Banken kündigen Sammelanderkonten: Anwalt­schaft unter Geld­wä­sche­ver­dacht

Die BaFin hat eine Regelung gestrichen, wonach Anwälte Geld von Mandanten auf einem Konto sammeln dürfen. Einige Banken haben bereits reagiert und die Sammelanderkonten gekündigt. Nun drohen Anwälten hohe Kosten und vor allem viel Aufwand.

Die Kündigung kam am Donnerstag. Zu Ende März wird Rechtsanwalt Christoph Müller aus Leipzig kein Sammelanderkonto mehr bei der Deutschen Kreditbank AG (DKB) haben. Er ist nicht der einzige. LTO erreichte am Wochenende eine Vielzahl von Schreiben aus der Anwaltschaft mit entsetzten Reaktionen. Eine Anwältin schreibt, die Kündigung habe sie “wie ein Schlag getroffen”. Ein anderer spricht von einer "ernsthaften Bedrohung der anwaltlichen Tätigkeit".

Die Aufregung verwundert nicht. Denn Sammelanderkonten sind für viele Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Praxis von großer Bedeutung. Sammelanderkonten dienen wie normale Anderkonten auch der treuhänderischen Verwaltung von Mandantengeldern. Der Vorteil: Auf ein und demselben Konto können die Geldeingänge mehrerer Mandanten gleichzeitig geführt werden. § 4 Abs. 2 S. 3 der Berufsordnung für Anwälte (BORA) geht ausdrücklich von der Zulässigkeit von solchen Sammelanderkonten aus. Erst, wenn Geldbeträge über 15.000 Euro länger als einen Monat verwaltet werden sollen, schreibt die BORA ein Anderkonto vor, das nur einem wirtschaftlich Berechtigten zugeordnet wird.

Sammelanderkonten kommen etwa zum Einsatz, wenn der wirtschaftlich Berechtigte zum Zeitpunkt der Zahlung noch nicht feststeht oder bei vereinbarten geringen Ratenzahlungen über einen längeren Zeitraum, bei denen der Anwalt den Eingang der Ratenzahlung kontrolliert. Rechtsanwalt Müller kontrolliert dieses Sammelanderkonto einmal täglich und weist eingegangene Zahlungen über die Kanzleisoftware dem jeweiligen Mandat zu. "Als Anwalt habe ich so ein Konto für die Betreuung von Geld, das man eigentlich nicht haben will, das man aber für den Mandanten aus Praktikabilitätsgründen verwaltet", so der Anwalt aus Leipzig.

BaFin passte Hinweise zum Geldwäschegesetz an

Hintergrund für den Schritt der DKB und weiterer Banken ist die Anpassung der Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz (AHH) durch die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin). In der Neuregelung der AHH von 2021 sind die bisher unter "Vereinfachte Sorgfaltspflichten" (§ 14 Geldwäschegesetz (GwG)) geregelten Erleichterungen bei der Ermittlung von wirtschaftlich Berechtigten für Anderkonten von Rechtsanwälten und Notaren ersatzlos gestrichen wurden.

Zuvor galt die Einschätzung, dass Sammelanderkonten von Anwälten und Notarinnen geldwäscherechtlich ein geringes Risiko zugeordnet wurde. Nach der bisherigen Privilegierung reichte es somit aus, dass die Geldinstitute auf Anfrage beim kontoführenden Anwalt in Erfahrung bringen konnten, wer wirtschaftlich Berechtigter von Geld auf dem Sammelanderkonto ist. Die Anwältinnen und Anwälte führten Buch über die Zahlungseingänge und waren so in der Lage, die Guthaben zuzuordnen und die Identität des oder der Berechtigten zu benennen. Damit ist jetzt Schluss.

Für Prof. Matthias Kilian, Direktor des Instituts für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln, liegt die Ursache für die Streichung der "vereinfachten Sorgfaltspflichten" für Anwälte durch die BaFin in der Nationalen Risikoanalyse (NRA) des Bundesministeriums der Finanzen (BMF). In dieser Risikoanalyse meint das BMF ein hohes Geldwäscherisiko bei Anderkonten identifiziert zu haben, gerade "im Zusammenspiel mit Bargeldzahlungen". Diese Praxis sei, "insbesondere unter Rechtsanwälten verbreitet", so die NRA. Die NRA hat damit den Banken mit auf den Weg gegeben, dass sie sich nicht länger darauf verlassen sollten, dass Rechtsanwälte Sorgfaltspflichten nach dem Geldwäschegesetz einhalten. Prof. Kilian kritisiert, dass damit Rechtsanwälte unter Generalverdacht gestellt würden.

DKB: Anwälte und Notare dürfen künftig nur noch Einzel-Anderkonten führen

Die DKB sieht sich jedenfalls aufgrund der Streichung der "vereinfachten Sorgfaltspflichten" in den Auslegungshinweisen der BaFin zum Handeln gezwungen. Auf Anfrage teilt ihr Pressesprecher Hauke Kramm gegenüber LTO mit: "Wirtschaftlich Berechtigte von Konten sind damit immer durch die Bank zu ermitteln und zu verifizieren, was dem Grundgedanken von Sammelanderkonten widerspricht und mit vertretbarem Aufwand nicht zu leisten ist."

Aus Sicht der Bank sei nur die Führung von Einzel-Anderkonten für Rechtsanwälte und Notare künftig noch rechtskonform, das bietet auch die DKB weiterhin an. Dabei werde "pro Mandant ein Konto eingerichtet, damit sei der wirtschaftlich Berechtigte des Kontos eindeutig bestimmbar und der DKB bekannt", teilt Kramm mit.

Für Anwältinnen und Anwälte ist das nicht nur aufwändig, sondern zudem kostspielig. Die DKB bietet derartige Treuhandkonten für 5,00 Euro im Monat pro Mandant an. Gerade für Anwältinnen und Anwälte, die viele Mandanten betreuen, können so leicht Kosten von mehreren Zehntausend Euro im Jahr entstehen.

Für Rechtsanwalt Müller ist die Lösung neben den erhöhten Kosten zudem kaum praktikabel. "Ich bin verpflichtet, das fremde Geld von meinem eigenen zu trennen", so der Anwalt. "Ich könnte also nicht mehr kurzfristig, etwa bei einem gerichtlichen Vergleich, ein Konto benennen, auf das Zahlungen erfolgen sollen. Außerdem müsste ich ein solches Konto schnell eröffnen und ebenso schnell im Zweifel wieder schließen", meint der Anwalt. Das brächte erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich.

BRAK "unerfreut" über fehlende Beteiligung

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zeigt sich verstimmt über das Vorgehen der BaFin. Es sei "unerfreulich", dass die BRAK zur Streichung die Privilegierung "weder angehört, kontaktiert oder sonst beteiligt" wurde. Nach Auffassung der BRAK ist indes trotz der Streichung rechtlich eine Kündigung von Sammelanderkonten nicht nötig. Die jetzt von einigen Banken eingeschlagene Richtung hält die BRAK entsprechend "für kritisch und höchst problematisch, als Anwälte und Anwältinnen auf Anderkonten angewiesen sind, um sich rechtskonform zu verhalten".

Die BaFin selbst teilte LTO auf Anfrage mit: "Ein allgemeines Verbot der Führung von Sammeltreuhandkonten für Anwälte oder eine Verpflichtung, diese Konten grundsätzlich zu kündigen, gibt es nicht", so die Aussage der Pressesprecherin der BaFin Dominika Kula. Die Kritik der Bundesrechtsanwaltskammer gibt die BaFin zurück: "Die Konsultation der Auslegungs- und Anwendungshinweise erfolgte öffentlich, weder die Bundesrechtsanwaltskammer noch der Deutsche Anwaltverein haben hierzu eine Stellungnahme abgegeben." Banken seien nicht verpflichtet, Sammelanderkonten zu kündigen: "Die Entscheidung, solche Konten nicht länger zu führen, ist eine geschäftspolitische Entscheidung der Kreditinstitute." Auf Nachfrage, ob Banken durch die Streichung des Passus über "vereinfachte Sorgfaltspflichten" zur Kündigung nicht rechtlich gezwungen seien, antwortet die Bafin am Abend: "Banken entscheiden in eigener Verantwortung, welche Dienstleistungen oder Produkte sie ihren Kunden anbieten, ohne dass die BaFin hierzu Vorgaben macht. Hierbei müssen sie jedoch die konkreten Risiken auf der Grundlage der verfügbaren Informationen bewerten."*

LTO hat bei anderen großen Banken nachgefragt, ob diese ebenfalls Sammelanderkonten kündigen werden. Dort herrscht über diese Frage aber noch Abstimmungsbedarf. Zeitnahe Antworten hierauf wurden angekündigt.

Rechtsanwalt Müller wird jedenfalls nun sein Sammelanderkonto von seinem Kanzleibriefpapier entfernen. Er befürchtet, dass nach Ablauf des Kontos zum 31. März noch Zahlungen eingehen könnten. Die DKB hat bereits angekündigt, dass eventuelle Rückbuchungen dann auf seine Kosten gehen werden.

Update vom 1. Februar: So reagieren die anderen Banken

* Die Beantwortung der Nachfrage ging nach Veröffentlichung des Artikels ein und wurde um 18:58 ergänzt.

Zitiervorschlag

Banken kündigen Sammelanderkonten: Anwaltschaft unter Geldwäscheverdacht . In: Legal Tribune Online, 31.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47381/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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