Offshore-Leaks: Steuern vermeiden ist nicht strafbar

von Prof. Dr. iur. Gustav K.L. Real und Frank Wehrheim

08.04.2013

Etwa 260 Gigabyte Daten über mögliche Steuerflüchtlinge hat ein Informant einem Netzwerk investigativer Journalisten überlassen. In ihren hysterischen Reaktionen verkennen deutsche Politiker, dass vieles nicht unbedingt illegal ist, was empören mag, meinen Gustav K.L. Real und Frank Wehrheim.

Bis zu fünf Jahren Haft drohen einem Steuerhinterzieher in Deutschland, § 370 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO). Nimmt das ganze größere Ausmaße an, sind es sogar zehn Jahre, § 370 Abs. 3 AO.

Einkommen- und Körperschaftsteuer können in Deutschland hinterzogen werden, wenn zunächst Einnahmen nicht im Inland gebucht und erklärt werden, sondern unmittelbar auf ein Konto im Ausland gezahlt werden. Wer das Konto dabei auf den eigenen Namen lauten lässt, begeht einen typischen Anfängerfehler, dem möglicherweise der gerade zurückgetretene Haushaltsminister in Frankreich zum Opfer gefallen ist. Eine schweißtreibende Variante ist, das Geld körperlich über die Grenze zu schaffen, wie es immer noch geschehen soll.

Deutschland macht Steuervermeidung besonders schwierig

Ist das Geld im Ausland angekommen, soll es Rendite generieren. Das kann zu einer weiteren Steuerhinterziehung führen. Da die Inselparadiese schon aus Platzgründen nicht für renditeträchtige Sachinvestitionen taugen, müssen diese in einem Drittstaat gemacht werden. Fast alle Staaten nutzen allerdings die Möglichkeit, Zins-, Dividenden- und noch andere Zahlungen an Gläubiger und Gesellschafter mit Sitz im Ausland bereits "an der Quelle" der Auszahlung zu besteuern, weshalb der Empfänger in der Steueroase nur noch den Nettobetrag erhält.

Deutschland gehört, soweit erkennbar, zu den ganz wenigen Staaten, der nicht auf die nochmalige Besteuerung von Einnahmen verzichtet, die im Ausland bereits einmal versteuert worden sind. Die nach deutschen Vorschriften ermittelte Bruttoeinnahme aus dem Ausland wird der deutschen Besteuerung zu Grunde gelegt, die im Ausland gezahlte Steuer allerdings anteilig angerechnet. Der niedrige Steuersatz im Ausland wird somit hochgeschleust auf den im Regelfall höheren deutschen Steuersatz.

Das Verschweigen dieser Rendite-Einnahme, um das Hochschleusen zu vermeiden, ist eine weitere Steuerhinterziehung in Deutschland.

Dagegen wird ein höherer ausländischer Steuersatz nicht beachtet; auch günstige ausländische Gewinnermittlungsmethoden bleiben unbeachtet. Dieses Verfahren gilt auch für die 25-prozentige Abgeltungsteuer auf ausländische Kapitalerträge des privaten Anlegers.

Empfindlichkeit gegenüber Steuerhinterziehung gestiegen

Das deutsche Steuerrecht bietet daneben aber auch eine Fülle von Möglichkeiten, ganz legal Steuern zu vermindern. Die pauschalisierende Aufgeregtheit der Politiker und einiger Medien lässt diese Differenzierung vermissen.

Wird in Deutschland versteuertes Geld im Ausland rentierlich angelegt, kann eine Steuerpflicht in Deutschland, die Grundvoraussetzung jeder Steuerhinterziehung, zuverlässig vermieden werden, wenn man denn der Versuchung widersteht, sich an diesem niedrig oder überhaupt nicht besteuerten Ertrag zu erfreuen. Eine große emotionale Herausforderung, die aber alle DAX-Konzerne zuverlässig meistern. Gewinne der ausländischen Tochtergesellschaften werden dort thesauriert, werden in Deutschland nicht der Körperschaftsteuer bei der Muttergesellschaft unterworfen, dienen aber als Barliquidität der Konzernfinanzierung; Zinszahlungen an die ausländische Tochtergesellschaft mindern wiederum den zu versteuernden Gewinn in Deutschland. Diese Steuervermeidung mag für den Lohnsteuerpflichtigen ärgerlich erscheinen, ist aber vom Gesetzgeber so beabsichtigt.

Der Erbe des kundigen Steuervermeiders hat allerdings ein delikates Planungsproblem: Die Besteuerung kann nur dann auf den in Deutschland verbliebenen Teil des Nachlasses beschränkt werden, wenn nicht nur der deutsche Verstorbene, sondern auch der deutsche Erbe selbst mindestens fünf Jahre vor dem Todesfall aus Deutschland weggezogen ist. Die Vermeidung der Wegzugsbesteuerung beim Umzug in das Ausland ist eine besondere Herausforderung.

Die Empfindlichkeit der Wähler gegenüber (vermeintlicher) Steuerhinterziehung ist seit den Zeiten des ersten Parteispendenskandals in Sankt Augustin, über die verhinderte Aufklärung bei der Commerzbank in Frankfurt und den von Gustl Mollath in Nürnberg angezeigten Taten drastisch gestiegen. Es irritiert jedoch, wenn Politiker sich gegen die von ihnen selbst geschaffene Steuerrechtslage an die Spitze der Erregung stellen: Die einst vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch in anderem Zusammenhang versprochene brutalstmögliche Aufklärung täuscht den heimischen Steuerzahler jedoch über einige Geheimnisse der ganz legalen Steuervermeidung hinweg.

Der Autor Professor Dr. iur. Gustav K.L. Real ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Essen; der Autor Frank Wehrheim ist Steuerberater in Bad Homburg.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. iur. Gustav K.L. Real und Frank Wehrheim, Offshore-Leaks: Steuern vermeiden ist nicht strafbar . In: Legal Tribune Online, 08.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8477/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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