Gentechnik-Kennzeichnung: Mut zur Lücke bleibt die Devise

Dr. Christina Rempe

25.08.2010

"Ohne Gentechnik" – dieses Siegel soll den Verbrauchern Orientierung im Lebensmittel-Dschungel geben. Die Bundesregierung bemüht sich scheinbar um Transparenz. Doch halten die Produkte, was die Kennzeichnung verspricht? Dr. Christina Rempe nahm die Kennzeichnungsregelungen unter die Lupe.

Gentechnik auf dem Teller, nein danke! Knapp die Hälfte der deutschen Verbraucher sehen das so, wie die vom Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführte, repräsentative "SGS INSTITUT FRESENIUS Verbraucherstudie 2010" zeigt. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen äußerte sogar die Sorge, dass gentechnisch veränderte Zutaten in Lebensmitteln zwar enthalten, aber nicht auf dem Etikett gekennzeichnet sein könnten. Wenig Ruhm erntet die Politik: Lediglich 8 Prozent der 1827 Befragten vertrauen auf Verbraucher- und Gesundheitsschutzpolitiken.

Politische Wende in der Kennzeichnungsfrage

Dabei wagte die Bundesregierung, unterstützt von Verbänden der Lebensmittelwirtschaft und Bauernvertretern jüngst einen überraschenden Vorstoß in Sachen Gentechnik-Kennzeichnung: Nicht nur der unmittelbare Einsatz gentechnischer Verfahren in der Lebensmittel- und Futtermittelindustrie sollte kennzeichnungspflichtig sein, sondern auch der mittelbare Einsatz der Technologie. Das beträfe Milch, Eier und Fleisch von Tieren, die gentechnisch veränderte Futtermittel zu fressen bekommen genauso, wie beispielsweise Zusatzstoffe und Enzyme, die im geschlossenen System mit manipulierten Mikroorganismen erzeugt werden.

Ein durchaus mutiger Ansatz, denn Schätzungen zufolge müssten dann rund 60 Prozent aller Lebensmittel einen Hinweis auf die Gentechnik tragen. Angesichts der Tatsache, dass das bestehende Regelungssystem Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht gentechnischer Verfahren enthält, die sich allenfalls politisch, nicht aber faktisch erklären lassen, ist der Vorstoß aber an sich längst überfällig. Zumal dem Verbraucher derzeit Informationen über den Einsatz gentechnischer Verfahren, die durchaus für seine Kaufentscheidung von Belang sind, vorenthalten werden und er somit vollkommen legal getäuscht wird.

Gescheitert ist das Bestreben der Bundesregierung auf europäischer Ebene trotzdem: Anfang Juli 2010 stimmten die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes gegen eine erweiterte Gentechnik-Kennzeichnung.

Das "ohne Gentechnik"-Logo als Alternative

Nachdem die gewünschte Transparenz hinsichtlich des Einsatzes gentechnischer Verfahren durch eine erweiterte Kennzeichnungspflicht auf europäischer Ebene nicht erreicht werden kann, verspricht der national geregelte Hinweis "ohne Gentechnik" durchaus Wettbewerbsvorteile. Die gesetzlichen Vorgaben wurden im Jahr 2008 überarbeitet. Nach den Wünschen der Bundesregierung soll das Anfang dieses Jahres eingeführte staatliche "ohne Gentechnik"-Logo die Partie perfekt machen. Ein eigens dafür gegründeter Verein ist für dessen Vergabe zuständig und soll gleichzeitig die öffentliche Wahrnehmung des Logos fördern.

Nach anfänglichen Startschwierigkeiten der "ohne Gentechnik"-Kennzeichnung scheint diese langsam auf Kurs zu kommen: Das Handelsunternehmen tegut bot bereits 2009 rund 25 als gentechnikfrei gekennzeichnete Produkte an, die Molkerei Campina setzte zunächst auf eine "ohne Gentechnik"-Trinkmilch. Nach deren wirtschaftlichen Erfolg kündigte das Unternehmen im Juni 2010 an, sein Angebot erweitern zu wollen: Bald sollen auch Joghurt, Sahne und Butter als gentechnikfreie Variante erhältlich sein.

Gegenüber des staatlichen Logos zeigt sich Campina indes noch skeptisch und setzt auf ein eigenes Siegel: Noch sei das staatliche Logo zu wenig etabliert, ließ Michael Feller, Vorsitzender der Geschäftsführung Fiesland Campina Deutschland gegenüber der Fachzeitschrift "Lebensmittel Praxis" verlauten.

"ohne Gentechnik" heißt ein bisschen mit

Dass aber auch die "ohne Gentechnik"-Kennzeichnung ihre Tücken hat, ist bereits während der Verabschiedung entsprechender Kennzeichnungsregelungen kontrovers diskutiert worden: So dürfen tierische Produkte als gentechnikfrei gekennzeichnet werden, selbst wenn sie von Nutztieren stammen, deren Futtermittel Zusatzstoffe, Enzyme oder Vitamine enthalten, die mittels gentechnischer Verfahren hergestellt wurden.

Noch fragwürdiger: Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt dürfen, etwa vor der Schlachtung eines Tieres, sogar gentechnisch veränderte Futtermittel verfüttert werden, ohne dass dies gekennzeichnet werden müsste.

Pragmatisch gedacht mag die "ohne Gentechnik"-Kennzeichnung ein guter Ansatz sein, um den Markt transparenter zu gestalten und dem Verbraucher mehr Wahlfreiheit zu bieten. Zumal ein kompletter Ausschluss der Gentechnik angesichts des globalen Handels insbesondere auf dem Futtermittelsektor kaum realisierbar erscheint. Dennoch dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis als gentechnikfrei gekennzeichnete Lebensmittel am medialen Pranger stehen, da sie eben doch ein bisschen Gentechnik enthalten.

Dr. Christina Rempe ist staatlich geprüfte Lebensmitteltechnikerin und hat in Jura promoviert. Als Fachjournalistin schreibt sie zu den Themen Lebensmittelrecht, Lebensmittelkunde und Verbraucherschutz.

Zitiervorschlag

Dr. Christina Rempe, Gentechnik-Kennzeichnung: Mut zur Lücke bleibt die Devise . In: Legal Tribune Online, 25.08.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1265/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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