EEG-Reform 2016: Das Ende des Erneu­er­bare-Ener­gien-Aus­baus?

von Bettina Hennig und Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A.

03.06.2016

2/2: Fehlender Leitungs- und Speicherbau

Ebenso ambivalent fallen zahlreiche weitere der geplanten Änderungen aus. So werden etwa beim EEG-Kernbegriff der "Anlage", dem grundlegenden Verhältnis von höchstrichterlicher Rechtsprechung und Clearingstelle EEG oder bei der Behandlung von Stromspeichern statt Klarheit eher neue Unklarheiten erzeugt. Dass die zunehmende Rechtsunsicherheit rund um das EEG dabei ein großes Hemmnis für die Investitionsbereitschaft vieler Marktakteure sein dürfte, liegt auf der Hand.

Die Probleme werden dadurch nicht kleiner, dass das Gesetz rückwirkend zum 1. Januar 2016 in Kraft treten soll – was ebenfalls rechtlich vielfältige Unklarheiten erzeugen würde. Das EEG 2016 soll noch in diesem Sommer verabschiedet werden. Besonders paradox ist, dass der gebremste Erneuerbare-Energien-Ausbau durch fehlende neue Stromleitungen und Stromspeicher begründet wird, gleichzeitig der Gesetzgeber aber keinerlei engagierte Gesetzesinitiativen zur effektiven Leitungs- und Speicher-Ausbaubeschleunigung erkennen lässt.

Kosten der fossilen Brennstoffe

Auch das Argument (angeblich) überbordender Kosten der EEG-Umlage auf alle Stromverbraucher überzeugt nicht, wenn gleichzeitig mit der Offshore-Windenergie ein besonders teurer Energieträger gefördert wird.

Unberücksichtigt bleibt zudem, dass die fossilen Brennstoffe weit höhere gesellschaftliche Kosten als die erneuerbaren Energien erzeugen. Das bezieht sich nicht nur auf den drohenden Klimawandel. Auch ein Großteil der Krebserkrankungen an den menschlichen Atemwegen wird durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe ausgelöst, mit ebenso existenziellen wie volkswirtschaftlich verheerenden Folgen. Mit Quecksilber durch Kohlekraftwerke kontaminierte Gewässer und die Schäden an Boden, Wasser und Natur durch die flächendeckende Mineraldüngung kommen hinzu.

Das verdrängte Pariser Klimaabkommen

Vor allem aber verlieren die Bundesregierung und auch andere Instanzen in Europa aus dem Blick, dass Deutschland und die EU das Pariser Klimaabkommen mit verabschiedet und es gar als großen Erfolg gefeiert haben. Das Paris-Abkommen verlangt in seinem Art. 2 Abs. 1, die globale Erwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau auf deutlich unter 2 Grad, möglichst sogar 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dies ist nach den Daten des Weltklimarats nur noch zu erreichen, wenn die Nutzung fossiler Brennstoffe in einem Industriestaat wie Deutschland vollständig beendet wird – und zwar bis etwa 2027 (für 1,5 Grad globale Erwärmung) oder etwa 2037 (für deutlich unter 2 Grad globale Erwärmung).

Sobald das Abkommen ratifiziert wird – woran wenig Zweifel bestehen –, ist dies bindendes Völkerrecht. Daran ändert das ansonsten recht unbestimmte Abkommen wenig. Mit der Reform des EEG 2016 werden ausweislich der gesetzgeberischen Zielsetzung bis ungefähr 2030 selbst im Stromsektor die fossilen Energien noch rund 50 Prozent Anteil haben, nicht zu reden vom Wärme-, Mobilitäts- oder Düngersektor, wo noch weniger passiert. Ob der Bundesregierung ein derart flagrantes Ignorieren eines von ihr offiziell gefeierten Völkerrechtsvertrags politisch auf Dauer gut bekommen wird, wird angesichts steigender Politikverdrossenheit und dramatisch sinkender Umfragewerte für die Volksparteien mit Interesse zu beobachten sein.

Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin.
Rechtsanwältin Bettina Hennig ist bei der auf das Recht der erneuerbaren Energien spezialisierten Kanzlei von Bredow Valentin Herz in Berlin tätig.
Die Forschungsstelle und die Kanzlei richten zum Thema am 08.06.2016 in Berlin eine Tagung aus.

Zitiervorschlag

Felix Ekardt, EEG-Reform 2016: Das Ende des Erneuerbare-Energien-Ausbaus? . In: Legal Tribune Online, 03.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19536/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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