Terror im Job: Nicht jeder Kon­f­likt ist Mob­bing

Ständige Kritik, sinnlose Aufgaben, Gerüchte, soziale Isolation – Mitarbeitern und Kollegen die Arbeit zur Hölle zu machen, scheint einfach zu sein. "Mobbing" wird in der Gesellschaft verstärkt wahrgenommen, die Gerichte sind zunehmend damit befasst. Aber nicht jede empfundene Schikane ist auch von juristischer Bedeutung. Ein Kommentar von Arnd Diringer.

"Worte sind die mächtigste Droge, welche die Menschheit benutzt". Wie zutreffend diese Ausführungen des Literaturnobelpreisträgers Joseph Rudyard Kippling sind, zeigt sich immer wieder, wenn neue Begriffe an die Stelle bisher verwandter Worte treten oder bekannten Sachverhalten einen neuen Namen geben. Dies gilt insbesondere, wenn englische Bezeichnungen Eingang in die deutsche Sprache finden.

Während man früher im Unternehmen von Öffentlichkeitsarbeit sprach, Kapitalanlagen verwaltete, der Vorstandsvorsitzende einfach als solcher bezeichnet wurde und man sich über eine hohe Kundenzufriedenheit freute, berauscht man sich mittlerweile an Begriffen wie public relations, asset management, chief executive officer und customer satisfaction.

Ähnlich verhält es sich mit dem seit einigen Jahren als "Mobbing" bezeichneten Phänomen. Dieser von dem englischen Verb "to mob", (etwa: "jemanden anpöbeln") abgeleitete Begriff beschreibt Sachverhalte, die so alt sind wie die Arbeitswelt selbst. Erst mit der Bezeichnung als "Mobbing" sind sie jedoch in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gedrungen und beschäftigen seither zunehmend die Gerichte. Auch hier scheint jedoch manchmal ein Rauschzustand einzutreten, was sich nicht zuletzt an der geradezu inflationären Verwendung des Wortes zeigt.

Mobbing ist kein Rechtsbegriff

In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) tauchte das Wort erstmals 1997 auf, als das Gericht über die Erforderlichkeit einer Betriebsratsschulung zum Thema "Mobbing" zu entscheiden hatte. Die Erfurter Richter beschrieben "Mobbing" damals als das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte, das durch Stresssituationen am Arbeitsplatz begünstigt wird (BAG, Beschl. v. 15.1.1997, Az. 7 ABR 14/96).

Seitdem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft ist, zieht das Gericht die in § 3 Abs. 3 des Gesetzes definierte Belästigung als Umschreibung heran. Mobbing liegt danach vor, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betroffenen Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (vgl. BAG, Urt. v. 25.10.2007, Az. 8 AZR 593/06).

Schon frühzeitig sind die obersten Arbeitsrichter allerdings dem Versuch entgegengetreten, aus einer neuen Begrifflichkeit auch neue Rechte abzuleiten. In ihren Entscheidungen betonen sie, dass Mobbing kein rechtliches Phänomen, sondern eine tatsächliche Erscheinung ist, die es aber juristisch zu würdigen gilt. Ansprüche gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen können daher nur geltend gemacht werden, wenn diese arbeitsrechtliche Pflichten, ein so genanntes absolutes Recht des Arbeitnehmers oder ein Schutzgesetz verletzen (vgl. BAG, Urt. v. 28.10.2010, Az. 8 AZR 546/09). Zu den absoluten Rechten zählt nach § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht, während ein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB zum Beispiel durch Verwirklichung von Straftatbeständen verletzt wird. Auch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB) kann einen solchen Anspruch auslösen.

Eine Besonderheit sehen die Erfurter Richter allerdings darin, dass beim "Mobbing" nicht eine einzelne, abgrenzbare Handlung, sondern die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte in einem Prozess zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit des Betroffenen führt. Dies kommt auch dann in Betracht, wenn die einzelne Handlung isoliert betrachtet rechtlich unerheblich ist (BAG, Urt. v. 16.5.2007, Az. 8 AZR 709/06).

Der Arbeitsalltag ist immer mit Konflikten verbunden

Die Besonderheit der einzelnen Entscheidungen selbst liegt sicherlich darin, dass das oberste Arbeitsgericht eine geradezu erstaunliche Praxisnähe offenbart - erstaunlich, weil man insbesondere die notwendige Kenntnis betrieblicher Abläufe und Gepflogenheiten in vielen anderen Entscheidungen vermisst.

So weisen die Erfurter Richter darauf hin, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, seine Mitarbeiter vor Mobbing durch Kollegen oder Vorgesetzte zu schützen. Sie betonen aber zugleich, dass an diese Verpflichtung keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen, da der Umgang von Arbeitnehmern untereinander und zu Vorgesetzten im Arbeitsalltag zwangsläufig mit Konflikten verbunden ist.

Daher ist der Chef auch nicht verpflichtet, bei jeder Meinungsverschiedenheit zwischen Arbeitnehmern und Vorgesetzten einzugreifen. Dies gilt nach Auffassung des Gerichtes auch, wenn der Ton der Auseinandersetzung im Einzelfall die Ebene der Sachlichkeit verlässt, sich aber im Rahmen des sozial Üblichen bewegt.

Weisungen, die im Rahmen des Direktionsrechts bleiben und denen sich keine eindeutig "schikaneuse" Tendenz entnehmen lässt, können allenfalls in besonderen Ausnahmefällen Rechte des Arbeitnehmers verletzten. Und selbst wenn das Direktionsrecht im Einzelfall überschritten wird, bedeutet dies nicht zwingend, dass damit zugleich in Persönlichkeitsrechte des Betroffenen eingegriffen wird, solange der Weisung sachlich nachvollziehbare Erwägungen zugrunde liegen (BAG, Urt. v. 25.10.2007, Az. 8 AZR 593/06).

Es geht um Menschen, nicht um Human Resources

Insgesamt ist es dem BAG bislang gut gelungen, sich dem verführerischen Rauschgefühl eines neuen Begriffs zu erwehren und zugleich denjenigen, die tatsächlich von belästigenden Verhaltensweisen betroffen sind, den notwendigen rechtlichen Schutz zu gewähren.

Die Rechtsprechung kann jedoch nicht mehr, als bereits vergangene Sachverhalte juristisch zu bewerten. Den Betroffenen kann eine Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht zugesprochen, in bestimmten Umfang können sie auch vor weiteren Rechtsverletzungen geschützt werden.

Besser wäre es, wenn solche Situationen von vornherein vermieden würden. Frei von Konflikten wird die Arbeitswelt zwar nie sein. Insofern sei auch davor gewarnt, jeden Fehltritt anderer gleich als Mobbing zu bezeichnen.

Es wäre jedoch viel gewonnen, wenn wir im Umgang mit Mitarbeitern und Kollegen, aber auch mit Kunden und Geschäftspartnern zu solchen ethischen Vorstellungen zurückkehren, die die deutsche Wirtschaft lange Zeit geprägt haben. Der immer weiter um sich greifende Rausch der Anglizismen führt eher zum Gegenteil. Dabei wird nur allzu gerne übersehen, dass ein ehrbarer Kaufmann eine andere Persönlichkeit voraussetzt, als einen bloßen businessman, Kunden mehr erwarten können, als ein customer care center und Mitarbeiter nicht lediglich human resources, sondern Menschen sind.

Der Autor Prof. Dr. Arnd Diringer lehrt an der Hochschule Ludwigsburg und leitet dort die Forschungsstelle für Personal und Arbeitsrecht.

 

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Zitiervorschlag

Arnd Diringer, Terror im Job: Nicht jeder Konflikt ist Mobbing . In: Legal Tribune Online, 19.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5132/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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