Investitionsschutzabkommen: Mit leichten Reformen zu einem besseren System

von Jun.-Prof. Jörn Griebel

11.02.2014

2/2: Einmischung in Gesundheits- und Umweltschutz sollte nicht möglich sein

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Möglichkeit ausländischer Investoren, politische Entscheidungen, die etwa dem Gesundheits- und Umweltschutz dienen, in Frage zu stellen und sich hierfür noch mit Steuergeldern entschädigen zu lassen. Es ist allerdings völlig offen, ob und in welchen Punkten Vattenfall das Verfahren gegen Deutschland tatsächlich gewinnen wird. Mit Blick auf die bisherigen, zahlreichen Präzedenzfälle in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit erscheint das keineswegs sicher. So wurde vielfach entschieden, dass bei staatlichen Maßnahmen, die anerkennenswerten Interessen der Allgemeinheit dienen, ein Schadensersatz nicht in Betracht komme.

Gleichwohl ist die Rechtsprechung in diesem Punkt nicht einheitlich. Man kann daher mit Recht kritisieren, dass die Abkommen ein Ausnahmeregime zum Schutz von Umwelt, Gesundheits- oder Menschenrechtsinteressen etc. bislang nicht ausdrücklich vorsehen. In anderen Bereichen des Wirtschaftsvölkerrechts sind solche Regeln seit Langem eine Selbstverständlichkeit. Genannt werden kann hier neben dem Europäischen Unionsrecht etwa auch das Vertragssystem der WTO. Tatsächlich vertritt die Europäische Kommission den wohl begründeten Standpunkt, dass zukünftige EU-Abkommen entsprechende Ausnahmeregeln vorsehen müssen. Was bislang von den Verhandlungen der Kommission mit Drittstaaten bekannt geworden ist, spiegelt diese Position auch wider.

Die Kommission ist damit auf dem Weg, den zukünftigen EU-Investitionsabkommen ein deutlich transparenteres, ausbalancierteres und insgesamt nachhaltigeres Regelwerk zugrunde zu legen. Dieses wird das in Teilen reformbedürftige, alte Investitionsschutzsystem der Mitgliedstaaten sukzessive ablösen. Als Revolution kann man diesen Prozess jedoch kaum bezeichnen, eher schon als ein Aufschließen zu etablierten Konzepten aus anderen Bereichen des Wirtschaftsvölkerrechts.

Ein weiterer Punkt, in dem Korrekturen wünschenswert wären, und in dem sich die Kommission auch um Lösungen bemüht, ist die Auswahl der Schiedsrichter.

Fundamentalkritik ist unberechtigt

Eine über die angesprochenen Punkte hinausgehende Fundamentalkritik am System ist jedoch kaum berechtigt. Vielmehr scheint es, dass teilweise die aufgrund des Vattenfall-Verfahrens kritische Stimmung in der Öffentlichkeit dazu genutzt werden soll, das Internationale Investitionsrecht als etablierte Säule der internationalen Wirtschaftspolitik abzuschaffen. Entwicklungspolitisch wäre das ein großer Rückschritt.

Auch ist kaum nachvollziehbar, warum die Bundesregierung bei den Verhandlungen mit den USA nun Beschränkungen der Klagemöglichkeit für Investoren fordert. Damit weicht sie ohne Not von der seit Ende der 1950er Jahre von allen regierenden Koalitionen getragenen investitionsrechtsfreundlichen Politik ab – ebenso wie von den übrigen 131 verbindlichen Abkommen der Bundesrepublik mit anderen Staaten.

Klagen vor internationalen Schiedsgerichten sollen danach nur noch möglich sein, soweit der Investor zuvor den oft langwierigen nationalen Rechtsweg im Gastgeberstaat ausgeschöpft hat. Wenn Deutschland darauf beharrt, werden andere Länder folgen und europäische Investoren im Ergebnis ihres effektiven Rechtsschutzes im Ausland beraubt werden. Eine Pflicht zur unbegrenzten nationalen Rechtswegerschöpfung stellt keine sinnvolle Weiterentwicklung des Systems dar.

Bislang nicht ausreichend diskutiert wird leider die viel grundlegendere Frage danach, wie man es schafft, wohlstands- und entwicklungsfördernde Auslandsinvestitionen, die einen uneingeschränkten Schutz genießen sollten, von den schwarzen Schafen zu trennen. So unterstützt beispielsweise die Bundesrepublik mit ihren Garantie- und Kreditförderprogrammen nur solche Auslandsinvestitionen, die bestimmten Anforderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit entsprechen. Eine Übertragung dieses Konzepts auch auf die rechtliche Förderung von Auslandsinvestitionen mittels Investitionsschutzabkommen dürfte die richtigen Geschäfte anziehen – und die anderen draußen halten.

Der Autor Jörn Griebel ist Juniorprofessor für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Internationales Investitionsrecht und Geschäftsführer des International Investment Law Centre Cologne der Universität zu Köln.

Zitiervorschlag

Jun.-Prof. Jörn Griebel, Investitionsschutzabkommen: Mit leichten Reformen zu einem besseren System . In: Legal Tribune Online, 11.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10955/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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