  

Die Befugnisse des Vertreters ergeben sich jetzt aus § 54 Abs. 1 BRAO, der die gleichen Befugnisse hat, wie der vertretene Rechtsanwalt. Er wird in eigener Verantwortung, jedoch auf Rechnung und auf Kosten des Vertretenen tätig.  

Sinnvoll ist es daher für jede Rechtsanwältin und jeden Rechtsanwalt, sich Gedanken darüber zu machen, wer die Vertretung übernimmt. In Sozietäten und Bürogemeinschaften bietet sich selbstverständlich an, dass dies die Kolleginnen und Kollegen übernehmen, bei Einzelanwälten ist jedoch zu beachten, dass es bei dem Vertreter zu keinen Interessenkollisionen (gegenseitige Mandate an einem kleinen Ort) kommen darf. Das gleiche gilt auch für Syndikusrechtsanwälte, auch sie müssen für eine Vertretung sorgen.

Zugang zum beA muss ermöglicht werden

Eine neue Berufspflicht ist allerdings in § 54 Abs. 2 BRAO hinzugekommen. Der Vertretene muss der von ihm selbst bestellten Vertretung einen Zugang zu seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) einräumen. Dies ist eine Pflicht, bei deren Verletzung ein Berufsrechtsverstoß begangen wird, der aber auch haftungsrechtliche Folgen nach sich ziehen kann. Die Vertretung muss dabei mindestens befugt sein, Posteingänge zur Kenntnis zu nehmen und elektronische Empfangsbekenntnisse abzugeben. Dies ist der Kerninhalt der Vertretungstätigkeit.

In der Praxis wird sich allerdings anbieten, dem Vertreter oder der Vertreterin auch zu gestatten, vom Postfach des Vertretenden aus zum Beispiel Schriftsätze zu versenden.

Dies wird besonders auch im Hinblick darauf wichtig, dass vom 1. Januar 2022 an bundesweit (in Bremen und Schleswig-Holstein gilt dies bereits jetzt weitgehend) die aktive Nutzungspflicht des beA besteht, also Schriftstücke nur noch auf elektronischem Wege an die Gerichte versandt werden können.

Daher muss sich jeder Rechtsanwalt einmal mit der sogenannten Benutzerverwaltung in seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach befassen. In der Benutzerverwaltung kann der Vertretene dem Vertreter, der Rechtsanwalt ist, Rechte zuweisen und muss dies gem. § 54 Abs. 2 BRAO auch tun. Mit dieser Einräumung von Rechten kann der Vertreter die Nachrichtenübersicht öffnen. Dabei darf man sich, worauf die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hinweist, von dem Begriff „Mitarbeiter“ für den Vertreter nicht verwirren lassen, denn dieser Begriff umfasst auch Rechtsanwälte. Dann ist es möglich, weitere Rechte einzuräumen. Welche Möglichkeiten es gibt, ist in der entsprechenden Maske in der Benutzerverwaltung vorgegeben. Es muss auch ein so genannter Sicherheits-Token für den Vertreter freigeschaltet werden.

Sinnvoll kann es in der Praxis sein, zumindest die Funktionen "Nachrichten versenden", "Nachricht öffnen", "Empfangsbekenntnis signieren versenden und zurückweisen" dem Vertreter einzuräumen. Ob ihm auch noch weitergehende Rechte vergeben werden, muss jeder Rechtsanwalt und jede Rechtsanwältin für sich selbst entscheiden.

Noch kein sicherer Übermittlungsweg beim Nachrichtenversand durch Vertreter

Da der Gesetzgeber der BRAK als Betreiber des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches keine Übergangsfrist eingeräumt hat, innerhalb derer die Gesetzesänderung im beA-System technisch umgesetzt werden kann, ist es derzeit für die Vertreterinnen und Vertreter noch nicht möglich, die Schriftform durch Übermittlung einer Nachricht aus dem Postfach des Vertretenden auf einem sicheren Übertragungswege zu ersetzen.

Für alle Erklärungen, insbesondere auch Empfangsbekenntnisse, die der Schriftform unterliegen, ist somit bis auf weiteres die qualifizierte elektronische Signatur der Vertretung erforderlich, wenn die Nachricht aus dem Postfach des Vertretenden versendet werden soll. Diese qualifizierte elektronische Signatur muss der Vertreter innehaben, sonst bestehen hier Probleme. Die BRAK arbeitet nach eigenen Angaben daran, möglichst rasch den sicheren Übermittlungsweg zu ermöglichen und wird darüber auch entsprechend unterrichten.

 

Zitiervorschlag

Neue Regeln für abwesende Rechtsanwälte: Auch der Vertreter muss beA-Zugang erhalten . In: Legal Tribune Online, 04.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45649/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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