Deutschland hinkt den Klimazielen des Paris-Abkommens meilenweit hinterher. Mit der geplanten EEG-Reform kommt nun auch noch ein relativ erfolgreicher Bereich der Energiewende ins Stocken, meinen Felix Ekardt und Bettina Hennig.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat sich als ebenso erfolgreich wie rechtlich dynamisch erwiesen. So ist es dem Gesetz gelungen, mit seinem Anschluss- und Abnahmevorrang und der für 20 Jahre garantierten Einspeisevergütung die erneuerbaren Energien an den Strommarkt zu bringen und dort als feste Größe zu etablieren.
Hintergrund ist, dass wegen des Klimawandels der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen vollzogen werden muss. Bei Wärme, Mobilität, Kunststoffen oder Mineraldünger ist bislang wenig unternommen worden. Umso mehr ist der Strommarkt bisher das Flaggschiff der ausgerufenen Energiewende.
Das geplante EEG 2016
Derzeit arbeitet die Bundesregierung jedoch an einer EEG-Reform, die das ändern könnte. Bevor Ende Februar die ersten Entwürfe aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) bekannt wurden, war man davon ausgegangen, dass die anstehende EEG-Novelle sich darauf beschränken würde, den EEG-Fördermechanismus punktuell zu modifizieren. Nun wird deutlich, dass zahlreiche weitere grundlegende Änderungen geplant sind. Das ist umso bemerkenswerter, als die letzte grundlegende Reform gerade einmal zwei Jahre zurückliegt.
Der wohl wichtigste Schritt, den die Bundesregierung mit dem EEG 2016 plant, ist die Umstellung auf einen Mengenansatz. Erstmals soll nicht nur ein zu erreichendes Zubau-Ziel, sondern eine klare Deckelung des jährlichen Erneuerbare-Energien-Ausbaus festgelegt werden. Konkret instrumentiert wird diese Umstellung durch das neue Ausschreibungssystem zur Ermittlung der finanziellen Förderung für Strom aus erneuerbaren Energien. Dieses soll für Neuanlagen das bisherige System der Einspeisevergütung weitgehend ersetzen.
Vereinfacht gesagt bietet der jeweilige Stromproduzent in Ausschreibungen die Erzeugung von Strom zu einem bestimmten Preis an. Wer am billigsten produziert, bekommt den Zuschlag und damit das Recht auf eine Förderung in der Höhe, die er zuvor bei seinem Gebot selbst festgelegt hat. Die Anzahl der Zuschläge wird dabei durch die staatlich festgelegte ausgeschriebene Zubau-Menge (Ausschreibungsvolumen) begrenzt. So soll die Förderung stets nur so hoch sein, wie es der Wettbewerb zwischen den Stromproduzenten vorgibt.
Ausschreibungen statt Einspeisevergütung
Das Fördersystem soll, so die Theorie, dadurch an Kosteneffizienz gewinnen und Überförderungen ausschließen. Problematisch kann jedoch sein, dass Ausschreibungen den Teilnehmern einiges an bürokratischem Aufwand und wirtschaftlichem Risiko abverlangen – was gerade für die kleinen Marktakteure der dezentralen Energiewende ein Hindernis sein kann. Die vielgepriesene Akteursvielfalt der Energiewende steht damit zur Disposition. Zudem kann der Erneuerbare-Energien-Ausbau dadurch gerade teurer statt billiger werden, weil die Akteure ihr Risiko in ihre Angebote einpreisen werden. Auch erweisen sich Ausschreibungsmodelle häufig nicht als ebenso effektiv wie gesetzlich fixierte Förderungen, da geplante Projekte oft dann doch nicht durchgeführt werden.
Dennoch sollen die bislang nur als Pilotprojekt an Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen ausprobierten Ausschreibungen mit dem EEG 2016 auf (fast) alle Energieträger ausgeweitet werden. Unmittelbar betrifft dies Gebäude-Photovoltaik-Anlagen sowie Onshore- und Offshore-Windenergieanlagen. Die Windenergie an Land soll nach dem jetzigen Stand dabei als eine Art "Lückenfüller" eingesetzt werden: Über das Ausschreibungsvolumen soll für Windenergieanlagen an Land die Einhaltung des Ausbaukorridors – oder vielmehr Ausbaudeckels – der erneuerbaren Energien insgesamt gesteuert werden.
Damit wird gerade die kostengünstigste erneuerbare Energie geschwächt, was in einem seltsamen Kontrast zu den angeblichen Kostenreduktionszielen des Gesetzes steht. Hier könnte vielmehr der Eindruck entstehen, dass die etablierten Stromkonzerne durch die Begünstigung großtechnologischer Ansätze wie der Offshore-Windenergie zu Lasten kleiner Akteure wie Genossenschaften oder einzelner Bürger im Markt gehalten werden sollen. Deren systemimmanente Benachteiligung im Ausschreibungsmodell werden auch die geplanten Sonderregeln für Bürgerwindenergieprojekte aller Voraussicht nach nicht auffangen können.
2/2: Fehlender Leitungs- und Speicherbau
Ebenso ambivalent fallen zahlreiche weitere der geplanten Änderungen aus. So werden etwa beim EEG-Kernbegriff der "Anlage", dem grundlegenden Verhältnis von höchstrichterlicher Rechtsprechung und Clearingstelle EEG oder bei der Behandlung von Stromspeichern statt Klarheit eher neue Unklarheiten erzeugt. Dass die zunehmende Rechtsunsicherheit rund um das EEG dabei ein großes Hemmnis für die Investitionsbereitschaft vieler Marktakteure sein dürfte, liegt auf der Hand.
Die Probleme werden dadurch nicht kleiner, dass das Gesetz rückwirkend zum 1. Januar 2016 in Kraft treten soll – was ebenfalls rechtlich vielfältige Unklarheiten erzeugen würde. Das EEG 2016 soll noch in diesem Sommer verabschiedet werden. Besonders paradox ist, dass der gebremste Erneuerbare-Energien-Ausbau durch fehlende neue Stromleitungen und Stromspeicher begründet wird, gleichzeitig der Gesetzgeber aber keinerlei engagierte Gesetzesinitiativen zur effektiven Leitungs- und Speicher-Ausbaubeschleunigung erkennen lässt.
Kosten der fossilen Brennstoffe
Auch das Argument (angeblich) überbordender Kosten der EEG-Umlage auf alle Stromverbraucher überzeugt nicht, wenn gleichzeitig mit der Offshore-Windenergie ein besonders teurer Energieträger gefördert wird.
Unberücksichtigt bleibt zudem, dass die fossilen Brennstoffe weit höhere gesellschaftliche Kosten als die erneuerbaren Energien erzeugen. Das bezieht sich nicht nur auf den drohenden Klimawandel. Auch ein Großteil der Krebserkrankungen an den menschlichen Atemwegen wird durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe ausgelöst, mit ebenso existenziellen wie volkswirtschaftlich verheerenden Folgen. Mit Quecksilber durch Kohlekraftwerke kontaminierte Gewässer und die Schäden an Boden, Wasser und Natur durch die flächendeckende Mineraldüngung kommen hinzu.
Das verdrängte Pariser Klimaabkommen
Vor allem aber verlieren die Bundesregierung und auch andere Instanzen in Europa aus dem Blick, dass Deutschland und die EU das Pariser Klimaabkommen mit verabschiedet und es gar als großen Erfolg gefeiert haben. Das Paris-Abkommen verlangt in seinem Art. 2 Abs. 1, die globale Erwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau auf deutlich unter 2 Grad, möglichst sogar 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dies ist nach den Daten des Weltklimarats nur noch zu erreichen, wenn die Nutzung fossiler Brennstoffe in einem Industriestaat wie Deutschland vollständig beendet wird – und zwar bis etwa 2027 (für 1,5 Grad globale Erwärmung) oder etwa 2037 (für deutlich unter 2 Grad globale Erwärmung).
Sobald das Abkommen ratifiziert wird – woran wenig Zweifel bestehen –, ist dies bindendes Völkerrecht. Daran ändert das ansonsten recht unbestimmte Abkommen wenig. Mit der Reform des EEG 2016 werden ausweislich der gesetzgeberischen Zielsetzung bis ungefähr 2030 selbst im Stromsektor die fossilen Energien noch rund 50 Prozent Anteil haben, nicht zu reden vom Wärme-, Mobilitäts- oder Düngersektor, wo noch weniger passiert. Ob der Bundesregierung ein derart flagrantes Ignorieren eines von ihr offiziell gefeierten Völkerrechtsvertrags politisch auf Dauer gut bekommen wird, wird angesichts steigender Politikverdrossenheit und dramatisch sinkender Umfragewerte für die Volksparteien mit Interesse zu beobachten sein.
Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin.
Rechtsanwältin Bettina Hennig ist bei der auf das Recht der erneuerbaren Energien spezialisierten Kanzlei von Bredow Valentin Herz in Berlin tätig.
Die Forschungsstelle und die Kanzlei richten zum Thema am 08.06.2016 in Berlin eine Tagung aus.
Felix Ekardt, EEG-Reform 2016: Das Ende des Erneuerbare-Energien-Ausbaus? . In: Legal Tribune Online, 03.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19536/ (abgerufen am: 03.10.2023 )
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