Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten: Kommt Trump auf die Ankla­ge­bank?

Gastbeitrag von Benedikt Gremminger

26.08.2022

Im August durchsuchte das FBI Donald Trumps Anwesen und beschlagnahmte 15 Kisten mit vertraulichen Dokumenten. Worum geht es in diesem Verfahren und welche Konsequenzen drohen dem Ex-Präsidenten? Eine Einordnung von Benedikt Gremminger.

Für Ex-Präsident Donald Trump waren die vergangenen Wochen und Monate in rechtlicher Hinsicht äußerst turbulent. Zuerst häuften sich Berichte, dass das US-Justizministerium seine Ermittlungen über Trumps Rolle beim Sturm auf das Kapitol intensiviere und unter anderem die Telefondaten seiner Mitarbeiter prüfe.

Gleichzeitig gerieten auch enge Berater wie Ex-Stabschef Mark Meadows und politische Verbündete wie US-Senator Lindsey Graham ins Fadenkreuz der zuständigen Behörden.

Die Durchsuchung seines Wohnsitzes in Mar-a-Lago Anfang August hat nun erneut das Scheinwerferlicht auf mögliche Rechtsverstöße des Ex-Präsidenten gelenkt.

Zahlreiche Verfahren gegen Trump

Mittlerweile laufen – teils auf Bundesebene, teils auf Grundlage des Rechts der Einzelstaaten – zahllose Verfahren gegen Trump, die sowohl von den Strafverfolgungsbehörden als auch von privaten Klägern angestrengt werden. Dabei finden insbesondere vier parallele Ermittlungsverfahren gegen Trump Aufmerksamkeit. Neben lokalen Ermittlungen in Georgia (Wahlrechtsvorwürfe) und New York (Steuerbetrug der Trump Organization) untersucht das US-Justizministerium auch Trumps Verantwortung für den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Hinzu kommt jetzt die Durchsuchung von Mar-a-Lago durch das FBI am 8. August.

Bei der Durchsuchung von Trumps Anwesen beschlagnahmten die Ermittler zahlreiche Akten, darunter auch elf als besonders vertraulich klassifizierte Dokumente. Die Durchsuchung schloss dabei an frühere Medienberichte an, wonach Trump nach Ende seiner Amtszeit vertrauliche Dokumente mit nach Florida genommen hatte.

Der am 11. August veröffentlichte Durchsuchungsbefehl führte hierzu drei bundesrechtliche Strafnormen an, deren mögliche Verletzung die Grundlage für die Durchsuchung und Beschlagnahmung bildete.

Hat Trump gegen den Espionage Act verstoßen?

Der prominenteste Tatbestand darunter ist 18 United States Code (U.S.C.) § 793, eine Strafnorm des Espionage Act von 1917. Die Vorschrift stellt insbesondere das Sammeln, Übertragen oder Verlieren von Informationen mit Relevanz für die nationale Verteidigung unter Strafe, wenn diese Informationen in illegaler Art von ihrem offiziellen Sicherungsort entfernt wurden.

§ 793(d) stellt dabei klar, dass – bei ursprünglicher Berechtigung des Informationsinhabers – auch die Nichtrückgabe solcher Dokumente trotz Aufforderung der zuständigen Behörde strafbar ist. Der Strafrahmen der Norm ermöglicht dann Geldstrafen und/oder Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren.

Die entscheidende Vorfrage im Fall Trump ist allerdings, ob es sich um besonders vertrauliche Dokumente im Sinne dieser Norm handelt. Das müssen zwar nicht unbedingt als solche klassifizierte Informationen sein, die restriktive Rechtsprechung der Bundesgerichte stellt aber qualifizierte Ansprüche an die Vertraulichkeit.

Hierzu ist bis jetzt nur wenig bekannt. Der Durchsuchungsbefehl führt zwar in einer kurzen Übersicht an, dass eine Reihe von verschiedentlich klassifizierten Dokumenten beschlagnahmt wurden. Ein Bericht der Washington Post enthält ferner Hinweise, dass das FBI befürchtete, dabei seien auch vertrauliche Informationen zu Nuklearwaffen gewesen. Genaue Details sind noch nicht öffentlich zugänglich. Aufschluss könnte jedoch die Veröffentlichung weiterer Dokumente zum Durchsuchungsbefehl bringen, die der zuständige Richter Bruce Reinhart vor kurzem angekündigt hat.

Trump weist Vorwürfe zurück

Trump hingegen wies diese Vorwürfe in einem Statement auf seiner Medienplattform Truth Social entschieden zurück. Bei den beschlagnahmten Dokumenten handele es sich nicht um vertrauliche Dossiers. Vielmehr seien nur private Unterlagen, die zum Teil sogar unter das Anwaltsgeheimnis fallen würden, sowie vertrauliche Informationen über die präsidiale Amtsführung, die daher unter das zugriffsentziehende Exekutivprivileg fallen würden, beschlagnahmt worden. Das Exekutivprivileg, dessen Reichweite nicht genau umrissen ist, gibt dem Präsidenten das Recht, bestimmte Informationen vor den anderen Gewalten geheim zu halten, die seine Amtsführung beeinträchtigen könnten.

Zudem hätte er die etwaige Geheimhaltung der klassifizierten Dokumente aufgehoben.

Zwar ist dies für amtierende Präsidenten grundsätzlich möglich, erfordert jedoch die Durchführung eines hochformalisierten Verfahrens. Für ein solches gibt es aber bis jetzt kaum Anzeichen. Zudem sind rechtliche Experten der Ansicht, ein Verstoß gegen § 793 sei auch bei Informationen möglich, die nicht (mehr) als vertraulich klassifiziert sind. Dies könnte insbesondere bei Informationen zum US-Atomwaffenprogramm der Fall sein.

Könnte eine Verurteilung zur Entziehung von Trumps Amtsfähigkeit führen?

Daneben erwähnt der Durchsuchungsbefehl noch zwei weitere Straftatbestände: das Zerstören oder Verändern von Dokumenten, um Ermittlungen zu behindern (18 U.S.C. 1519) sowie das Entfernen oder Zerstören offizieller Dokumente (18 U.S.C. § 2071).

Wiederum kommt es darauf an, wie die Dokumente einzustufen sind, aber auch darauf, ob Trump ein (qualifizierter) Vorsatz nachgewiesen werden kann.

§ 2071 erregte dabei auch wegen seiner Rechtsfolge besondere Aufmerksamkeit – neben einer Geld- oder Freiheitsstrafe kann nämlich nach dieser Norm auch der Entzug der Amtsfähigkeit für öffentliche Ämter angeordnet werden.

Kurz nach Veröffentlichung des Durchsuchungsbefehls begann daher eine lebhafte Debatte über die Reichweite dieses Ausschlusses. Insbesondere wurde diskutiert, ob Donald Trump von einer Präsidentschaftskandidatur zur Wahl 2024 ausgeschlossen werden könnte.

Schließt Verlust der Amtsfähigkeit das Präsidentenamt ein?

Ähnliche Diskussionen hatte es 2016 während des "Email-Skandals" von Hillary Clinton schon auf Seiten konservativer Kommentatoren gegeben. Diese konstatierten damals wegen eines (angeblichen) Verstoßes gegen § 2071 einen möglichen Verlust ihrer Amtsfähigkeit.

Es ist allerdings umstritten, ob ein einfachgesetzlicher Verlust der Amtsfähigkeit auch das Präsidentenamt miteinschließt. Zwar könnte der Wortlaut der Norm ein solches Verständnis zunächst nahelegen.

Die wohl herrschende Meinung unter amerikanischen Verfassungsrechtlern lehnt dies aber ab. Dagegen spreche bereits, dass die US-Verfassung die formalen Qualifikationen von Kandidaten für die Präsidentschaft und den Kongress abschließend geregelt habe. Somit sei es dem US-Kongress und den Staatenparlamenten verwehrt, weitere einschränkende Qualifikationen an die Wählbarkeit zu stellen.

Der Supreme Court bestätigte diesen Grundsatz in U.S. Term Limits, Inc. v Thornton (1995) für einfachgesetzliche Beschränkungen bei der Wahl von Kongressabgeordneten. Verschiedene Bundesgerichte haben sich dieser Auslegung auch für die Präsidentschaft angeschlossen.

Entzug der Amtsfähigkeit nach der US-Verfassung?

Die US-Verfassung sieht derweil bereits selbst mit ihrem 14. Zusatzartikel eine Möglichkeit zum Ausschluss von Kandidaten vor. Diese Norm, entstanden kurz nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs, gibt dem US-Kongress die Möglichkeit, Personen, die sich in Aufruhr oder Rebellion zu den Vereinigten Staaten befinden oder befanden, von zukünftigen öffentlichen Ämtern auszuschließen.

Liberale juristische Vereinigungen fordern zum Teil, Trump für seiner Rolle während des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 auf Grundlage dieser Vorschrift von zukünftigen Ämtern auszuschließen. Eine vorherige strafrechtliche Verurteilung wäre nicht erforderlich.

Allerdings sind die Erfolgsaussichten eines solchen Vorhabens gering. Nicht nur sind die einzelnen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen nicht eindeutig. Zudem müsste jeder ausschließende Beschluss zunächst eine Zweidrittelmehrheit im Kongress auf sich vereinigen. Dies erscheint im aktuell polarisierten politischen Klima als eher unwahrscheinlich.

Für sonstige einfachgesetzliche Rechtsverstöße, wie gegen die im Durchsuchungsbefehl genannten Normen, ist der 14. Zusatzartikel allerdings nicht einschlägig.

Klagt Garland den Ex-Präsidenten an?

Bisher hat sich das US-Justizministerium bei Aussagen zum Stand der Ermittlungen bedeckt gehalten. Deshalb sind Prognosen zum weiteren Verlauf ohne Kenntnis genauerer Details zu den Dokumenten und Trumps Absichten nur schwer möglich. Zwar sehen einzelne rechtliche Experten klare Verletzungen der genannten Norm. Die Mehrheit mahnt hingegen angesichts des noch ungeklärten Faktenstands Vorsicht vor übereiligen Schlussfolgerungen an.

Doch auch bei einem eindeutigen Verstoß gegen die Strafgesetze ist unklar, ob US-Justizminister Merrick Garland in seiner Funktion als oberster Bundesstaatsanwalt Anklage erheben würde. Zum einen wird gemutmaßt, dass die Strafverfolgungsbehörden ihr Hauptziel, die Sicherstellung von vertraulichen Informationen, mit der Beschlagnahmung schon erreicht haben und möglicherweise auf eine Anklage verzichten könnten.

Darüber hinaus erwarten viele, dass Justizminister Garland und seine Staatsanwälte angesichts der politischen Dimension des Verfahrens äußerste Vorsicht walten lassen werden. So ist es eine langstehende Tradition des Justizministeriums, grundsätzlich keine Verfahren mit unmittelbaren Auswirkungen auf anstehende Wahlen anzustrengen. Damit sind weitere Schritte vor Ende des Jahres eher unwahrscheinlich.

Trump warnt vor "politischen Unruhen"

Auch Trump scheint sich der politischen Brisanz des Verfahrens bewusst zu sein und dies in seine Verteidigungsstrategie einzubauen. Nicht nur sprach er in seiner Reaktion auf die Durchsuchung von einer von "radikalen linken Demokraten" orchestrierten "Belagerung", verglich die Durchsuchung mit der Watergate-Affäre und nannte sie eine politisch motivierte Hetzkampagne ("witch hunt").

In einem Interview mit Fox News Digital warnte er zudem vor politischen Unruhen als Konsequenz des Verfahrens. Einen Vorgeschmack hierauf geben bereits die massiven Anfeindungen des Durchsuchungsrichters und der Beamten des FBI durch Trump-Anhänger.

Jüngst kündigte der Ex-Präsident an, mit einer Klage die Einsetzung eines neutralen Prüfers erreichen zu wollen. Dieser solle die bei dem Einsatz in Mar-a-Lago sichergestellten Dokumente einsehen.

Nach aktuellen Umfragen steht das Gros seiner Unterstützer dabei klar hinter Trump. Tucker Carlson, Sprachrohr für amerikanische Konservative bei Fox News, nannte die Durchsuchung sogar einen "umfassenden Angriff auf Bürgerrechte", während US-Senator Rick Scott die Durchsuchung mit Maßnahmen der Gestapo verglich.

Die scharfen Reaktionen, die dieses Verfahren auf der ganzen Breite des amerikanischen politischen Spektrums hervorgerufen hat, deuten damit bereits an, dass die rechtlichen Vorwürfe gegen Trump die nächsten Monate bis zu den Kongresswahlen im November weiter prägen werden.

Benedikt Gremminger studiert Jura an der Universität Bonn, zwischenzeitlich auch an der Université de Fribourg (Schweiz). Er schreibt regelmäßig für The New Federalist und The Brussels Times.

Zitiervorschlag

Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten: Kommt Trump auf die Anklagebank? . In: Legal Tribune Online, 26.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49438/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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