EU stoppt Anti-Korruptionsbericht: Heim­lich begr­aben

von Cornelia Spörl, Mag. Iur., LL.M.

25.04.2017

In aller Stille entscheidet die EU-Kommission, das Herzstück europäischer Korruptionsbekämpfung abzuschaffen. Dieser Richtungswechsel nimmt dem Anliegen die Überzeugungskraft, lässt die Mitgliedstaaten allein und trübt das Bild der EU.

Mit dem Anti-Korruptionsbericht wollte die Europäische Kommission den Fortschritt der Korruptionsbekämpfung in den einzelnen Mitgliedstaaten nachverfolgen und überprüfen. Alle zwei Jahre sollte der Bericht erscheinen. Im Wesentlichen enthielt er eine Studie zur Korruptionswahrnehmung und -erfahrung, eine Beschreibung EU-weiter Korruptionstrends, die eingehende Behandlung ausgewählter Themen und vor allem Länderberichte über die Entwicklungen in allen Mitgliedstaaten. Dabei ging es hauptsächlich darum, auf Grundlage der individuellen Evaluationen konkrete Verbesserungsmaßnahmen zu empfehlen, deren Umsetzung in folgenden Berichten überprüft werden sollte. Der erste Bericht 2014 scheint jedoch zugleich der letzte gewesen zu sein. Klammheimlich und von deutschen Medien völlig unbeachtet hat der Kommissions-Vize-Präsident Timmermans schon mit Schreiben vom 25. Januar die Fortsetzung des EU-Antikorruptionsberichts ausgesetzt.

Dabei hat der EU-Antikorruptionsbericht einen dreifachen Mehrwert im Vergleich zu anderen Review-Mechanismen der Anti-Korruptionsanstrengungen von internationalen Organisationen wie der UN, der OECD und dem Europarat, die jeweils die Umsetzung ihrer Übereinkommen kontrollieren und darüber auch die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch bieten. Erstens sollte der EU-Bericht die Korruptionssituation besonders umfassend beleuchten, indem er die vorhandenen Untersuchungsergebnisse auswertete, zusammenführte und um eigene ergänzte.

Angleichung des Antikorruptionsstrafrechts wäre möglich

Er war, zweitens, zugleich Symbol dafür, dass Korruption nicht nur Sache der Mitgliedstaaten und internationaler Organisationen ist, sondern auch der EU selbst – damit verlieh er der Bekämpfung von Korruption eine besondere Wichtigkeit und Unabhängigkeit. Dies ist gerade auch angesichts der seit 2014 ausstehenden Jahresberichte der OECD Working Group on Bribery und mit Blick auf die seit Mitte 2016 ausgesetzten Treffen der Implementation Review Group der UN-Konvention gegen Korruption von erheblicher Bedeutung. Schließlich und vor allem aber haben Empfehlungen der EU im Bereich der Korruptionsbekämpfung eine Schlagkraft, die anderen Institutionen fehlt. Die Union kann ein hohes Maß an Sicherheit gewährleisten, indem sie Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Kriminalität ergreift (Art. 67 Abs. 3 des Vertrags zur Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)).

Korruption gehört zu dem Bereich der besonders schweren und grenzüberschreitenden Kriminalität, der von den Mitgliedstaaten allein nur unzureichend adressiert werden kann, weshalb die EU hier die Möglichkeit hat, Mindestvorschriften für Straftaten und Strafen festzulegen (Art. 83 AEUV). Die EU hat also die Kompetenz, ihre Mitgliedstaaten durch Richtlinien zur Angleichung ihrer strafrechtlichen Rechtsvorschriften zu verpflichten und kann diese Verpflichtung nötigenfalls sogar mithilfe des EuGH zwangsweise durchsetzen. Von dem Bericht der EU ging deshalb eine besondere Strahlkraft aus, die gewiss von einigen Mitgliedstaaten gefürchtet wurde. Von allen Review-Mechanismen war allein er imstande, hinreichend großen politischen Druck zur effektiven Bekämpfung von Korruption aufzubauen.

Auch Timmermans betont in seinem Schreiben aus Januar, dass Korruption in mehreren Mitgliedstaaten ein zentrales Problem ("key issue") darstellt, hält dessen weitere Erörterung im Europäischen Semester (ein Koordinierungsprojekt ohne rechtliche Bindungswirkung) jedoch offenbar für ausreichend. Auf Nachfrage hieß es von Seiten der Kommission, die Behandlung im für Wirtschaftsfragen zuständigen Teil des Europäischen Semesters erscheine als ebenso effizientes Mittel, und entspräche dem allgemeinen Ansatz der Kommission, Prozesse effizient zu gestalten und Sachfragen in den jeweils zuständigen Foren zu erörtern. An der Entschlossenheit der Kommission zur Korruptionsbekämpfung habe sich nichts geändert, sondern lediglich an der Art und Weise, wie das Thema aufgearbeitet werde.

Tatsächlich beschränkt die Europäische Kommission ihre Korruptionsbemühungen damit jedoch auf einen Erfahrungsaustausch in Expertenrunden. Ergebnis ist, dass sie ihre Möglichkeit, Anti-Korruptionspolitik effektiv zu beeinflussen, limitiert und den EU-weiten Anti-Korruptionskampf beschneidet. Korruption ist danach eben kein "key issue" mehr, oder wird jedenfalls nicht wie ein solches behandelt.

Zitiervorschlag

Cornelia Spörl, Mag. Iur., LL.M., EU stoppt Anti-Korruptionsbericht: Heimlich begraben . In: Legal Tribune Online, 25.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22727/ (abgerufen am: 19.03.2024 )

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