Hoffenheims Derdiyok vor dem Arbeitsgericht: Zum Training in den B-Kader verbannt

von Dr. Andreas Gietl

27.08.2013

2/2: "Verbannung" in die zweite Gruppe als Verletzung des Gleichbehandlungsanspruchs

Eine andere Frage ist indes diejenige, ob eine Unterbringung in der zweiten Trainingsgruppe mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch zu vereinbaren ist. Dieser verpflichtet den Verein im Grundsatz, alle Spieler, mit denen er einen Vertrag für die 1. Mannschaft abgeschlossen hat, auch in einer gemeinsamen Gruppe zu trainieren. Dies jedenfalls dann, wenn kein sachlicher Grund für eine Unterscheidung vorliegt.

Bildet der Arbeitgeber, wie hier, erstmals Gruppen, ist er gehalten, anhand sachlicher Kriterien vorzugehen. Im Fall der TSG Hoffenheim gibt es zwar einen sachlichen Grund für die Bildung einer zweiten Gruppe, weil ein Trainingsbetrieb mit einem Kader von 40 Personen kaum beherrschbar wäre. Ein sachliches Kriterium, nach dem die Spieler verteilt wurden, ist aber nicht ersichtlich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Größe des Kaders vollständig im Verantwortungsbereich des Vereins liegt.

Eine Befugnis zur Ungleichbehandlung ergibt sich schließlich auch nicht aus der Natur der Sache, denn es ist denkbar, die Trainingsgruppen täglich neu zusammenzustellen oder jedenfalls Aufstiegs- und Abstiegsmöglichkeiten zwischen den Gruppen vorzusehen.

Im Hinblick auf die Gleichbehandlung bedenklich ist zudem der in den Medien behauptete Ausschluss der Spieler vom Kraftraum und Parkplatz des Vereins, sowie das Verbot, das Trainingsgelände überhaupt zu betreten. Für derartige Verbote dürfte kein sachlicher Grund bestehen, wenn die entsprechende Kapazität vorhanden ist.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht der aussortierten Spieler verletzt

Auch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Spieler, dessen Durchsetzung der Beschäftigungsanspruch dient, ist beeinträchtigt und streitet für die Aufnahme in die Trainingsgruppe 1. In der Öffentlichkeit entsteht durch die "Verbannung" in die zweite Gruppe der Eindruck, die Spieler wären aussortiert oder, wie Die Welt es formuliert hat, sie hätten eine ansteckende Krankheit und müssten deshalb vom Rest der Mannschaft isoliert werden.

Zwar muss ein Fußballprofi in der Öffentlichkeit von allen Seiten – auch vom eigenen Verein – mehr Kritik ertragen als ein normaler Angestellter. Auch ist er einer gewissen Willkür schon alleine dadurch ausgesetzt, dass der Trainer die Entscheidung trifft, ihn nicht aufzustellen oder nicht einzuwechseln. Durch das endgültige "Aussortieren" wird jedoch sein sozialer Achtungsanspruch in einem Maße verletzt, das er auch unter den besonderen Bedingungen des Profisports nicht mehr über sich ergehen lassen muss. Es entsteht der Eindruck, die Spieler würden bestraft oder wären aus einem anderen Grund minderwertig.

Auch die im Vergleich zum normalen Arbeitgeber erschwerten Wechselbedingungen sprechen dafür, hier einen strengen Maßstab anzulegen. Der Spieler kann seinen in der Regel befristeten Vertrag nicht ordentlich kündigen, einen Wechsel während der Laufzeit lassen sich die Vereine durch hohe Ablösesummen bezahlen, und nach der am Montag auslaufenden Wechselperiode ist ein Wechsel erst wieder im Januar kommenden Jahres möglich.

Gute Chancen für Derdiyok vor Gericht

Zwar lässt sich überlegen, ob hier eine außerordentliche Kündigung wegen des Verhaltens des Vereins möglich ist, aber selbst dann kann der Spieler nur während der Wechselperioden einen neuen Vertrag schließen und auch das nur, wenn er zuvor die Rechtswirksamkeit der Kündigung gerichtlich hat feststellen lassen (§ 28 Nr. 7 der Spielordnung des DFB). Dieses strenge Wechselregime verschärft zugleich die Verpflichtung des Vereins zur Vertragstreue, weil der Spieler kaum Ausweichmöglichkeiten hat.

Da bei der rechtlichen Beurteilung auch die zu befürchtenden weiteren Nachteile für das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu betrachten sind (LAG Thüringen, Urt. v. 10.04.2001, Az. 5 Sa 403/2000), spricht viel dafür, dass alleine der ordnungsgemäße Trainingsbetrieb in Trainingsgruppe 2 nicht ausreicht, um eine Verfügung zu Gunsten des Spielers abzuwenden. Vielmehr dürfte insbesondere die Stigmatisierung, die negativ auf das Persönlichkeitsrecht des Spielers fortwirkt, die Verfügung begründen. Ein Zuwarten bis zur Hauptsacheentscheidung ist dem Spieler daher nicht zuzumuten.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs seitens der TSG Hoffenheim im Fall Derdiyok von den jeweiligen Sachvorträgen im Verfahren abhängt. Es ist aber davon auszugehen, dass die gewährte Trainingsmöglichkeit in der Trainingsgruppe 2 den Anforderungen gerecht werden kann. Die dauerhafte und zumindest praktisch unwiderrufliche Aufteilung des Kaders in verschiedene Gruppen bringt aber im Hinblick auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Spieler erhebliche rechtliche Bedenken mit sich.

Der Autor Andreas Gietl war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte und Kirchenrecht an der Universität Regensburg. Er arbeitet ab dem 1.9.2013 als Staatsanwalt in Weiden in der Oberpfalz.

Der Autor Dr. Sven Kaltenbach ist am Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz beschäftigt.

Zitiervorschlag

Andreas Gietl, Hoffenheims Derdiyok vor dem Arbeitsgericht: Zum Training in den B-Kader verbannt . In: Legal Tribune Online, 27.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9443/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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